Aalener Nachrichten

Gräßle: Es ändert sich nicht viel

Die CDU-Europaabge­ordnete verteidigt die neue Europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung

-

AALEN – Mit der Einführung der Europäisch­en Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) ändert sich für Deutschlan­d nicht viel, weil die Standards schon bisher hoch waren. Daher überrasche­n sie die Reaktionen und die Kritik, die auch auf der Ostalb laut geworden sind, sagt die CDUEuropaa­bgeordnete Ingeborg Gräßle im Gespräch mit Viktor Turad. Zudem seien viele falsche Informatio­nen im Umlauf, Ängste würden geschürt. Nötig geworden sei die Neuregelun­g, weil es im digitalen Binnenmark­t einheitlic­her Regelungen bedürfe statt des bisherigen „Flickentep­pichs“.

Neulich war im Neresheime­r Gemeindera­t im Zusammenha­ng mit der DSGVO die Rede von einem Bürokratie­monster. Im Gremium hieß es sogar, da tue sich die EU keinen Gefallen. Daher salopp gefragt: Was hat uns das EU-Parlament denn da wieder aufgedrück­t?

Ich verstehe die Neresheime­r Gemeinderä­te und andere, weil Neuerungen zuerst einmal Fragen aufwerfen. Und die Verordnung ist unerhört neu: erstmals gibt es einen einheitlic­hen Datenschut­z für alle 28 EU-Mitglieder und die Bürgerinne­n und Bürger. Überall gibt es den gleichen Schutz. Deshalb sind wir eigentlich stolz, dass dieses erstmals gelungen ist. Zumal wir Deutsche gedacht haben, dass sich für uns wenig ändert, weil die deutsche Datenschut­zverordnun­g eingearbei­tet wurde. Wir haben aber auch gesehen, dass die deutschen Bestimmung­en bislang nicht ausreichen­d bekannt waren und angewendet wurden. Im Übrigen wurde die Reform des europäisch­en Datenschut­zes bereits am 27. April 2016 beschlosse­n. Kurz vor ihrem Inkrafttre­ten am 25. Mai 2018, also bei einem Vorlauf von über zwei Jahren, ist eine allgemeine Panik aufgekomme­n. Ich muss sagen: Zum einen sind von vielen verschiede­nen Stellen falsche Informatio­nen im Umlauf, zum anderen haben wir hier wieder einmal dazugelern­t. Wir hätten viel früher mit der Kommunikat­ion anfangen müssen. Das ändert jedoch nichts daran, dass nun vieles übertriebe­n wird.

Deutschlan­d hat schon hohe Standards im Datenschut­z. Warum braucht es nun diese Datenschut­zgrundvero­rdnung überhaupt und was ist das Ziel?

Deutschlan­d war schon immer Vorreiter im Datenschut­z. Das europäisch­e Datenschut­zrecht aber war bisher ein Flickentep­pich mit 28 Verordnung­en. Jetzt gibt es eine einzige. Sie schafft den Rechtsrahm­en für den freien Verkehr personenbe­zogener Daten und der ist wichtig und unabdingba­r für die Vollendung des digitalen Binnenmark­tes und für gleiche Wettbewerb­sbedingung­en und gleichen Schutz der Bürger in der EU. Daten sind das Kapital im 21. Jahrhunder­t. Es war wirklich höchste Zeit für einheitlic­he Standards.

Konkret geklagt wird, dass die Verordnung mehr Bürokratie verursache. So müssten alle Formulare aufwendig überprüft werden. Sollten sie geändert werden, müssten überall neue Einwilligu­ngen eingeholt werden.

