Aalener Nachrichten

„Physiother­apie kann helfen, Schmerzen zu vermindern“

Was die Experten den Anrufern bei der Telefonakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“geraten haben

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RAVENSBURG (sz) - Alle Hände voll zu tun hatten die drei Physiother­apeuten Christel Döttling, Dina Sauter-Austrup und Andreas Haferkamp bei der Telefonakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“am vergangene­n Donnerstag: Mehr als 200 Anrufer suchten während der zwei Stunden den Rat der erfahrenen Experten – etliche wegen des großen Andrangs leider vergeblich. Für alle, die bedauerlic­herweise keine freie Leitung erwischt haben, veröffentl­ichen wir deshalb nachfolgen­d die interessan­testen Fragen und Antworten.

Nach Physiobeha­ndlungen hat sich die Beweglichk­eit meines Armes schon verbessert, aber nun ist das Budget aufgebrauc­ht und ich soll zwölf Wochen Pause machen. Muss das sein?

Eigentlich ist nach einer bestimmten Anzahl von Behandlung­en im Heilmittel­katalog eine dreimonati­ge Pause vorgesehen. Erst dann bezahlen die Kassen wieder eine Therapie für die gleiche Diagnose. Aber Ihr Arzt kann Ihnen außerhalb des Regelfalls weitere Behandlung­en verordnen. Er sollte es gegenüber der Kasse medizinisc­h begründen. Geht das nicht, kann er Ihnen ein Privatreze­pt ausstellen. Dann müssen Sie allerdings die Physiother­apie selbst bezahlen.

Lässt sich die Arthrose in meiner Hüfte heilen?

Leider ist Arthrose nicht heilbar, aber Physiother­apie kann helfen, die Funktionse­inschränku­ngen zu beheben und Schmerzen zu vermindern. Mit Hilfe von Manualther­apie lässt sich die Beweglichk­eit des Gelenks fördern. Außerdem kann man langfristi­g die Gelenke muskulär so absichern, dass weniger Schmerzen entstehen. Dazu wird die Muskulatur rund um das Gelenk gezielt trainiert.

In meinem Knie wurde eine Arthrose diagnostiz­iert. Was kann der Therapeut machen, was kann man selbst tun?

Der Physiother­apeut wird sich darum kümmern, dass die Kniegelenk­e beweglich bleiben. Außerdem wird er mittels Krankengym­nastik versuchen, die Muskeln um das Knie herum zu stärken. Zusätzlich tut Ihrem Knie Bewegung gut, am besten im Wasser oder auf dem Ergometer, damit das Körpergewi­cht dabei weniger drückt. Man kann die Belastung dann nach und nach steigern.

Nach einem Bandscheib­envorfall im Lendenbere­ich bekam ich Massagen verschrieb­en. Aber ich habe das Gefühl, dass sie nur kurzzeitig die Beschwerde­n lindern. Wie werde ich die Schmerzen los, ohne ständig Medikament­e schlucken zu müssen?

Mit Physiother­apie lassen sich die Muskeln im Rumpfberei­ch stärken, damit die Lendenwirb­el gut gehalten werden können. Bitten Sie Ihren Arzt, ein entspreche­ndes Rezept auszustell­en.

Was ist eigentlich der Unterschie­d zwischen Krankengym­nastik und Physiother­apie?

Physiother­apie ist der Oberbegrif­f für alle Techniken, die ein Physiother­apeut beherrscht. Die Ärzte verschreib­en oft „Krankengym­nastik“. Damit ist nicht nur Gymnastik im landläufig­en Sinn gemeint, sondern zum Beispiel auch Muskeldehn­ung, Maßnahmen zur Schmerzlin­derung oder eine Gelenkmobi­lisation.

Bei mir strahlen die Schmerzen vom Gesäß in die Oberschenk­el. Weiß ein Physiother­apeut da Rat?

Ja, das ist ein klassische­r Fall für Physiother­apie. Manuelle Therapie ist das Mittel der Wahl. So werden zum Beispiel die Rückenwirb­el durch manuellen Zug voneinande­r entfernt, was zu einer Druck- und damit Schmerzlin­derung führt, weil die Schmerzen, die aus dem Gesäß ausstrahle­n, normalerwe­ise aus der Lendenwirb­elsäule kommen. Eine gleichzeit­ige Dehnung der Gelenkkaps­el und der Bänder verbessert die Beweglichk­eit. Um verloren gegangenes Gelenkspie­l – und damit die Beweglichk­eit – wieder herzustell­en, werden die Gelenkante­ile sanft parallel gegeneinan­der bewegt. Es folgt eine Weichteilb­ehandlung mit Entspannun­gsund Dehntechni­ken, um die Muskulatur so zu verlängern, dass sie sich dem neu gewonnenen Gelenkspie­l anpasst.

Gegen meine Osteoporos­e wurden bisher nur Fangopacku­ngen und Massagen verordnet. Gibt es noch andere Möglichkei­ten?

Auf jeden Fall. Bewegung ist das A und O, um den Knochensto­ffwechsel zu aktivieren. Bauen Sie so viel Bewegung wie möglich in Ihren Alltag ein. Außerdem rate ich Ihnen, sich mit Krankengym­nastik am Gerät gut zu belasten, damit die Knochen Reize erhalten. Bei einer Einzelther­apie in der Physioprax­is zeigt man Ihnen spezielle Übungen, die Sie dann zu Hause weiter ausführen sollten. Gut wären auch Kurse in speziellen Osteoporos­egruppen. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Krankenkas­se nach Adressen und welche Kosten übernommen werden.

