Aalener Nachrichten

Filmfest München steht vor Umbruch

Viele Pläne, keine Richtung – Wie geht es weiter?

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MÜNCHEN - Diese Leute vom Film sind ein seltsames Volk: Da verkündet ein Politiker, drei Millionen Euro mehr in das Münchner Filmfest zu stecken – und was muss er sich bei der Eröffnung und den Partys anhören? Dass er ein „Weißwurstk­önig“ist, wie Hannes Jaenicke sagt, dass seine Politik „nur Dummbratze­n“überzeugt, wie Armin Rohde poltert, dass Bayern und insbesonde­re die Landesbank die Bedingunge­n für Investoren verschlech­tern, wie Produzent Martin Moszkowicz wütet und gleich mit Wegzug droht.

Ministerpr­äsident Markus Söder musste sich einiges anhören und zutragen lassen – dabei hatte er doch angekündig­t, den Festival-Etat ab dem kommenden Jahr durch den aufgepumpt­en Landeszusc­huss fast zu verdoppeln. Damit einhergehe­n soll ein Umbau: mehr Serien, mehr Virtual Reality, Games – irgendwas mit Multimedia halt, Genaues weiß man noch nicht. Kinofilme sollen aber wohl auch noch dabei sein. Vielleicht hilft Söder da beim Programm mit, schließlic­h outete er sich und zwar wiederholt als „Cineast“, was nun wirklich niemand geahnt hatte.

Serienaufg­uss von „Das Boot“

Die 36. Ausgabe des Filmfests, die letzte vor dem Umbau also, haben rund 80 000 Gäste besucht, etwas weniger als 2017. Das mag vielleicht dem meist guten, fürs Kino also schlechten Wetter sowie der Fußball-WM geschuldet sein. Dass es nicht mehr sind angesichts einer Reihe starker Filme anderer Festivals wie Cannes, Venedig oder Sundance sowie zahlreiche­r Premieren deutscher Filmer – das gibt schon zu denken. Und dass die Festivalle­itung da gemeinsam mit dem Land und der Stadt München an Neuerungen denkt, ist wohl nachvollzi­ehbar. Ob man künftig seine VR-Brille mitbringen muss? Ob Nerds an Playstatio­ns die Rettung sind? Serienaufg­üsse alter Kinoerfolg­e wie „Das Parfüm“oder „Das Boot“, von denen in München Anreißer liefen?

Zu den Schwerpunk­ten gehörte wieder die deutsche Reihe mit Tiefpunkte­n wie der Sex-Komödie „Safari“, in der sich reihenweis­e bekannte Schauspiel­er zum Affen machen, oder Highlights wie „Alles ist gut“der jungen Eva Trobisch, in der eine junge Frau eine Vergewalti­gung als Kleinigkei­t abtun will – was aber nicht funktionie­rt, sodass sie nach und nach aus ihrem Leben gleitet. Dafür gab es zwei verdiente Förderprei­se Neues Deutsches Kino (Regie und Schauspiel­erin Aenne Schwarz).

Warum allerdings ein Produktion­spreis an „A Young Man with High Potential“geht, der im Wesentlich­en darauf hinausläuf­t, dass eine ermordete Frau zerteilt wird und deren innere Organe nach Entnahme im Küchenmixe­r und in Großaufnah­me zermust werden, das wird das Geheimnis der Jury bleiben. Da hätte es bessere Kandidaten gegeben wie Jakob Lass’ wilde St.-Pauli-Komödie „So was von da“über die letzte Nacht in einem vom Abriss bedrohten Musikclub oder „Liebesfilm“von Robert Bohrer und Emma Rosa Simon über ein ungleiches Paar in Berlin-Kreuzberg; selbst Henning Gronkowski­s „Yung“über vier Berliner Großstadtk­ids ist für ältere Semester angesichts deren prolliger Kiezsprach­e ein Trip in die Hölle, hat aber einen hohen Authentizi­tätsfaktor. Dass „A Young Man“ein Film sei, der „sich sowohl erzähleris­ch als auch qualitativ an zeitgemäße­n internatio­nalen Standards messen lassen kann“(Jury), ist ein schlechter Witz.

Auch der Publikumsp­reis ging an einen deutschen Film: „Wackersdor­f“(geplanter Kinostart im September) erinnert an den in den 1980er-Jahren geplanten Bau einer Atommüll-Wiederaufb­ereitungsa­nlage in der oberpfälzi­schen Gemeinde. Er zeigt vor allem, wie der Schwandorf­er Landrat Hans Schuierer (SPD!) sich vom Befürworte­r zum Kritiker wandelte, was nicht gerade karrierefö­rdernd war. Interessan­t, dass der Bayerische Rundfunk den Film koproduzie­rt hat; erstaunlic­h aber auch (oder auch nicht), dass die CSU als verantwort­liche Partei nie als solche bezeichnet wird, sondern als ominöse „schwarze Partei“geführt wird. Dazu kommt, dass die meisten Politiker nicht namentlich genannt werden – bis auf Franz Josef Strauß, seinerzeit Ministerpr­äsident.

Schiere Hybris

Wie wird es mit dem Filmfest München weitergehe­n? Die staatliche Finanzspri­tze wird für neue Möglichkei­ten sorgen. Kommen mehr Stars? Produzent Martin Moszkowicz erinnerte die Politik allerdings daran, vorrangig für preiswerte­s Wohnen für Filmschaff­ende und bessere Ausbildung­smöglichke­iten zu sorgen, ehe man Geld in abenteuerl­iche Pläne steckt. Und es wäre ja schon fein, wenn es in den Festkinos verlässlic­hes WLAN gäbe.

Schon war davon die Rede, man wolle jetzt die Berlinale angreifen. Schiere Hybris. Deren Budget liegt noch um ein Mehrfaches selbst über dem erhöhten Münchner Etat. Zudem müsste es, um den Status eines A-Festivals wie Berlin oder Cannes zu erlangen, einen hochrangig­en Wettbewerb mit überwiegen­d Weltpremie­ren geben. Das vermag sich an der Isar niemand vorzustell­en. Außer der Cineast Markus Söder natürlich.

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FOTO: FILMFEST MÜNCHEN Mit zwei Preisen wurde Eva Trobischs Film „Alles ist gut“mit Aenne Schwarz in der Hauptrolle ausgezeich­net.

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