Medizinische Versorgung soll lokal und digital werden
Landkreise Biberach, Ravensburg und Reutlingen geben als Modellregion die Richtung vor
STUTTGART - Die medizinische Versorgung ist gut, die Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren schlecht. Das ist die zentrale Erkenntnis aus dem Modellprojekt zur sektorenübergreifenden Versorgung des Sozialministeriums. Lokale Gesundheitszentren könnten eine Lösung sein.
Ziel des Projekts war es, mit den drei Modelllandkreisen Biberach, Ravensburg und Reutlingen ein zukunftsfähiges Konzept für die medizinische Versorgung in der Region zu erarbeiten. Starre Sektorengrenzen zu überwinden, sei dafür unerlässlich, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Montag.
Das bedeute, dass beispielsweise schon bei der Aufnahme ins Krankenhaus feststehen müsse, wo die Behandlung für den Patienten nach der Entlassung weitergeht. So könnten auch lange Wartezeiten vermieden werden. Bei Essstörungen etwa liege die Wartezeit auf einen ambulanten Therapieplatz bei bis zu sechs Monaten, sagte Gottfried Roller, Koordinator des Projekts.
Während die medizinische Versorgung in der Region auf hohem Niveau sei, mangele es bei der Zusammenarbeit zwischen den Sektoren, sagte Lucha. Aus Sicht der Betroffenen sei zudem teilweise nicht klar erkennbar, wie es nach der Entlassung weitergehe, Angehörige würden ihrem Schicksal überlassen.
Digitale Patientenakte soll helfen
Grenzen sollen aber auch zwischen Gesundheitsförderung und Prävention, Rehabilitation und Pflege sowie der Palliativmedizin abgebaut werden. Helfen soll dabei die digitale Patientenakte, durch die alle behandelnden Ärzte und Therapeuten auf demselben Wissensstand wären. Die Entscheidung für die digitale Akte liegt allerdings beim Bund.
Um die Behandlungsschritte besser aufeinander abzustimmen, sollen die Sektoren auch räumlich enger zusammenrücken. Besonders in ländlicheren Regionen könnten in lokalen Gesundheitszentren Teams aus verschiedenen Gesundheits-, Sozialund anderen Berufen zusammenarbeiten. Etwa Hausärzte, Physiotherapeuten oder Pflegedienste.
Die Bereitschaft zur engeren Zusammenarbeit sei bei den Teilnehmern des Projekts zu spüren, berichtet die Leiterin des Gesundheitsamts Biberach, Monika Spannenkrebs. Das bestätigt auch Michael Föll, Leiter des Gesundheitsamts Ravensburg. „Was es vor allem braucht ist die digitale Akte“, sagt Spannenkrebs. „Dadurch würde die vernetzte Versorgung einen Schub bekommen.“
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rainer Hinderer, sieht dringenden Handlungsbedarf auf Bundesebene, sonst „drohen die Ergebnisse aus Baden-Württemberg wieder in der Schublade zu verschwinden.“Jochen Haußmann, gesundheitspolitlischer Sprecher der FDP, gab zu bedenken, dass nicht der Weg der staatsgelenkten Medizin eingeschlagen werden dürfe. AOK-Landeschef Christopher Hermann sieht in den Ergebnissen die Erfahrungen der AOK bestätigt, dass Versorgung ohne starre Sektorengrenzen aus Patientensicht die bessere Variante darstelle.
Im nächsten Schritt soll es ein weiteres Modellprojekt geben, das die Umsetzbarkeit der Handlungsempfehlungen prüft. 500 000 Euro sind dafür im Haushalt eingestellt. Lucha geht im Moment davon aus, dass Biberach, Ravensburg und Reutlingen dafür auch weiterhin Modellregionen bleiben.