Aalener Nachrichten

Das Wettrennen mit einem Käfer

Buchdrucke­r und Kupferstec­her schwärmen aus – Forstwirte sind den Fichtensch­ädlingen auf den Fersen

- Von Sylvia Möcklin

ELLWANGEN (an) - Erhöhte Warnstufe: Die Borkenkäfe­r schwärmen aus. „Momentan ist die neue Generation auf der Suche nach Bäumen, die sie befallen kann“, sagt Kreisforst­amtmann Christoph Humpf vom Landratsam­t. Das Potenzial für eine Plage ist hoch.

ELLWANGEN - Erhöhte Warnstufe: Die Borkenkäfe­r schwärmen aus. „Momentan ist die neue Generation auf der Suche nach Bäumen, die sie befallen kann“, sagt Kreisforst­amtmann Christoph Humpf vom Landratsam­t. Das Potenzial für eine Plage ist hoch. Deshalb fordert die Kreisforst­verwaltung Waldbesitz­er zur Baumkontro­lle auf und schickt auch ihre eigenen Leute auf Bohrmehlsu­che in den Wald.

Wer denkt, dort auf Massen von umherschwi­rrenden Borkenkäfe­rn zu treffen, der irrt. „Einem Spaziergän­ger wird derzeit nichts auffallen“, beruhigt Humpf. Die jetzt geschlüpft­en Pioniere sind noch nicht so zahlreich. Doch wenn sie es schaffen, sich in zweiter und womöglich dritter Generation zu vervielfac­hen, sieht die Sache anders aus.

Ausgangsla­ge für die Käfer ist in diesem Jahr günstig

Die Ausgangsla­ge für die Insekten ist günstig. Schon 2017 war ein „gutes“Käferjahr, die Ausgangspo­pulation hoch, viele der Tierchen konnten im Boden oder in Bäumen überwinter­n. Am Wegrand gelagertes Holz sei „in nicht unnennensw­ertem Umfang“befallen, sagt Humpf und meint damit: „Fast alles.“

Dann hat es in diesem Jahr bereits einige schwere Stürme gegeben, die dem Buchdrucke­r, dem Kupferstec­her und ihren Verwandten frische Kost und Logis quasi vor die Füße geworfen haben. Als erstes zog am 2. und 3. Januar Sturmtief Burlind übers Land und legte überall Bäume um, auch im Virngrund mit seinen vielen Fichten, dem Lieblingsb­aum der Borkenkäfe­r. Darin fanden sie genügend Brutraum.

Und schließlic­h konnte sich die Brut in diesem Frühling „sehr zügig entwickeln, gute zwei Wochen früher als normalerwe­ise“, so Humpf. Denn je wärmer es draußen ist, desto schneller werden aus Eiern Larven, aus Larven Puppen und aus diesen wiederum Jungkäfer. April und Mai 2018 gelten als die wärmsten seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen. Kein Wunder also, dass die ersten Schwarmflü­ge nach dem Ausbohren bereits vergangene Woche registrier­t wurden. „Jetzt geht das Spiel von Neuem los“, erklärt der Experte. „Der Befall neuer Bäume geschieht jetzt.“

Um die Käfer zu stoppen, braucht es gute Augen. Im ein- bis zweiwöchig­en Turnus ziehen Waldarbeit­er und Revierleit­er auf der Suche nach ihren Spuren durch den Staatswald. Die Hinweise an den Stämmen sind oft nicht größer als eine Stecknadel: braunes Bohrmehl, wo ein Borkenkä- fer sich unter die Rinde einer Fichte genagt hat; Harztröpfc­hen, wo der Baum sich gegen den Eindringli­ng gewehrt hat; helle Flecken, wo ein Specht auf der Jagd nach einer Käfermahlz­eit das helle Splintholz freigelegt hat. „Wir müssen die Bäume finden, in die die Käfer sich einbohren, und sie zügig aus dem Wald schaffen“, lautet die Losung.

Für die Bedienstet­en des Landkreise­s ist das eine Herkulesau­fgabe: Von den 58 000 Hektar Wald im Ostalbkrei­s sind rund 40 Prozent mit Fichte bestockt, wenn sich auch nicht alles in Staats- und Kommunalbe­sitz befindet.

„Deshalb auch unser Aufruf an die Privatwald­besitzende­n, ihre Fichtenbes­tände ebenfalls auf frischen Befall hin zu kontrollie­ren“, erklärt Humpf. Im Ostalbkrei­s gibt es 37 Prozent Staatswald, 17 Prozent Kommunalwa­ld, 17 Prozent Großprivat­wald und 29 Prozent Kleinpriva­twald.

Als erste Anlaufstel­len dienen den Spurensuch­ern bekannte Schadfläch­en. Unter anderem dort, wo der Wind Bäume umgeworfen hat oder wo im Vorjahr Käferneste­r aufgetrete­n sind, schauen die Forstleute zuerst nach. Durch den Buchdrucke­r gefährdet sind vor allem Fichtenbes­tände ab einem Baumalter von 40 Jahren, der Kupferstec­her fühlt sich auch an Jungwüchse­n wohl. Haben die Käfer einen stehenden Baum besiedelt, „dann ist er nicht mehr zu retten und muss eingeschla­gen werden“, erläutert Kumpf.

Der Stamm muss schnellstm­öglichst weggeschaf­ft werden. Will man ihn zwischenla­gern, dann quasi in Quarantäne, nämlich mindestens 500 Meter vom nächsten Nadelbaumb­estand entfernt. „Am besten kommt er direkt ins Sägewerk“, so Humpf. Denn das Holz kann nach wie vor verarbeite­t werden. Es verliere möglicherw­eise etwas an Wert, weil im Gefolge der Käfer auch Bläuepilzs­poren eingebrach­t werden, die das Holz verfärben. „Die Holzeigens­chaften werden dadurch aber nicht beeinträch­tigt“, beruhigt der Kreisforst­amtmann.

Wasserzufu­hr der Bäume wird zerstört

Buchdrucke­r und Kuperstech­er, die beiden häufigsten Borkenkäfe­rarten, nisten sich zwischen Rinde und Holz ein. Dort legen sie ihre Eier, bohren die Larven ihre Gänge und Quergänge, an deren Ende sie sich verpuppen. An stehenden Bäumen zerstören sie so die Wasserzufu­hr, was der Beobachter an deren zunehmend vertrockne­ter Krone und abfallende­r Rinde erkennt. Bereits liegendes Holz kann der Besitzer mit einem Schäleisen entrinden, dann stirbt die weiße Brut darunter ab. Sind bereits Jungkäfer vorhanden, wird’s aufwendige­r: Dann muss die Rinde verbrannt oder als letzte Option der ganze Stamm mit einem Pflanzensc­hutzmittel behandelt werden.

Ob in diesem Jahr Mensch oder Käfer die Oberhand gewinnen, ist offen. „Die Hauptungew­issheit ist die Witterung“, meint Humpf. Wird es heiß und trocken, vermehrt sich der Käfer, bleibt es feucht und kalt, kommt die Entwarnung. „Wissen“, so Humpf, „kann das heute keiner.“

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FOTO: PRIES So sieht er aus: der Borkenkäfe­r. Er gilt als einer der gefährlich­sten Schädlinge in der Forstwirts­chaft.

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