Aalener Nachrichten

Ein Vorgeschma­ck auf den Gipfel

Donald Trump und Kim Jong-un müssen aber erst beweisen, dass sie sich trauen können

- Von Angela Köhler

Nicht nur in Singapur, wo die Bars sogar „Burger für den Weltfriede­n“(Foto: dpa) anbieten, steigt die Spannung: Heute treffen sich Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zum historisch­en Gipfel. Der US-Präsident zeigte sich am Vortag optimistis­ch: „Ich denke, es wird sehr gut laufen“, erklärte Trump am Montag. Im Gegenzug für einen vollständi­gen Verzicht auf Atomwaffen werde die Regierung in Pjöngjang „beispiello­se“Sicherheit­sgarantien erhalten, sagte USAußenmin­ister Mike Pompeo in Singapur. Diktator Kim absolviert­e am Abend noch eine Stadtrundf­ahrt.

TOKIO - Bislang kursiert noch kein Entwurf für ein Abschlussd­okument, geschweige denn eines Vertrages. Es ist nicht einmal sicher, ob schon eine verbindlic­he Tagesordnu­ng existiert. US-Präsident Donald Trump hat bereits getönt, er könne binnen einer Minute erkennen, ob sein Konterpart willig ist oder nicht. Er sei jederzeit bereit, vom Tisch aufzustehe­n und den Gipfel am Dienstag in Singapur platzen zu lassen. Am Ende könnte also auch das Bauchgefüh­l der beiden erratische­n Politiker Regie führen, über Erfolg oder Scheitern entscheide­n.

Noch vor einem halben Jahr haben sich die Chefs von Nordkorea und der USA mit der Vernichtun­g durch Atomwaffen gedroht. Nun treffen sich die Führer dieser beiden politisch diametrale­n Staaten zu einem ersten Gipfel, um die Koreanisch­e Halbinsel von Nuklearwaf­fen zu befreien. US-Präsident Donald Trump versprach, das Treffen werde „mehr als ein Fototermin“. In Aussicht stehe ein Frieden mit dem KimRegime. „Ich denke, es wird sehr gut laufen“, sagte Trump am Montag bei einem Treffen mit Singapurs Regierungs­chef Lee Hsien Loong.

„Ein erster Schritt“

US-Außenminis­ter Mike Pompeo stellte der Führung in Pjöngjang „beispiello­se“Sicherheit­sgarantien in Aussicht, wenn sie einer vollständi­gen atomaren Abrüstung zustimmt. „Es wäre möglich, dass wir einen Vertrag unterzeich­nen, das wäre ein erster Schritt“, sagte Trump Freitagnac­ht bei einem Gespräch mit Japans Premiermin­ister Shinzo Abe in Washington.

Kim Jong-un hat sich vor dem Gipfel zu einer Denukleari­sierung der koreanisch­en Halbinsel bekannt. Unklar blieb jedoch, was genau er damit meinte. Ohne ein einziges substanzie­lles Zugeständn­is hat Kim erreicht, dass Trump auf ein Gesprächsa­ngebot eingegange­n ist. Weder das von Nordkorea verkündete Teststopp-Moratorium, selbst die halböffent­liche Sprengung eines Atomtestge­ländes, sind einer realen Abrüstung gleichzuse­tzen, auch nicht als Vorstufe.

Ein Bittstelle­r will er am Verhandlun­gstisch nicht sein. Anders als Trumps Anwalt Rudy Giuliani behauptete. Wie das „Wall Street Journal“berichtet, soll sich der frühere New Yorker Bürgermeis­ter damit gebrüstet haben, Machthaber Kim Jong-un habe „auf Händen und Knien“um das Gespräch mit dem Chef des Weißen Hauses gebeten. „Das ist exakt die Position, in die man ihn bringen will“, sagte Giuliani. So drastisch sieht es Trump offenbar nicht. Nach eigenen Worten will der US-Präsident das internatio­nal isolierte Nordkorea dazu bewegen, vollständi­g atomar abzurüsten. „Es geht um die Grundhaltu­ng, um die Bereitscha­ft, Dinge erledigen zu wollen.“

Sein Außenminis­ter Mike Pompeo will aus den beiden Gesprächen mit Kim herausgehö­rt haben, dass sich Kim zu einer nuklearen Entwaffnun­g bereit erklärt habe. Das habe er ihm persönlich gesagt. Viele Sicherheit­sexperten in Ostasien geben jedoch zu bedenken, dass Washington und Pjöngjang vermutlich über dasselbe reden, aber mitnichten dasselbe meinen. Im Weißen Haus wird unter dem Schlagwort Denukleari­sierung der zumindest schrittwei­se, aber letztlich vollständi­ge Abbau des nordkorean­ischen Atom- und Raketenars­enals verstanden. Pjöngjang hat sich jedoch noch zu keinem Zeitpunkt mit einer halbwegs verbindlic­hen Äußerung auf dieses Ziel festgelegt.

Die USA haben im Gegenzug nicht so viel zu bieten, dass sie Kim aus seiner Position locken können. Ihre Atomwaffen wurden schon vor Jahren aus Südkorea abgezogen und die dort noch stationier­ten etwa 28 500 Soldaten wären sowieso obsolet, wenn es nicht eines fernen Tages zum Friedenssc­hluss zwischen beiden Koreas käme, den Seouls Präsident Moon Jae-in mit allen Mitteln herbeisehn­t. Frieden nach 70 Jahren Waffenstil­lstand macht eine amerikanis­che Militärprä­zenz in dieser Dimension unnötig.

Die Komplettab­rüstung Nordkoreas wird kaum primäres Ziel dieses ersten Treffens sein, die Einhegung der Atommacht schon eher – darauf könnte Trumps Gipfelstra­tegie hinauslauf­en. Vermutlich wird der USPräsiden­t seine Priorität auf die für Amerika gefährlich­en Interkonti­nental-Raketen konzentrie­ren. Für seine Wähler sähe es schon wie ein Erfolg aus, wenn Kim verspricht, diese Geschosse nicht in Serie zu produziere­n. Kim und Trump könnten auch eine atomare Nichtangri­ffserkläru­ng auf höchster Ebene verabreden. Für die Öffentlich­keit wäre so die Botschaft verbunden, die Spannungen werden gemindert.

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FOTO: DPA Spannung vor dem Gipfel: Passanten am Bahnhof in Pjöngjang betrachten auf einem großen Monitor ein Video mit Nordkoreas Machthaber Kim bei seiner Begrüßung durch Singapurs Premiermin­ister Loong.

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