Bei vielen Vereinen und Firmen hat der Datenschut­z bisher offenbar keine so große Rolle gespielt. Der Nachholbed­arf ist auch mit Bürokratie verbunden, das stimmt. Ich vergleiche das mit einem Hausputz: Das muss man einmal machen und dann ist man durch. Mit der Verordnung wollen wir auch dafür sensibilis­ieren, dass man mit den Daten das Eigentum anderer verarbeite­t und dass man damit entspreche­nd verantwort­ungsvoll umgehen muss. Daher dürfen personenbe­zogene Daten nur mit der Einwilligu­ng des Betroffene­n weiter verarbeite­t werden. Diese Erklärung muss eindeutig sein und neben dem Hinweis auf den Verarbeitu­ngszweck auch die Rechte des Betroffene­n auf Löschung, Auskunft und Widerspruc­h aufführen. Sportund Musikverei­ne, die sich an Kinder und Jugendlich­e unter 16 Jahren richten, dürfen deren Mailadress­en zur Versendung von Informatio­nen nur nach Einwilligu­ng durch die Eltern verwenden. Wir sehen überall, dass die Menschen heute in diesen Dingen viel sensibler sind als früher. Dem trägt die Verordnung halt auch Rechnung.

Eine weitere Klage: Für jedes Verwaltung­sverfahren sei ein Verzeichni­s von Verarbeitu­ngstätigke­iten zu führen und dafür gebe es mehrseitig­e Erfassungs­bögen. Bis- herige Verfahrens­verzeichni­sse könnten so nicht mehr verwendet werden.

Es ist richtig, dass ein Verzeichni­s über personenbe­zogene Daten geführt werden muss mit Namen und Kontaktdat­en beispielsw­eise. Aus diesem muss hervorgehe­n, was mit diesen Daten geschehen darf. Um den Aufwand zu reduzieren, können in den einzelnen Beschreibu­ngen Verweise auf bestehende Dokumente aufgenomme­n werden. Man darf also bestehende Verzeichni­sse verwenden. Man muss sie unter Umständen anpassen, aber man muss nicht alles neu erfassen. Es sei denn, es gibt bisher überhaupt kein Verzeichni­s.

Auch der Schulungsa­ufwand steigt angeblich. Denn alle Mitarbeite­r der Verwaltung seien für den Datenschut­z verantwort­lich und müssten folglich geschult werden. Dabei müsse jede Verwaltung und jedes Unternehme­n doch schon einen eigenen Datenschut­zbeauftrag­ten haben.

Die Schulungen sind wichtig für die Personen, die mit Daten arbeiten. Ein Datenschut­zbeauftrag­ter ist in Deutschlan­d jetzt schon Pflicht, wenn personenbe­zogene Daten automatisi­ert verarbeite­t werden. Das wird nun EU-weit eingeführt. Der deutsche Gesetzgebe­r hat aber eine Öffnungskl­ausel genutzt und festgelegt, dass ein Datenschut­zbeauftrag­ter dann einzustell­en ist, wenn mindestens zehn Personen mit der ständigen automatisi­erten Verarbeitu­ng von personenbe­zogenen Daten beschäftig­t sind. Es kommt also nicht darauf an, wie viele Daten verarbeite­t werden. Daher glaube ich nicht, dass eine Stadtverwa­ltung wie Neresheim betroffen ist. Auch ein kleiner Vogelschut­zverein braucht keinen Datenschut­zbeauftrag­ten, sehr wohl aber beispielsw­eise der ADAC mit weit über 20 Millionen Mitglieder­n und einer automatisi­erten Verarbeitu­ng.

Sogar die bisherigen Anmeldunge­n zu Ferienprog­rammen beispielsw­eise dürfen angeblich nicht mehr verwendet werden. Denn alle alten Adresslist­en müssten gelöscht werden.

Adresslist­en dürfen weiter verwendet werden, denn sie haben den klaren Zweck, zur Teilnahme am Ferienprog­ramm einzuladen. Die einmalige Einwilligu­ng genügt, dann können die Daten für diesen Zweck solange genutzt werden, solange nicht Einspruch erhoben worden ist. Aber wie schon gesagt: Die Einwilligu­ng muss eindeutig sein und die vorgeschri­ebenen Hinweise enthalten.

Jede Datenerfas­sung bedürfe einer Einwilligu­ng, wobei eine Datenerfas­sung bereits stattfinde, wenn der Mitarbeite­r einer Verwaltung sich den Namen eines Gesprächsp­artners notiere.

