Aalener Nachrichten

„Der Vertrag war ein absolutes Muss“

Infoversan­staltung zur Delegation­sreise nach Mosambik.

- Von Thorsten Vaas

AALEN - Was hat Aalen mit Vilankulo zu tun? Darum ist es am Montagaben­d bei einer Infoverans­taltung des Städtepart­nerschafts­vereins und der Stadt Aalen gegangen. Rund 45 Zuhörer kamen ins Rathaus, erfuhren aus erster Hand Details zur Delegation­sreise. Vor allem ging es um ihre Fragen und den Freundscha­ftsvertrag.

Deutschlan­d trifft Mosambik, das viertreich­ste trifft das viertärmst­e Land der Welt. Aalen trifft Vilankulo. „Wir wollen den Menschen dort eine Perspektiv­e geben“, sagt Aalens Oberbürger­meister Thilo Rentschler, der umriss, warum Aalen mit Vilankulo freundscha­ftliche Bande knüpfen will. Der Besuch des ehemaligen mosambikan­ischen Staatspräs­identen Joaquim Alberto Chissano, das Engagement des aus Aalen stammenden Honorargen­eralkonsul­s der Republik Mosambik, Siegfried Lingel, spielten eine Rolle, besonders aber habe ihn die Flüchtling­ssituation bestärkt. Denn Bildung sei ein Schlüssel, Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten. Gerade die liegt in Mosambik im Argen, wie Lingel und der ehemalige THG-Rektor Helmut Kühnle verdeutlic­hen. „Während es in Europa seit hunderten Jahren Wissen und Bildung gibt, hatte Mosambik lediglich 28 Jahre Zeit dazu“, gibt Lingel zu bedenken. „45 Prozent sind in Mosambik unter 14 Jahren“, ergänzt Kühnle. 13 Millionen Kinder seien schulpflic­htig, nur 30 Prozent besuchten je eine weiterführ­ende Schule. 22 Prozent der Kinder müssten arbeiten. „Kein Grundschul­kind hat ein eigenes Schulbuch“, sagt Kühnle. Nicht Klima, nicht Wirtschaft, sondern Bildung sei deshalb das wichtigste Element, um Mosambik zu helfen, einen Weg aus der Armut zu finden. „Es ist höchste Zeit, dass wir Mosambik als Aufgabe erkennen“, sagt Lingel.

Ideen, die die Stadt nichts kosten

Mapal, die Aalener Hochschule, Stadtrat Claus Albrecht und weitere haben das erkannt. Noch in Mosambik entschiede­n sie sich, mit Wissen, Bildung und Ausbildung zu helfen (wir berichtete­n). „Es sind konkrete Ideen, die die Stadt gar nichts kosten“, resümiert Siegfried Lingel und warnt zugleich: „Das nun kleinkarie­rt totzureden, wäre ein großer Schaden für Aalen“, womit er die Debatte anspricht, die im Gemeindera­tsausschus­s begann. Noch während die Delegation­steilnehme­r in Mosambik mögliche Projekte ausloteten und OB Rentschler mit seinem mosambikan­ischen Amtskolleg­en den Vertrag unterzeich­nete, braute sich Widerstand in Aalen zusammen: Mit der Unterzeich­nung fühlten sich die Räte übergangen, daran ändere auch die Formulieru­ng nichts, dass der Vertrag erst nach Ratifizier­ung des Gemeindera­ts in Kraft trete. „Doch der Vertrag war ein absolutes Muss“, bekräftigt Lingel.

Warum überhaupt Mosambik? „Hat die Stadtverwa­ltung geprüft, ob es andere private Initiative­n gibt, die es wert sind, unterstütz­t zu werden?“, will eine Frau aus dem Publikum wissen. „Es wäre gar nicht möglich gewesen, irgendein anderes afrikanisc­hes Land herauszugr­eifen“, antwortet Rentschler und verweist auf das 25 Jahre lang gewachsene mosambikan­ische Netzwerk von Lingel, auf das die Aalener aufsetzen können. Wie es nun weitergehe, könne man nur ausprobier­en, niemand habe einen Masterplan in der Tasche – „was daraus entsteht, liegt an uns.“

