Löws Analyse ist vertagt
Erste Veränderungen werden trotzdem erkennbar – Einer seiner Vorgänger gibt dem Bundestrainer nun einige Hinweise
MÜNCHEN (SID) – Die „saubere Analyse“ist erst einmal aufgeschoben, von „tiefgehenden Maßnahmen“noch nichts zu sehen. Doch während Joachim Löw nach seiner Bestätigung als Bundestrainer im heimatlichen Freiburg weiter das WM-Desaster verarbeitet, zeichnen sich im Umfeld der deutschen Nationalmannschaft bereits erste Veränderungen ab.
Das DFB-Team, das am 6. September in der Nations League gegen Frankreich (München) und drei Tage darauf gegen Peru (Sinsheim) den viel zitierten Neuanfang wagen soll, wird ein anderes Gesicht haben. Und das gilt nicht nur für die Besetzung der Mannschaft, in der nach der Katastrophe von Kasan der ein oder andere Weltmeister von 2014 fehlen dürfte.
Löw hat bereits mit der Aufarbeitung begonnen, am Dienstag stellte er in der Verbandszentrale erste Erkenntnisse vor. Laut „Bild“war dabei der fehlende Mannschaftsgeist ein Thema. In Russland soll es nicht nur zwischen Jungen und Etablierten, sondern auch zwischen den Rio-Helden geknirscht haben – etwa zwischen Mats Hummels und Sami Khedira, zudem sei Toni Kroos kritisch beäugt worden.
Diese Konflikte muss Löw im Hinterkopf haben, wenn er am 31. August seinen Kader für den Neuanfang benennen wird. Bis dahin soll es im August noch einen weiteren Termin beim DFB zur von Präsident Reinhard Grindel eingeforderten, am Dienstag aber als „verfrüht“eingestuften „umfassenden Analyse“geben.
Ein weiterer Punkt: die Taktik. Löw soll, auch unter dem Eindruck der Hochgeschwindigkeits-WM, bereit sein, sein Ballbesitz-Dogma zu überdenken. Und: Er dürfte seinen Stab verändern. Selbst Scout Urs Siegenthaler, für Löw lange eine Art Guru, steht auf der Kippe. Kritisch gesehen wird zudem Assistent Thomas Schneider, eine Rückkehr von Hansi Flick steht im Raum.
Löw sitzt auf einem Pulverfass, er braucht von September an Ergebnisse. Das zeigt auch ein Blick in die jüngere Historie des DFB-Teams. Berti Vogts, immerhin Europameister 1996, hatte nach dem WM-Fiasko 1998 auch geglaubt, den Umbruch moderieren zu können. „Ich habe Kraft genug, eine neue Mannschaft aufzubauen“, sagte er – zwei Spiele später war Vogts Geschichte. Vogts nennt Löws Bleiben dennoch „die einzig richtige Entscheidung“. 1998 sei es eine andere Situation gewesen. Vogts reichte damals seinen Rücktritt ein, zermürbt von der Kritik. Bei Löw denkbar? Nein, sagte Vogts, die Nationalmannschaft sei damals „am Ende“gewesen, so weit sei es heute nicht. Löw wisse, „dass er Fehler gemacht hat“, glaubt Vogts. Sein Rat: zur Ruhe kommen, zu sich finden. Der Bundestrainer wird ihn erhören: Mitte Juli will er sich in den Urlaub verabschieden. Klinsmann als Japan-Trainer im Gespräch: Japans Fußball-Verband will den Vertrag von Trainer Akira Nishino nach dem Achtelfinal-Aus bei der WM in Russland nicht verlängern. „Wir werden Nishino nicht überreden, weiterzumachen, nachdem seine Zeit als Nationaltrainer endet“, sagte Verbandschef Kozo Tashima. Als Nachfolger für Nishino ist Medienberichten zufolge auch der frühere Bundestrainer Jürgen Klinsmann im Gespräch, mit ihm soll der Verband demzufolge bereits Verhandlungen aufgenommen haben. Ehrung nur bei Brasilien-Sieg: Kleines Land, kleine Ziele? Von wegen. Belgiens Fußballer müssen bei der WM in Russland schon ins Halbfinale kommen, um in der Heimat einen gebührenden Empfang zu bekommen. Nur wenn das Team von Trainer Roberto Martínez am Freitag gegen Brasilien gewinnt, gibt es in Brüssel eine Ehrung auf dem Grand Place. Das hat das Kabinett von Brüssels Sportschöffe Alain Courtois verkündet. Ein Public Viewing im Stadion in Belgiens Hauptstadt gäbe es sogar nur, wenn Eden Hazard und Kollegen das Finale erreichen. Einwohner sollen Wasser sparen: Die Bewohner der WM-Gastgeberstadt Samara sind aufgefordert, paarweise zu duschen, weil der Zulauf der Fans die Wasserversorgung in der Stadt stark belastet. Wie das kommunale Versorgungsunternehmen feststellte, sei „aufgrund der Hitzewelle und tausenden von Gästen“gut zehn Prozent mehr Wasser als normal verbraucht worden. Das habe dazu geführt, dass der Wasserdruck in einigen Stadtvierteln sinke, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Mit einem Smiley versehen lautet der Aufruf an die Einheimischen: „Wasser sparen und paarweise duschen“. Jugend trainiert Fallen wie Neymar: Einmal wie Neymar sein, das dachten sich auch die Nachwuchskicker des FC Widnau in der Schweiz. An die fußballerischen Fähigkeiten des Brasilianers reichen die Jungs zwar noch nicht heran, doch da gibt es ja noch Neymars Fallsucht. Und so übten die Schweizer im Training Schwalben. „Neymar“, schreit der Trainer auf einem Video, das im Netz viral geht. Und alle Spieler fallen auf Kommando um und krümmen sich auf dem Boden. Millionenfach wurde das Video bei Twitter und Facebook bereits angeschaut. Ob Neymar sich für das Viertelfinale gegen Belgien auch Inspirationen geholt hat, ist nicht bekannt. Sammeln für Sampaoli-Abfindung: Zur vermeintlichen Rettung des argentinischen Fußballs sammeln nun sogar schon Fans Geld – und zwar für die Abfindung für Trainer Jorge Sampaoli. Auf der OnlinePlattform change.org wird mit dem Namen #PagaSampaoli (auf deutsch: Bezahlt Sampaoli) für die Aktion geworben. „Wir sind Opfer eines beschämenden Auftritts geworden, der uns ohne WM, ohne Messi und ohne eine Zukunft für unseren Fußball zurückgelassen hat“, hieß es. Sampaolis Vertrag ist noch vier Jahre gültig, die Abfindung soll bei rund 17 Millionen Euro liegen. Er war mit Argentinien bei der WM im Achtelfinale gescheitert.