Spurensuche auf dem Schlachtfeld
Die Sigmaringer Kreisgalerie im Meßkircher Schloss zeigt Schwarz-Weiß-Aufnahmen zweier Fotokünstler vom Hartmannsweilerkopf
MESSKIRCH - Eigentlich ist der Hartmannsweilerkopf eine unbedeutende Bergkuppe in den Südvogesen. Doch der Erste Weltkrieg hat aus ihm den Menschenfresserberg gemacht. Auf engstem Raum kämpften Deutsche und Franzosen gegeneinander. Inzwischen dient das alte Schlachtfeld ganz offiziell als Erinnerungsort für beide Nationen. In diesem Kontext steht auch eine Ausstellung des Landkreises Sigmaringen im Meßkircher Schloss. Zwei Fotokünstler haben dafür den Hartmannsweilerkopf so aufgenommen, wie sie ihn heute sehen. Der besondere Reiz besteht darin, dass ein Fotograf aus Frankreich und einer aus Deutschland stammt.
Der komplette Name der Ausstellung lautet: „Wandlungen – Mutations, deutsch-französische Erkundungen auf dem Hartmannsweilerkopf“. Fotografiert haben Tobias Kern und Nathalie Savey. Beide sind höchst renommiert. Kern wurde in Meßkirch geboren, lebt jedoch in Köln. Savey ist Straßburgerin. Verbindliche Vorgaben bekamen die Künstler nicht. Die Auftraggeber, der Landkreis Sigmaringen und der beim Hartmannsweilerkopf gelegene elsässische Gemeindeverband ThannSennheim (Cernay), wollten nur in irgendeiner Form die Kriegsnarben des Hartmannsweilerkopfes für eine Fotoserie festgehalten wissen.
Zwei unterschiedliche Ansätze
Im Meßkircher Schloss lässt sich besichtigen, wie jeder auf seine Art dem sehr freien Auftrag gerecht wurde. Beide nutzten Schwarz-WeißAufnahmen. Alle Bilder sind Handabzüge. „Es sind aber verschiedene Perspektiven, die sich die Fotokünstler zu eigen machten“, sagt Edwin Ernst Weber. Der Kreisarchivdirektor sowie Leiter des Stabsbereiches Kultur und Archiv beim Landratsamt Sigmaringen ist auch Leiter der Kreisgalerie Schloss Meßkirch. Er hat die Ausstellung kuratiert.
Die anders gelagerten Ansätze werden beim Blick auf die Bilder rasch deutlich. Kern beschäftigte sich mit dem, was vom Ersten Weltkrieg noch auf der Bergkuppe übrig ist: alte Bunker, Schützengräben oder Militärschrott. Sie wirken auf seinen Aufnahmen noch kühler als in der Wirklichkeit. Der bildlich dokumentierte Verfall der ehemaligen Schlachtfeld-Infrastruktur wirkt zum Teil wie ein Abgesang auf die reale Kriegserinnerung. 100 Jahre liegt das große Morden des Ersten Weltkriegs nun zurück. Der Zahn der Zeit zerstört, was davon handfest übrig blieb. Die Natur holt sich zurück, was ihr einst genommen worden war.
Savey wiederum entfernte sich mit ihren Bilder von einer fassbaren Realität. „Es geht um die Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit“, meint Weber bei einer Führung durch die Ausstellung. Der Hartmannsweilerkopf wirkt dann bei der Straßburger Künstlerin auch seltsam entrückt. Sie hat minimale Ausschnitte des Berges aufgenommen – etwa Felsformationen, die prinzipiell überall sein könnten. So verliert sich die grausame Geschichte des Ortes in der Landschaft. Der Schrecken scheint vordergründig zu schwinden, kehrt aber durch die Kühle und gefühlte Düsternis der Bilder zurück. Letztlich ist dies im Sinne des Gedenkens auch wünschenswert. Zwischen 1914 und 1918 starben beim Kampf um den Hartmannsweilerkopf laut jüngeren Forschungen rund 10 000 bis 15 000 deutsche und französische Soldaten.
Im Vergleich zu den großen Schlachten in Nordfrankreich, von Verdun oder jener an der Somme, mögen es vergleichsweise wenig Tote sein. Doch der Hartmannsweilerkopf symbolisiert den ganzen Kriegsschrecken nicht nur auf wenigen Hektar. Sondern er zeigt gleichzeitig die Bereitschaft in der damaligen Zeit, jede Menge Menschen für fast nichts dem Tod zu überlassen. Keine Seite hätte einen kriegsentscheidenden Vorteil vom alleinigen Besitz der Bergkuppe gehabt.
Anlass waren Kriegserinnerungen
Dass sich ausgerechnet der Landkreis Sigmaringen mit dem historischen Schlachtfeld beschäftigt, ist letztlich der deutschen Schlachtenaufstellung im Ersten Weltkrieg geschuldet. Es waren besonders Regimenter aus Württemberg, Baden und den hohenzollerischen Gebieten, von denen die damalige Reichsgrenze auf dem Vogesenkamm gehalten werden sollte. Als sich 2014 der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal jährte, bereitete der Landkreis eine Ausstellung vor. Dabei stießen die Macher der Schau nicht nur auf viele Frontpostkarten aus diversen Nachlässen. Sie förderten auch Zeichnungen und Aquarelle des Architekten Xaver Henselmann zutage. Er stammt aus Laiz, heutzutage ein Ortsteil von Sigmaringen. Henselmann hatte bis zu seinem Kriegstod 1918 den oberelsässischen Frontalltag bildlich wieder gegeben.
Aus diesem Zusammentragen von Kriegserinnerungen entstanden Kontakte zum Gemeindeverband Thann-Sennheim sowie nach Uffholtz, einem Dorf an der Auffahrt zum Hartmannsweilerkopf. Dort gibt es ein kleines Museum zum Geschehen vor 100 Jahren. Es wird die Meßkircher Ausstellung als nächstes aufnehmen. Danach sollen die Bilder ins neue, erst vergangenes Jahr eingeweihte Museum beim Schlachtfeld kommen.
in der Kreisgalerie Schloss Meßkirch dauert bis 7. Oktober. Öffnungszeiten: Fr.-So. und Fei. 13- 17 Uhr. Weitere Infos unter: