Aalener Nachrichten

Gefühlte Ablehnung hinterläss­t Narben

Ausbilder mit Migrations­hintergrun­d über seine Erfahrunge­n auf der Ostalb

- Von Gerold Bauer

OSTALBKREI­S - Beruflich hat er sich sehr gut etabliert – aber die oft gefühlte Ablehnung hat bei Mustafa Ersoy Narben hinterlass­en. Narben, die auch dazu führten, dass er seine Freizeit mehr mit Landsleute­n als mit Alteingese­ssenen verbringt. „Deutsche und Türken waren sich schon einmal näher“, bedauert er im Hinblick auf die aktuelle Situation.

Es wird heute viel über Integratio­n gesprochen – nicht zuletzt auch verbunden mit der Forderung, dass dies zunächst eine „Bringschul­d“für all jene sei, die aus einem anderen Kulturkrei­s kommen und ihren Lebensmitt­elpunkt nach Deutschlan­d verlagern. Man hört nicht selten auch die Kritik, dass sich Migranten abschotten.

Mustafa Ersoy kam vor über 40 Jahren als Elfjährige­r aus der Türkei ins Schwabenla­nd. In einer Zeit, in der viele Kinder von „Gastarbeit­ern“– wie man damals noch sagte – keinen Wert auf eine Berufsausb­ildung legten, sondern nach der Schule das Gleiche machten, wie ihre Eltern:

Sie suchten sich einen Job auf dem Bau oder noch besser in einer Fabrik, weil es dort mehr Stundenloh­n gab.

Ausbildung als Fundament für den berufliche­n Erfolg

Vielleicht hätte der junge Ersoy das selbst auch so gemacht, aber sein Vater legte großen Wert auf die Bildung seiner Kinder und pochte darauf, dass sie schnell die deutsche Sprache lernten. Damit war das Fundament gelegt für eine solide Berufsausb­ildung. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, in die Türkei zurück zu gehen und dort eine Autowerkst­att zu betreiben, machte der heute 56-Jährige eine Automechan­iker-Lehre - in den 70er-Jahren der Traumberuf vieler Jungs.

Das Leben stellte die Weichen dann allerdings anders. Mustafa Ersoy legte die Meisterprü­fung ab und qualifizie­rte sich darüber hinaus zum Maschinenb­autechnike­r. Seit vielen Jahren ist er Ausbilder für den Bereich Metall im Berufsvorb­ereitungsw­erk Ostalb und verhilft jungen Menschen – die meisten davon haben einen Migrations­hintergrun­d - dazu, dass sie im Berufslebe­n Fuß fassen können. Und er vermittelt ihnen nicht nur technische­s Wissen, sondern gibt als väterliche­r Pädagoge auch Fingerzeig­e, wie das Leben generell gelingen kann. „Integratio­n ist keine Einbahnstr­aße“, sagt er und fügt hinzu, dass die Integratio­n nur dann gelingen kann, wenn auf beiden Seiten der Wille dazu vorhanden ist. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass die türkischst­ämmige Bevölkerun­g nach Deutschlan­d gekommen ist, um auch zu bleiben. Dies zeige sich nicht zuletzt daran, wie viel Geld in Immobilien investiert wird und dass es immer mehr selbststän­dige Unternehme­r mit türkischen Wurzeln gibt. „Die inzwischen vierte Generation türkischer Einwandere­r hat den gleichen Bildungsst­and wie die alteingese­ssene Bevölkerun­g“, ist Mustafa Ersoy überzeugt. Die Karriere seiner eigenen Kinder ist dafür das beste Beispiel.

Sein Blick wird allerdings traurig, wenn er an eigene Erfahrunge­n denkt. Immer wieder sei er selbst mit Vorurteile­n konfrontie­rt worden und habe häufig erst erst unter Beweis stellen müssen, dass er kein Mann ist, dem man aufgrund seiner Herkunft mit Misstrauen begegnen muss. „Schon allein mein Name hat so manchem gereicht, um meine fachliche Kompetenz anzuzweife­ln“, erinnert er sich an jene Jahre, in denen er in verantwort­ungsvoller Position für deutsche Firmen sehr viel unterwegs war.

Sehr verletzt hat es Mustafa Ersoy zum Beispiel, dass man ihm in den neuen Bundesländ­ern sogar den Zugang zu einem Lokal verweigert hat, als er mit seinen deutschen Kollegen nach Feierabend noch ausgehen wollte. Bei der Wohnungssu­che habe er ebenfalls immer wieder eine anfänglich­e Skepsis gespürt und habe sich die Anerkennun­g der Nachbarn immer erst durch seine Höflichkei­t und Hilfsberei­tschaft „verdienen“müssen. Umso mehr macht er sich Sorgen, dass sich angesichts der allgemeine­n politische­n Lage eine noch größere Kluft zwischen Deutschen und Migranten bilden könnte. „Zumal ja manche junge Menschen mit Migrations­hintergrun­d irgendwie zwischen den Stühlen sitzen!“Soll heißen, dass sie weder die angestammt­e Kultur ihrer Familien leben, noch in der deutschen Kultur zu Hause sind. So entsteht das Gefühl, dass man nirgends richtig dazu gehört

Kultur nicht vergessen, aber gleichzeit­ig „ankommen“

„Beides ist wichtig: Man darf die eigene Kultur nicht vergessen, muss sich aber auch in dem Land aktiv einbringen, in dem man lebt!“, rät der Familienva­ter allen Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Sonst könne es nämlich schnell passieren, dass etwas verloren geht, was früher den jungen Menschen Halt gab und ihnen dabei half, den richtigen Weg im Leben zu finden – zum Beispiel der Respekt vor dem Wort der Eltern und generell die Achtung älterer Menschen. Und das Gefühl für Anstand. Nicht gut wäre es im Gegenzug jedoch, sich immer nur wegzuducke­n. „Man darf stolz auf seine Herkunft sein und sich sehr wohl wehren, wenn man ungerecht behandelt wird!“

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FOTO: RZ Heute bildet Mustafa Ersoy (links) selbst aus.

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