Das Wettrennen mit einem Käfer
Buchdrucker und Kupferstecher schwärmen aus – Forstwirte sind den Fichtenschädlingen auf den Fersen
ELLWANGEN (an) - Erhöhte Warnstufe: Die Borkenkäfer schwärmen aus. „Momentan ist die neue Generation auf der Suche nach Bäumen, die sie befallen kann“, sagt Kreisforstamtmann Christoph Humpf vom Landratsamt. Das Potenzial für eine Plage ist hoch.
ELLWANGEN - Erhöhte Warnstufe: Die Borkenkäfer schwärmen aus. „Momentan ist die neue Generation auf der Suche nach Bäumen, die sie befallen kann“, sagt Kreisforstamtmann Christoph Humpf vom Landratsamt. Das Potenzial für eine Plage ist hoch. Deshalb fordert die Kreisforstverwaltung Waldbesitzer zur Baumkontrolle auf und schickt auch ihre eigenen Leute auf Bohrmehlsuche in den Wald.
Wer denkt, dort auf Massen von umherschwirrenden Borkenkäfern zu treffen, der irrt. „Einem Spaziergänger wird derzeit nichts auffallen“, beruhigt Humpf. Die jetzt geschlüpften Pioniere sind noch nicht so zahlreich. Doch wenn sie es schaffen, sich in zweiter und womöglich dritter Generation zu vervielfachen, sieht die Sache anders aus.
Ausgangslage für die Käfer ist in diesem Jahr günstig
Die Ausgangslage für die Insekten ist günstig. Schon 2017 war ein „gutes“Käferjahr, die Ausgangspopulation hoch, viele der Tierchen konnten im Boden oder in Bäumen überwintern. Am Wegrand gelagertes Holz sei „in nicht unnennenswertem Umfang“befallen, sagt Humpf und meint damit: „Fast alles.“
Dann hat es in diesem Jahr bereits einige schwere Stürme gegeben, die dem Buchdrucker, dem Kupferstecher und ihren Verwandten frische Kost und Logis quasi vor die Füße geworfen haben. Als erstes zog am 2. und 3. Januar Sturmtief Burlind übers Land und legte überall Bäume um, auch im Virngrund mit seinen vielen Fichten, dem Lieblingsbaum der Borkenkäfer. Darin fanden sie genügend Brutraum.
Und schließlich konnte sich die Brut in diesem Frühling „sehr zügig entwickeln, gute zwei Wochen früher als normalerweise“, so Humpf. Denn je wärmer es draußen ist, desto schneller werden aus Eiern Larven, aus Larven Puppen und aus diesen wiederum Jungkäfer. April und Mai 2018 gelten als die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Kein Wunder also, dass die ersten Schwarmflüge nach dem Ausbohren bereits vergangene Woche registriert wurden. „Jetzt geht das Spiel von Neuem los“, erklärt der Experte. „Der Befall neuer Bäume geschieht jetzt.“
Um die Käfer zu stoppen, braucht es gute Augen. Im ein- bis zweiwöchigen Turnus ziehen Waldarbeiter und Revierleiter auf der Suche nach ihren Spuren durch den Staatswald. Die Hinweise an den Stämmen sind oft nicht größer als eine Stecknadel: braunes Bohrmehl, wo ein Borkenkä- fer sich unter die Rinde einer Fichte genagt hat; Harztröpfchen, wo der Baum sich gegen den Eindringling gewehrt hat; helle Flecken, wo ein Specht auf der Jagd nach einer Käfermahlzeit das helle Splintholz freigelegt hat. „Wir müssen die Bäume finden, in die die Käfer sich einbohren, und sie zügig aus dem Wald schaffen“, lautet die Losung.
Für die Bediensteten des Landkreises ist das eine Herkulesaufgabe: Von den 58 000 Hektar Wald im Ostalbkreis sind rund 40 Prozent mit Fichte bestockt, wenn sich auch nicht alles in Staats- und Kommunalbesitz befindet.
„Deshalb auch unser Aufruf an die Privatwaldbesitzenden, ihre Fichtenbestände ebenfalls auf frischen Befall hin zu kontrollieren“, erklärt Humpf. Im Ostalbkreis gibt es 37 Prozent Staatswald, 17 Prozent Kommunalwald, 17 Prozent Großprivatwald und 29 Prozent Kleinprivatwald.
Als erste Anlaufstellen dienen den Spurensuchern bekannte Schadflächen. Unter anderem dort, wo der Wind Bäume umgeworfen hat oder wo im Vorjahr Käfernester aufgetreten sind, schauen die Forstleute zuerst nach. Durch den Buchdrucker gefährdet sind vor allem Fichtenbestände ab einem Baumalter von 40 Jahren, der Kupferstecher fühlt sich auch an Jungwüchsen wohl. Haben die Käfer einen stehenden Baum besiedelt, „dann ist er nicht mehr zu retten und muss eingeschlagen werden“, erläutert Kumpf.
Der Stamm muss schnellstmöglichst weggeschafft werden. Will man ihn zwischenlagern, dann quasi in Quarantäne, nämlich mindestens 500 Meter vom nächsten Nadelbaumbestand entfernt. „Am besten kommt er direkt ins Sägewerk“, so Humpf. Denn das Holz kann nach wie vor verarbeitet werden. Es verliere möglicherweise etwas an Wert, weil im Gefolge der Käfer auch Bläuepilzsporen eingebracht werden, die das Holz verfärben. „Die Holzeigenschaften werden dadurch aber nicht beeinträchtigt“, beruhigt der Kreisforstamtmann.
Wasserzufuhr der Bäume wird zerstört
Buchdrucker und Kuperstecher, die beiden häufigsten Borkenkäferarten, nisten sich zwischen Rinde und Holz ein. Dort legen sie ihre Eier, bohren die Larven ihre Gänge und Quergänge, an deren Ende sie sich verpuppen. An stehenden Bäumen zerstören sie so die Wasserzufuhr, was der Beobachter an deren zunehmend vertrockneter Krone und abfallender Rinde erkennt. Bereits liegendes Holz kann der Besitzer mit einem Schäleisen entrinden, dann stirbt die weiße Brut darunter ab. Sind bereits Jungkäfer vorhanden, wird’s aufwendiger: Dann muss die Rinde verbrannt oder als letzte Option der ganze Stamm mit einem Pflanzenschutzmittel behandelt werden.
Ob in diesem Jahr Mensch oder Käfer die Oberhand gewinnen, ist offen. „Die Hauptungewissheit ist die Witterung“, meint Humpf. Wird es heiß und trocken, vermehrt sich der Käfer, bleibt es feucht und kalt, kommt die Entwarnung. „Wissen“, so Humpf, „kann das heute keiner.“