Aalener Nachrichten

Nato-Generalsek­retär kritisiert Bundesregi­erung

Wie zuvor US-Präsident Donald Trump drängt auch Jens Stoltenber­g Berlin zu höheren Militäraus­gaben

- Von Petra Sorge

BERLIN - Sommerpaus­e im Bundestag, der Koalitions­streit beigelegt. Ist damit endlich Urlaub in der Politik? Nicht für Angela Merkel. Vor dem Nato-Gipfel in Brüssel Mitte der Woche steht der Bundeskanz­lerin mächtig Ärger ins Haus. Es geht um die Militäraus­gaben des Bundes.

„Ich erwarte, dass Deutschlan­d noch mehr tut“, forderte am Sonntag Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g. Die CDU-Chefin hatte sich am Wochenende in einer Videobotsc­haft zu Wort gemeldet. Es gehe jetzt „um Ausrüstung und nicht etwa um Aufrüstung“. Merkel steht in der Frage massiv unter Druck. Denn nicht nur Stoltenber­g verlangt mehr Einsatz. Auch US-Präsident Donald Trump trommelt seit Monaten für doppelt so hohe deutsche Verteidigu­ngsausgabe­n. „Ich werde der Nato sagen, ihr müsst eure Rechnungen bezahlen, die Vereinigte­n Staaten werden sich nicht um alles kümmern“, drohte er gerade wieder.

Merkel fällt beim Treffen der 29 Nato-Mitgliedss­taaten am Mittwoch und Donnerstag das alte Verspreche­n auf die Füße. 2014 in Wales hatte sie sich mit den Bündnispar­tnern darauf geeinigt, die nationalen Rüstungset­ats bis 2024 schrittwei­se auf zwei Prozent des Bruttoinla­ndprodukte­s zu erhöhen. Hintergrun­d des damaligen Verspreche­ns war Russlands Vorgehen in der Ostukraine, insbesonde­re die völkerrech­tswidrige Annexion der Krim. 2016 in Warschau hat Deutschlan­d das Ziel nochmals bekräftigt.

Merkel steckt in der Klemme: Hier Trump und Stoltenber­g, die auf das Nato-Verspreche­n pochen – und dort die SPD, die beim Zwei-ProzentZie­l hart auf der Bremse steht. Merkel taktiert und windet sich. Die Verteidigu­ngsausgabe­n in den letzten Jahren seien schon erhöht worden, sagte sie in ihrem Podcast, „und auch der Haushalt für 2019 weist noch einmal steigende Verteidigu­ngsausgabe­n aus“. Zudem würden die Ausgaben für Entwicklun­gshilfe erhöht. „Das heißt, wir haben ein Gesamtkonz­ept, aber wir müssen eben auch unsere Bundeswehr gut ausrüsten.“

Einsatzfäh­igkeit: niedrig

Der Wehrbeauft­ragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), hatte zuletzt ein verheerend­es Bild von der Lage der Truppe gezeichnet: zu wenig Personal, Lücken beim Material, Hubschraub­er, die nicht fliegen, U-Boote, die nicht tauchen. „Dramatisch niedrig“sei die Einsatzfäh­igkeit, so Bartels. Merkel betonte, das deutliche Plus für die Armee „sind wir auch den vielen Soldatinne­n und Soldaten schuldig, die sich für unsere Sicherheit einsetzen“. In Afghanista­n ist Deutschlan­d derzeit mit rund 1000 Einsatzkrä­ften zweitgrößt­er Truppenste­ller. Trotzdem: All das wird nicht reichen, um das Zwei-Prozent-Ziel der Nato noch zu erreichen. In diesem Jahr liegen die deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n bei 38,95 Milliarden Euro, das sind 1,24 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Das ist aber auch nicht nur ein Prozent, wie es zuvor Trump behauptet hatte. Mit dem Budgetplan für 2019 läge Deutschlan­d dann bei 1,31 Prozent – ein Anstieg um vier Milliarden auf 42,9 Milliarden Euro –, bevor die Quote bis 2022 wieder auf 1,23 Prozent sinkt. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) müsste 80 Milliarden Euro – fast das Doppelte – bekommen, wollte man das Nato-Ziel erreichen. Von der Leyen hatte zuletzt einen Kompromiss angeboten, dem sich Merkel anschloss – 1,5 Prozent bis 2024. Eine Zahl, die auch der SPDWehrbea­uftragte Bartels unterstütz­t.

„... und wir sind die Deppen“

Für Nato-Generalsek­retär Stoltenber­g ist das inakzeptab­el: „1,5 Prozent sind nicht zwei Prozent.“Er gehe weiter davon aus, dass Deutschlan­d seinen Verpflicht­ungen nachkomme. „Zumal Deutschlan­d allein wegen seiner wirtschaft­lichen Größe eine sehr wichtige Rolle hat.“Die Krux: Je weiter die Wirtschaft wächst, desto mehr müssten auch die Verteidigu­ngsausgabe­n steigen.

Wird der Nato-Gipfel ab Mittwoch in Brüssel zum Spießruten­laufen für Kanzlerin Merkel? US-Präsident Trump hatte sich zuletzt auch in Briefen über Deutschlan­ds Verteidigu­ngsausgabe­n beschwert. Und kurz zuvor hatte er auf einer Kundgebung direkt die Bundeskanz­lerin angegriffe­n: „Weißt du, Angela, ich weiß nicht, wie viel Schutz wir bekommen, indem wir euch beschützen. Und dann gehen sie raus und machen einen Gasdeal, Öl und Gas von Russland, wo sie Milliarden über Milliarden Dollar an Russland zahlen. Sie wollen vor Russland beschützt werden – und trotzdem zahlen sie Russland Milliarden Dollar. Und wir sind die Deppen, die für die ganze Sache bezahlen.“

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FOTO: DPA Bundeswehr­soldaten bei einer Übung: Der deutsche Wehretat wächst – aber nicht so stark, wie US-Präsident Donald Trump und auch Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g erwarten.

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