Sbornaja schürt Euphorie
Salah lässt die Russen kalt – Spieler von Fragen genervt
ST. PETERSBURG (SID) - Stanislaw Tschertschessow verzog keine Miene, auch die zigste Frage nach Russlands größter Bedrohung ließ ihn völlig unbeeindruckt. Ja, Mohamed Salah sei „natürlich der beste Ägypter“, sagte der Trainer des WM-Gastgebers anerkennend: „Aber jede Mannschaft hat solche Spieler, und ich bin absolut davon überzeugt, dass wir das hinbekommen werden.“
Salah, der König der Pharaonen, flößte den Russen einen Tag vor dem Aufeinandertreffen also keine Angst ein. Warum auch? Noch steht ja gar nicht fest, ob der 26-Jährige im zweiten Gruppenspiel (20 Uhr/ZDF und Sky) überhaupt auflaufen wird. Und selbst wenn: Im Vollbesitz seiner Kräfte kann er nicht sein.
Das belegen unter anderem die jüngsten Szenen aus dem Trainingslager der Ägypter in Grosny: Nur unter mithilfe dreier Teamkollegen konnte Salah sein Trainingsshirt über die lädierte Schulter ziehen. Es ranken sich sogar Gerüchte, wonach er eher als Botschafter fungiert und bei der Endrunde kein einziges Spiel bestreiten wird. Nachvollziehbar war daher auch die Gleichgültigkeit, mit der Tschertschessow und vor allem sein Kapitän Igor Akinfejew die lästigen Fragen nach Salah parierten. „Wie wäre es, wenn wir uns auf das russische Team konzentrieren?“, fragte Torhüter Akinfejew schnippisch. Mitspieler Alexei Mirantschuk hatte schon zuvor infrage gestellt, was Salah „gegen uns zeigen kann“. Vorausgesetzt er spielt.
Dass Salahs Fähigkeiten dann grenzenlos sind, steht außer Frage. 44 Tore in 52 Spielen für den FC Liverpool sprechen eine eindeutige Sprache. Der Flügelflitzer füllt nicht umsonst seit Tagen die Schlagzeilen.
Zu viel des Guten, meint auch Wjatscheslaw Koloskow. „Wir sollten uns nicht zu viele Gedanken machen und ihn wie jeden anderen Spieler behandeln“, sagte der Ehren- präsident des russischen Verbandes RFS. Schließlich sei jener Salah, der für Ägypten spielt, ohnehin nicht „derjenige, der in Liverpool glänzt“. Die passende Erklärung dazu lieferte Denis Tschernyschew, im Mittelfeld ein möglicher Widersacher Salahs: „In Liverpool“; sagte Tschernyschew, „wird er perfekt eingesetzt. Die Ägypter geben ihm aber nur den Ball und schauen dann zu.“
So gesehen müsste es für die Gastgeber ein Leichtes werden, das Tor zum Achtelfinale zu öffnen. Das Problem allerdings ist, dass es Russland seit 1970 nicht mehr gelang, bei einer Endrunde zwei Siege nacheinander einzufahren. Zudem ist der (Erwartungs-)Druck nach dem befreienden 5:0 gegen Saudi-Arabien gestiegen.
Einer repräsentativen Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM zufolge begeistern sich nun 64 Prozent der Bevölkerung für ihre Mannschaft - ursprünglich waren es nur 52. „Wir haben einen ersten Schritt gemacht“, sagte Tschertschessow. Der zweite soll folgen. Unabhängig von Salah. GRUPPE H KOLUMBIEN – JAPAN in Saransk (14 Uhr/ZDF) IM FOKUS: James. Bayern Münchens Mittelfeldstar trägt seit vier Jahren das Gütesiegel „WM-Torschützenkönig“mit sich herum. Trifft er im sechsten WM-Spiel in Folge, stellt er den Rekord von Just Fontaine (1958) und Jairzinho (1970) ein. WIEDERSEHEN: Für Japan endete die WM 2014 mit einem Spiel gegen Kolumbien (1:4), nun geht es direkt wieder gegen die Cafeteros. Erst zum dritten Mal in der Geschichte beginnt eine Mannschaft eine WM gegen ihren letzten Widersacher. VORAUSSICHTLICHE AUFSTELLLUNGEN: Kolumbien: Ospina, Arias, Mina, Davinson Sanchez, Mojica, Aguilar, Carlos Sanchez, Juan Cuadrado, James, Muriel, Falcao. – Japan: Kawashima, H. Sakai, Yoshida, Shoji, Nagatomo, Hasebe, Yamaguchi, Muto, Kagawa, Inui, Osako. SCHIEDSRICHTER: Damir Skomina (Slowenien). DIREKTER VERGLEICH: 3 Spiele, 2 Siege, 1 Unentschieden, 0 Niederlagen, 5:1 Tore. POLEN – SENEGAL in Moskau, SpartakStadion (17 Uhr/ZDF) IM FOKUS I: Robert Lewandowski. Die Hoffnungen ganz Polens lasten auf den Schultern des Starstürmers von Bayern München. Zuletzt hatten allerdings Wechselgerüchte um seine Person für Unruhe gesorgt. Der polnische Verband verhängte gar einen Transfer-Maulkorb. IM FOKUS II: Als „Weltklassespieler“bezeichnete Liverpools Teammanager Jürgen Klopp seinen Stürmer Sadio Mané. Mit dem Mohamed Salah und Roberto Firmino bildete er bei den Reds in dieser Saison ein magisches Dreieck. Senegal ist besonders auf seine Tore angewiesen. UNGESCHLAGEN: Senegal ist das einzige Team in der WM-Historie, das nach 90 Minuten noch ungeschlagen ist. Bei ihrer einzigen WM-Teilnahme 2002 stürmten die Afrikaner ohne Niederlage durch die Gruppenphase und scheiterten erst im Viertelfinale an der Türkei durch ein Golden Goal in der Verlängerung. VORAUSSICHTLICHE AUFSTELLLUNGEN: Polen: Szczesny, Piszczek, Bednarek, , Pazdan, Rybus, Linetty, Krychowiak, Blaszczykowski, , Zielinski, Grosicki, Lewandowski. – Senegal: Diallo, Gassama, Sané, Koulibaly, Sabaly, Kouyaté, A N'Diaye, Sarr, Mané, Niang, Sakho. SCHIEDSRICHTER: Nawaf Shukralla (Bahrain). DIREKTER VERGLEICH: -. GRUPPE A RUSSLAND – ÄGYPTEN in St. Petersburg, St. Petersburg Stadion (20 Uhr/ZDF und Sky). IM FOKUS I: Alles ist angerichtet – jetzt muss nur noch Mo Salah mitspielen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ganz Ägypten fiebert der Rückkehr des Star-Angreifers entgegen. Aber: Wie fit ist er wirklich? IM FOKUS II: Sein Freistoßtor gegen Saudi-Arabien war zum mit der Zunge Schnalzen, doch Alexander Golowin soll nicht erst seit dem WM-Auftakt auf den Einkaufszetteln ganz großer Klubs stehen. Heißestes Gerücht: Ein Wechsel zum ruhmreichen FC Barcelona. REKORDVERSUCH: Kommt Ägyptens 45 Jahre alter Torwart Essam El Hadary zum Einsatz, löst er den früheren Kölner Bundesliga-Profi Faryd Mondragon als ältesten Spieler ab, der je bei einer WM gespielt hat. Der Rekord des Kolumbianers von der WM 2014 liegt bei 43 Jahren und drei Tagen. VORAUSSICHTLICHE AUFSTELLLUNGEN: Russland: Akinfejew, Kutepow, Ignaschewitsch, Smolnikow, Gasinski, Golowin, Samedow, Sobnin, Schirkow, Tscherysche, Smolow. – Ägypten: Al-Schenawi, Fathi, Gabr, Hegasi, Abdel-Schafi, Elneny, Hamed, Salah, Said, Trezeguet, Mohsen. SCHIEDSRICHTER: Enrique Caceres (Paraguay) DIREKTER VERGLEICH: -. Man mag es kaum glauben, aber nicht nur mexikanische Hexenmeister konnten voraussehen, dass das DFB-Team gegen die Amerikaner baden geht. Auch so mancher Werbemacher scheint eine Ahnung gehabt zu haben. Der Deutschland-Sombrero konnte gegen das Stümer-Duo nichts ausrichten – ob es wohl an der Nacho-Stärkung (Foto: falx) lag? Wie dem auch sei, Gelegenheit – und nicht zuletzt auch Notwendigkeit – besteht nun allemal, um sich ein Zweit-Herzens-Team für diese WM auszusuchen. Zumindest für alle diejenigen, die auch in der K.o-Phase noch stark parteiisch sein wollen. Wie wäre es also mit Mexiko?