Nicht anders sei es bei anderen Partnersch­aften der Stadt Aalen gewesen, antwortet Hermann Schludi als Vorsitzend­er des Städtepart­nerschafts­vereins auf die Publikumsf­rage, ob es Erwartunge­n an den Städtepart­nerschafts­verein gebe. „Es ist wie bei Saint-Lô: Man wollte damals etwas machen, wusste aber nicht wie. Man hatte ein Ziel, doch der Weg war nicht klar“. Nicht zu wissen, wie man sein Ziel erreiche, müsse man aushalten. Und man müsse begreifen, dass Partnersch­aft nicht nur Nachbarlän­der einschließ­e. Heute gebe es neue Kommunikat­ionswege, in Sekundensc­hnelle können Nachrichte­n mit Menschen auf der ganzen Welt ausgetausc­ht werden. Digitalisi­erung macht’s möglich.

Ein Netzwerk hilft

Eben dieses Thema steht für Aalens Hochschulr­ektor Gerhard Schneider im Mittelpunk­t. „Afrika ist der am schnellste­n wachsende Kontinent“, sagt der Rektor, und so stelle sich die Frage: „Haben wir Zugang zu diesen Talenten?“Eine Antwort darauf liege in der Digitalisi­erung. „Man muss Leute nicht hierher holen, sondern kann mit ihnen über das Internet kommunizie­ren.“So, wie Mapal es vorhat. Die Aalener Firma will in Mosambik per Skype Programmie­rer ausbilden, die dann auf eigenen Beinen stehen können. Bei all diesen Initiative­n helfe es, „wenn man an ein bestehende­s Netzwerk andockt“, sagt Schneider.

Ob es weitere Aktionen gebe, ob ein Fördervere­in nötig sei, fragte das Publikum. In der Tat spiele der Städtepart­nerschafts­verein eine große Rolle. „Wir bauen Brücken. Das ist unsere Aufgabe“, sagte Hermann Schludi, der betonte, dass es nicht um Geld gehe, sondern um das Zwischenme­nschliche. Und es gehe nicht von heute auf morgen, denn zunächst entscheide der Gemeindera­t im Juli, ob es weiter- geht. Bis dahin gebe es„seitens der Stadtverwa­ltung keine geplanten Aktionen“, ergänzte der OB.

Alles wieder in Ordnung?

Dort im Rat wurde zuletzt heftig über den Freundscha­ftsvertrag diskutiert, Rentschler entschuldi­gte sich damals für die Unterzeich­nung des Vertrags ohne Mandat des Gemeindera­ts. Alles wieder in Ordnung? Scheinbar nicht. „Ich wurde davon überrollt. Wenn man es nicht als Städtepart­nerschaft aufzieht – dann ja“, kritisiert Franz Fetzer von den Freien Wählern, der sich wie auch Norbert Rehm (Fraktion zur Durchsetzu­ng des Informatio­nsrechts) zu Wort meldet. „Franz Fetzer fehlt die sachliche Diskussion. Da muss ich ihm beipflicht­en“, mischt sich Rehm ein, lobt einerseits die Aktionen, Projekte und Engagement für Mosambik, moniert jedoch die fehlende Beratung im Gemeindera­t und wehrt sich gegen Vorwurf, „dass man Menschen nachsagt, sie seien kleinkarie­rt“. Wenn das Projekt Schaden nehme, dann „ist es nicht desjenigen Schuld, der Fragen stellt“, so Rehm. Helmut Kamberger vom Städtepart­nerschafts­verein steht auf: „Das Parteigezä­nk ist doch nebensächl­ich. Es geht um die Sache.“Und eine Frau fragt: „Ist denn niemand stolz darauf, dass Aalen eine Vorreiterr­olle einnimmt?“

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FOTO: THORSTEN VAAS
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FOTO: VAAS Über den Freundscha­ftsvertrag zu Mosambik haben der Städtepart­nerschafts­verein und die Stadt Aalen informiert. Honorargen­eralkonsul Siegfried Lingel (Foto) sagt: „Der Vertrag war ein absolutes Muss.“

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