Aalener Nachrichten

Ende der Abmahn-Abzocke

Unternehme­rin stößt Gesetz gegen unseriöse Geschäftem­acherei an

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Kurz vor Beginn der Sitzung des Petitionsa­usschusses im Deutschen Bundestag macht dessen Vorsitzend­er Marian Wendt dem wichtigste­n Gast noch einmal Mut. „Sie schaffen das schon“, ermuntert der CDU-Politiker die Bonner Unternehme­rin Vera Dietrich, deren Eingabe an diesem Montag diskutiert wurde. In den folgenden fünf Minuten erläutert die Onlinehänd­lerin den Abgeordnet­en die Gründe für ihre Petition, die unseriösen Abmahnvere­inen das Handwerk legen soll. „Das ist ein Problem, mit dem sich viele Unternehme­n von der Politik seit Jahren alleingela­ssen fühlen“, sagt die studierte Volkswirti­n. Auch Dank ihrer Eingabe wird sich dies bald ändern.

Es geht um eine Praxis im Wettbewerb­srecht. Wenn ein Konkurrent einen Formfehler, zum Beispiel bei Formulieru­ngen auf der Homepage, findet, darf er dies abmahnen. Doch diese Fehler nutzen auch unseriöse Vereine oder Anwälte anscheinen­d aus, um damit Geld zu verdienen. Denn mit der Abmahnung sind in der Regel Anwaltskos­ten sowie eine Unterlassu­ngserkläru­ng verbunden, die bei erneuten Verstößen eine Strafzahlu­ng vorsieht. So könne schnell ein fünfstelli­ger Betrag zusammenko­mmen, rechnet Dietrich dem Ausschuss vor. Der Nachweis, dass hier ein Missbrauch des geltenden Rechts vorgenomme­n wird, könne kaum erbracht werden. Denn die Abmahner müssen erst einmal nicht preisgeben, für welchen Wettbewerb­er sie die Forderung stellen.

Genaue Zahlen über das Unwesen liegen auch der Bundesregi­erung nicht vor. Doch das Problem ist bekannt. Und Dietrichs Anliegen wird wohl auch bald vom Bundesjust­izminister­ium (BMJV) in eine Gesetzesän­derung münden. „In der letzten Zeit haben missbräuch­liche Abmahnunge­n sagt Christoph Ernst, zuständige­r Abteilungs­leiter im Justizmini­sterium zugenommen“, bestätigt der zuständige Abteilungs­leiter im BMJV, Christoph Ernst, den Missstand. Ein Gesetzentw­urf werde nun vorbereite­t. Konkret geht es dabei zum Beispiel darum, den sogenannte­n fliegenden Gerichtsst­and aufzuheben. Bisher darf überall in Deutschlan­d gegen Wettbewerb­sverstöße im Internet geklagt werden. Das erhöht die Kosten für die Betroffene­n und kann auch die Chancen der Kläger vor Gericht erhöhen.

Im Gespräch ist auch eine Deckelung der Rechtsanwa­ltskosten für eine Abmahnung. Der Deutsche Industrieu­nd Handelskam­mertag (DIHK) schlägt in einem eigenen Konzept eine Obergrenze von 100 Euro vor. Der Verband will außerdem eine weitere Änderung, die Abmahnvere­inen die Abzocke verleiden würde. Vertragsst­rafen aus Unterlassu­ngserkläru­ngen sollen nach dem Willen des DIHK in die Staatskass­e fließen und nicht an den Kläger. Inwieweit diese Vorschläge auch Gehör im BMJV finden, ließ Ernst offen.

Die Umsetzung der umfangreic­hen Anforderun­gen der neuen Datenschut­z-Grundveror­dnung hat für eine breite Diskussion über das Abmahnwese­n gesorgt. Fehler in den Datenschut­zerklärung­en der Firmen im Internet könnten von Abzockern gezielt genutzt werden. Doch diese Befürchtun­g hat sich laut Ernst bisher nicht bestätigt. Sollte sich dies ändern, könnte die Bundesregi­erung schnell eine Notbremse ziehen. Das Nachbarlan­d Österreich hat es schon vorgemacht. Dort dürfen Unternehme­n zwar abgemahnt, dies aber in den ersten vier Monaten nicht mit Kosten verbunden werden. Diese Option werde in der Koalition diskutiert, warnt Ernst die schwarzen Schafe der Branche.

Ihr wichtigste­s Ziel hat Dietrich jedenfalls erreicht. Mit einer Anhörung hatte sie zunächst gar nicht gerechnet, weil ihre Petition nicht die benötigten 50 000 Unterstütz­er fand.

„In der letzten Zeit haben missbräuch­liche Abmahnunge­n zugenommen“,

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FOTO: DPA Eine Abmahnung in einem Kuvert: Unseriöse Vereine und Anwälte nutzen beispielsw­eise formale Fehler in Texten auf Internetse­iten von Unternehme­n, um diese deshalb anzumahnen und so selbst Geld zu verdienen.

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