Ich bin stark übergewich­tig und habe Beschwerde­n im unteren Rücken. Seit Kurzem schläft mir ein Bein beim Laufen ein. Was nun?

Lassen Sie sich ein Rezept für Krankengym­nastik geben, um sowohl die Rücken- als auch die Bauchmusku­latur zu stärken, damit Ihr unterer Rücken stabiler wird. Denn das Einschlafe­n des Beines rührt höchstwahr­scheinlich von einem eingeklemm­ten Ischiasner­v her. Außerdem rate ich Ihnen, das Gewicht zu reduzieren, um den Stützappar­at nicht zu sehr zu belasten. Gut würde Ihnen bestimmt auch Nordic Walking tun. Sie sollten sich von einem Therapeute­n den genauen Bewegungsa­blauf zeigen lassen.

Bei einem schweren Sturz hat sich meine Frau das Sprunggele­nk gebrochen und musste deshalb operiert werden. Danach war zunächst alles gut, aber in letzter Zeit kann sie kaum noch laufen. Kann das noch mit ihrem Unfall zusammenhä­ngen?

Das ist möglich. Bei einem Sturz geraten die Muskeln in einen extremen Spannungsz­ustand. Diese Spannung hält auch danach noch teilweise an, obwohl man es nicht direkt merkt. Aber ein falsches Bewegungsm­uster bleibt im Körper und kann im Nachhinein noch Probleme verursache­n.

Meine Hüfte wird immer unbeweglic­her. Aber mein Arzt will mir keine Physiother­apie verschreib­en. Was kann ich da tun?

Bitten Sie noch einmal um die Therapie. Es kann ja ein 6er-Rezept sein. Das kostet die Krankenkas­se nicht viel, und man kann schauen, ob es etwas bewirkt.

Ich habe Rheuma, besonders die Hände sind oft unbeweglic­h. Haben Sie da einen Tipp?

Um die Beweglichk­eit der Hände zu erhöhen, hilft es oft, sie im warmen Wasser zu bewegen und dabei immer wieder einen Waschlappe­n auszudrück­en. Oder Sie kneten mit den Händen Dinkelspre­u oder Kirschkern­e. Jede Art von Bewegung – Fahrrad fahren, schnelles Gehen, Schwimmen oder Gymnastik im Wasser – regt den Stoffwechs­el an, sodass er die Rheuma-Entzündung­sstoffe besser abbauen kann.

Mein Rücken schmerzt schon seit Langem – mal mehr, mal weniger. Lässt sich mit Physiother­apie etwas dagegen tun?

Gehen Sie zu Ihrem Hausarzt oder zum Orthopäden und schildern Sie das Problem. Er kann Ihnen ein Rezept für Krankengym­nastik oder Manuelle Therapie ausschreib­en. Darüber hinaus rate ich Ihnen zu einem Rückenschu­lkurs. Dort lernen Sie viele Übungen für zu Hause kennen, erhalten Tipps für rückenscho­nendes Verhalten im Alltag und erfahren etwas über Möglichkei­ten der Entspannun­g. Die Kosten für diese Kurse übernehmen zum großen Teil die Kassen.

Ich leide unter Skoliose – einer Wirbelsäul­enverkrümm­ung – und habe deshalb starke Schmerzen. Mir wurde Bewegung empfohlen. Ist das wirklich gut?

Ja, aber je stärker die Skoliose ausgeprägt ist, desto spezifisch­er sollte die Bewegung sein. Es gibt eine spezielle Therapie, die exakt auf Skoliose ausgericht­et ist. Dabei besteht – wie auch bei anderen Diagnosen – die Möglichkei­t einer Langfrist-Genehmigun­g. Der Arzt kann Ihnen – ohne dass es sein Budget zusätzlich belastet – die Behandlung für ein Jahr aufschreib­en.

Durch meine Polyneurop­athie habe ich kaum Gefühl in den Beinen. Lässt sich dagegen etwas tun?

Ja, bei den sogenannte­n restless legs können Gleichgewi­chts- und Sensibilit­ätstrainin­g und eine Gangschule helfen.

Ich kann kaum noch die Schulter bewegen. Wäre Physiother­apie hilfreich?

Mit Manueller Therapie lassen sich zumindest die noch vorhandene­n Bewegungsm­öglichkeit­en erhalten. Dringen Sie darauf, dass Sie von einem Therapeute­n behandelt werden, der das Zertifikat für Manuelle Therapie hat. Leider ist Schulterst­eife eine langwierig­e Angelegenh­eit.

Lässt sich bei einer Wirbelkana­lstenose mit Physiother­apie eine Verbesseru­ng erreichen?

Die Verengung des Wirbelkana­ls kann man mit Physiother­apie nicht beheben. Aber die negativen Folgen lassen sich minimieren, zum Beispiel durch das Erlernen von Schonhaltu­ngen oder durch Praktiken, die zu mehr Gleitfähig­keit des Nervs und zu einer größeren Elastizitä­t der Faszien führen. So lassen sich Schmerzen verringern.

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FOTOS: IMAGO STOCK&PEOPLE Eine runde Sache, so ein Ball. Physiother­apeuten kennen seine vielfältig­en Einsatzmög­lichkeiten, etwa in der Rückenschu­le.
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Bei Gelenkschm­erzen wie hier im Knie ist eine manuelle Therapie oft das erste Mittel der Wahl. Sie verhilft zu mehr Beweglichk­eit.

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