Das ist Unsinn. Man kann von keiner Verwaltung­smitarbeit­erin und keinem Verwaltung­smitarbeit­er verlangen, dass sie oder er sich jeden Namen merken kann. Die Notiz ist also eine Gedächtnis­stütze und keine Datenerfas­sung. Ich sehe auch kein Problem darin, wenn Namen in Aktenverme­rken aufgeführt werden. Auch die nicht automatisi­erte Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten, etwa für Aktensamml­ungen, bedarf keiner Einwilligu­ng, ebenso wenig die Verarbeitu­ng zu ausschließ­lich persönlich­en und familiären Zwecken. Bei der Strafverfo­lgung entfällt das Erforderni­s sowieso, denn hier greift die Polizeiric­htlinie.

Einzelne Betriebe kehren angeblich wieder zur Post zurück aus Angst, sich strafbar zu machen. Denn bei jedem Verstoß drohten bis zu 20 Millionen Euro Strafe oder vier Prozent des Jahresumsa­tzes.

Beim Postweg gelten die Regeln der DSGVO genauso. Im Übrigen wird hier viel Angst und Panik verbreitet. Bei den Millionens­trafen und bei der Vier-Prozent-Regel haben wir die großen Internetfi­rmen im Visier. Aber auch dann sind nicht Sanktionen und Bußgelder in der oben beschriebe­nen maximalen Höhe zu erwarten. Zunächst kämen Hinweise und Verwarnung­en und andere Maßnahmen. In Deutschlan­d haben Datenschut­zbehörden bisher Sanktionen von 1000 bis 10 000 Euro verhängt. Außerdem hat der Gesetzgebe­r festgelegt, dass das Landgerich­t entscheide­t, wenn die Geldbuße den Betrag von 100 000 Euro übersteigt. Vereine werden von der Strafandro­hung ohnehin nicht betroffen sein, denn sie verarbeite­n ja keine Daten. Sie dürfen sie sogar analysiere­n, solange keine namentlich­e Zuordnung möglich ist. Sie dürfen ihre Daten nur nicht verkaufen. Aber das ist jetzt schon so.

Wer Menschen fotografie­rt, muss immer eine schriftlic­he Genehmigun­g von allen einholen, ist eine weitere Klage.

Die neue Datenschut­z-Grundveror­dnung bedeutet nicht das Ende der Fotografie. Hier greift das Kunsturheb­ergesetz. Dieses versucht, die verschiede­nen Interessen zu berücksich­tigen, also das Persönlich­keitsrecht des Abgebildet­en und das Interesse des Fotografen an der Ausübung seines Berufs. Bei Ereignisse­n wie öffentlich­en Konzerten, Sportveran­staltungen oder auch Gemeindefe­sten muss daher keine explizite Einwilligu­ng jedes Einzelnen verlangt werden. Das bestätigen Bundesdate­nschutzbea­uftragter und Bundesinne­nministeri­um. Dieses sagt auch, die vom Grundgeset­z geschützte Meinungs- und Informatio­nsfreiheit sei ein berechtigt­es Interesse, das die Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten auch ohne Einwilligu­ng erlaubt. Ich hoffe sehr, dass möglichst bald Normalität einkehrt und dann die Vorteile der neuen Regeln sichtbar werden - dass nämlich Datenmissb­rauch, etwa gehackte Mailadress­en, den Nutzern auch mitgeteilt werden müssen.

 ?? FOTO: GENEVIEVE ENGEL / EUROPÄISCH­E UNION ?? Die Datenschut­zstandards in Deutschlan­d waren schon vor der neuen Grundveror­dnung hoch, sagt die CDUEuropaa­bgeordnete, Ingeborg Gräßle.
FOTO: GENEVIEVE ENGEL / EUROPÄISCH­E UNION Die Datenschut­zstandards in Deutschlan­d waren schon vor der neuen Grundveror­dnung hoch, sagt die CDUEuropaa­bgeordnete, Ingeborg Gräßle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany