„Diakonie – facettenreiche Kommunikation des Evangeliums“
Pfarrer Martin Schuster spricht über ein ausdifferenziertes Beratungsangebot des evangelischen Wohlfahrtsverbands
ELLWANGEN (sj) - „Unsere Diakonie – facettenreiche Kommunikation des Evangeliums.“So lautete der Titel von Pfarrer Martin Schusters Vortrag auf der Sondersynode der Evangelischen Kirchenbezirke Aalen und Schwäbisch Gmünd in Essingen, bei der Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, der Vorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, predigte. Josef Schneider sprach mit dem Ellwanger Geistlichen über Diakonie und ihre Aufgaben.
Herr Schuster, was versteht man unter Diakonie?
Diakonie ist ein Sammelbegriff für das Handeln der Kirche, das Menschen in verschiedenen Not- und Übergangssituationen zu Hilfe kommt. Es ist ein breites Spektrum und reicht von großen Einrichtungen wie dem Diakonie-Krankenhaus in Schwäbisch Hall bis hin zur nachbarschaftlichen Hilfe, die christlich motiviert ist.
Wo hat die Diakonie ihren Anfang?
Ihren Anfang hat die Diakonie in der ersten Christenheit gehabt. Zu jener Zeit gab es in Jerusalem eine tägliche Verpflegung für mittellose Witwen. Die Apostelgeschichte berichtet, dass die Jünger es nicht mehr geschafft haben, Witwen angemessen zu versorgen. Die zwölf Jünger haben daraufhin sieben Diakone gewählt, die sich um diese Aufgabe kümmerten. Im Grunde ist das das Vorbild der Vesperkirchen. Wir wissen aus den Briefen des Apostels Paulus, dass auch in den Gemeinden in Kleinasien und Griechenland diese Diakonie, das Teilen von Essen, gemeinsame Mahlzeiten, einen hohen symbolischen und theologischen Stellenwert hatte.
Wo ist Diakonie heute, hier im Umfeld von Ellwangen und Aalen, tätig?
Im Kirchenbezirk Aalen hat die Diakonie ein ausdifferenziertes Beratungsangebot. Es reicht von der Beratung von Müttern im Vorfeld von Mutter-Kind-Kuren über Schuldnerund Suchtberatung bis hin zur Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung und der allgemeinen Lebens- und Sozialberatung, zum Beispiel bei familiären Konflikten. Auch wenn jemand mit Formularen nicht zurechtkommt, etwa wenn es um einen Schwerbehindertenausweis geht, wird geholfen. Das sind alles Angebote, die wir im Haus der Diakonie haben, in Ellwangen, Aalen und Bopfingen. In Aalen gehört die Bahnhofsmission zur Diakonie der Kirchengemeinde. In der LEA in Ellwangen sind wir mit drei Personen in der Sozial- und Verfahrensberatung für Asylbewerber tätig.
Welche Einrichtungen noch? gibt es
Die psychologische Beratungsstelle in Aalen wird vom Katholischen Kreisdekanat und vom Evangelischen Dekanat Aalen gemeinsam getragen. Dann haben wir in Aalen, Bopfingen und Neresheim die Samariterstiftung, ein selbstständiges Werk der Diakonie. Diese Einrichtungen haben Angebote für Menschen mit Integrations- und Unterstützungsbedarf, also Werkstätten, Wohnangebote und weitere soziale Dienste. Seit kurzem gibt es in Rosenberg ein diakonisches Altenheim, Dienste für Menschen ist da der Träger.
Auf der Sondersynode der Evangelischen Kirchenbezirke haben Sie einen Vortrag über die Diakonie gehalten. Was war Anlass?
Immer Ende Juni gibt es eine Woche der Diakonie. In dieser Woche der Diakonie versuchen wir, Arbeitsfelder und Themen der Diakonie in die Öffentlichkeit zu tragen. Dazu gibt es eine Plakataktion. Auf einem Plakat steht „Unerhört, diese Nichtsesshaften“. Das soll zum Nachdenken anregen. Wann werden Menschen obdachlos? Wie sieht es mit Wohnraum aus für Menschen in prekären Situationen?
Welches Anliegen steckt hinter Ihrem Referat?
Mein Anliegen in dem Vortrag ist, die Diakonie als Lebensäußerung unseres christlichen Glaubens zu verstehen. In dem Vortrag entwickle ich aus Haltungen und Handlungen, die von Gott ausgehen, das Profil der Diakonie. Eine Grundhaltung, die wir als Christen von Gott haben, ist die Menschenfreundlichkeit Gottes, die sich wie in einem Prisma in den Haltungen und Handlungen der Diakonie spiegelt. Diese Menschenfreundlichkeit Gottes ist auch ein Teil unserer Hoffnung, dass Gott alle Not und alles Elend wenden möge. Diakonie zielt auf die versöhnte Gemeinschaft Gottes mit uns Menschen und die versöhnte Gemeinschaft unter uns Menschen. Die Selbstverantwortung und die Eigenständigkeit der Menschen werden respektiert.
Welche weitere Aufgabe hat die Diakonie?
Diakonie macht es sich zur Aufgabe, auf die Not der Menschen aufmerksam zu machen und diese Not zu einem gesellschaftlichen und politischen Thema zu machen. Ein solches Thema ist das pathologische Glücksspiel: Menschen verlieren im Grunde in den Spielhallen ihre wirtschaftliche Existenz. Ein neues Thema ist die verbrachte Zeit vor dem Bildschirm, die Online-Aktivität: Das taucht jetzt bei den Suchtberatungsstellen zunehmend auf. Die Diakonie leistet einen Beitrag, dass das Leben der Menschen gelingt. Die Diakonie bemüht sich dabei, nicht besserwisserisch oder bevormundend zu sein.