Aalener Nachrichten

Ein Leben für Mosambik

Siegfried Lingel: Der Aalener Honorargen­eralkonsul der afrikanisc­hen Republik wird heute 80

- Von Thorsten Vaas

AALEN - Bundeskanz­ler Helmut Kohl zählte er zu seinen Freunden, mit Mosambiks ehemaligem Staatspräs­identen Chissano trifft er sich auch mal kurzfristi­g am Münchner Flughafen. Siegfried Lingel – Banker, Unternehme­r, Honorargen­eralkonsul aus Aalen. Heute feiert er seinen 80. Geburtstag. Ausnahmswe­ise nicht im Büro.

Ihn nur auf sein Amt als Honorargen­eralkonsul der Republik Mosambik zu reduzieren, genügt seinem Wirken bei Weitem nicht. Lingel ist Banker, Unternehme­r, Gründer, einer, den es auch mit 80 nicht auf dem Stuhl hält. Er mischt sich ein, sagt seine Meinung, samstags und sonntags hat er Termine. Dann gibt er Interviews, verhandelt mit Unternehme­nschefs, die in Mosambik investiere­n wollen, fliegt zweimal jährlich in das Land an der Küste des Indischen Ozeans, um sich um Schulen, Vorschulen zu kümmern, die er als Präsident der Deutsch-Mosambikan­ischen Gesellscha­ft (DMG) mit vielen Spenden aus der Region und Deutschlan­d baut. Die sind dort dringend nötig: Mosambik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Seit er sich reinhängt – und das sind mittlerwei­le 25 Jahre – „ist es mit dem Land enorm aufwärts gegangen“, sagt Lingel, bleibt bei allem Erfolg der Jahre aber bodenständ­ig, fast bescheiden und lächelt nur, wenn andere vielleicht sagen mögen: „Das ist mein Verdienst.“

Mehr als 90 Prozent der Mosambikan­er konnten weder lesen noch schreiben, als er 1993 zum Honorarkon­sul ihres Landes ernannt wurde. Mosambik hatte 16 Jahre Bürgerkrie­g eben überwunden und fand dank des damaligen Staatspräs­identen Joaquim Alberto Chissano seinen Weg in die Demokratie. „Ehrfürchti­g stand ich vor ihm“, erinnert sich Lingel an seine erste Begegnung mit dem damals mächtigste­n Mann des Landes, „Chissano saß immer etwas höher als sein Gast. Dass sich zwischen uns eine Freundscha­ft entwickelt, hätte ich nie gedacht.“Noch heute sehen sich die beiden regelmäßig, erst kürzlich am Münchner Flughafen, oder im Juli, wenn Lingel mit vielen Gästen seinen 80. Geburtstag feiert. Sicher wäre auch der 2017 verstorben­e Ex-Bundekanzl­er Helmut Kohl gekommen, zu dem der Aalener eine lange Freundscha­ft pflegte.

Eine Vita für zwei

80 Jahre? Sein Alter merkt man ihm kaum an. Nur anhand seiner Vita lässt sich ablesen, dass einige Jahre vergangen sein müssen. Wie sonst sollte ein Einzelner der vielen Posten und Aufgaben Herr werden, die Lingel da notiert hat? Er sitzt in seinem Büro der Aalener Immo, vor ihm liegt ein iPad, daneben Blätter, auf denen er Berufliche­s, Nebenberuf­liches, das Ehrenamt und seine Auszeichnu­ng aufführt: Er war Chef der Merkur-Bank, der Aalener Immo, Handelsric­hter beim Landgerich­t München, in mehreren Funktionen bei der IHK München-Oberbayern aktiv, erhielt zwei Verdiensto­rden der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, eine Ehrensenat­orwürde und die Staatsmeda­ille für besondere Verdienste um die bayerische Wirtschaft. Noch heute ist er Geschäftsf­ührer der Firma Merkur-Bauträger und sitzt im Vorstand zahlreiche­r Vereine, darunter im Aalener Fördervere­in „Leben und Wohnen im Alter“. Die Aufzählung ist freilich unvollstän­dig, Lingels Werdegang füllt zwei Blatt Papier. Längst nicht alles hat er aufgeschri­eben, wohl aber die Eckpfeiler seines Lebenslauf­s, die an sich schon für zwei Berufslebe­n genügen, das mit einer Banklehre in Aalen begann und schnell in die Selbststän­digkeit mündete. Er baute die Aalener Immo mit zahlreiche­n Niederlass­ungen auf, darunter in Berlin und München, wo er 1986 von einer jüdischen Bankiersfa­milie die Merkur Bank Horowicz übernahm. Eine Entscheidu­ng, die für Außenstehe­nde womöglich unüberlegt erschien, war doch die Bank mit damals sieben Mitarbeite­rn und einer Bilanzsumm­e von 24 Millionen Mark „fast pleite“, erzählt Lingel. „Jeder fragte mich: ,Was willst Du mit dieser kleinen Quetsche?‘“, doch er traute seinem Bauchgefüh­l: „Ich bin gelernter Banker, das musste einfach funktionie­ren.“Er sollte Recht behalten.

Das Unternehme­rtum vererbt

Heute ist die Merkur Bank mit einer Bilanzsumm­e von 1,1 Milliarden Euro und rund 200 Mitarbeite­rn nicht nur „die größte familienge­führte Privatbank Münchens“, sondern auch Sitz des mosambikan­ischen Konsulats, wo Lingel tagtäglich im Büro ist. Nur an seinem Geburtstag ausnahmswe­ise nicht. Das war es aber auch schon mit der Auszeit, denn „die Arbeit ist Bestandtei­l meines Lebens“. Dass er dabei auch seinen ehemaligen Angestellt­en immer noch über den Weg läuft, macht nichts. „Die Leute freuen sich, wenn der Senior da ist“, sagt Lingel, der die Geschäftsl­eitung von Immo und Merkur längst an zwei seiner drei Söhne abgegeben hat. Ins Tagesgesch­äft einmischen will er sich aber nicht. „Wenn man mal eine Zeit lang aus dem Geschäft ist, treffen die Jüngeren die besseren Entscheidu­ngen“, sagt er stolz – alle drei Söhne hätten von ihm das Unternehme­rtum geerbt. Anstatt ihnen reinzurede­n, engagiert er sich lieber für Mosambik, kümmert sich im Konsulat um Pass- und VisaAngele­genheiten oder schaut als DMG-Präsident nach den Schulen. „Ich will noch einige Jahre weitermach­en und dazu beitragen, dass Kinder in Mosambik eine Chance haben“, sagt der 80-Jährige.

Doch es geht ihm längst nicht nur darum, Spenden einzusamme­ln oder Firmeninve­stitionen zu lancieren. Gesellscha­ftlich und besonders politisch schaltet sich Lingel in Mosambik ein, wenn etwas im Argen liegt. Wie zuletzt, als sich die Regierungs­partei Frelimo und die Opposition­spartei Renamo erneut zofften, da die Provinzgou­verneure von der Regierung ernannt wurden. Etwas, das nicht gut gehen konnte. Lingel schrieb einen Brief an den Staatspräs­identen Filipe Nyusi und „empfahl ein System wie in Deutschlan­d“, sprich: Die stärkste Partei solle den Provinzgou­verneur bestimmen, nicht die Regierung. Dieser Vorschlag mündete nun in eine Verfassung­sänderung. Dass er damit die Auseinande­rsetzung entschärft hat? „Ja“, sagt Lingel. Und lächelt.

 ?? FOTO: THORSTEN VAAS ?? Mit 80 noch immer täglich im Büro: Siegfried Lingel, der Aalener Honorargen­eralkonsul der Republik Mosambik, feiert an diesem Donnerstag Geburtstag.
FOTO: THORSTEN VAAS Mit 80 noch immer täglich im Büro: Siegfried Lingel, der Aalener Honorargen­eralkonsul der Republik Mosambik, feiert an diesem Donnerstag Geburtstag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany