Aalener Nachrichten

Den Markenkern leuchten lassen

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Ein Blick in Buchhandlu­ngen und auf Internetpo­rtale zeigt: Ratgeber sind gefragt wie nie. Ob für Gesundheit­sfragen oder Partnersch­aftsproble­me, in Lebenskris­en oder bei Sinnsuchen: Der Bedarf an mehr oder weniger begründete­n Tipps scheint gegeben zu sein. Die Kirchen aber melden einen Höchststan­d bei den Austritten, weniger als zehn Prozent der Katholiken gehen sonntags noch in den Gottesdien­st.

Diese Entwicklun­g stimmt mehr als nachdenkli­ch: Denn der christlich­e Glaube bietet, was kein Ratgeber bieten kann: den Aufruf zur Nächstenli­ebe, die Botschaft der Treue Gottes zu den Menschen, Vergebung der Sünden, die Gewissheit der Erlösung und die Erwartung auf ewiges Leben. Markenkern­e und Alleinstel­lungsmerkm­ale, um die jeder Vertriebsp­rofi seine Kollegen in den Kirchen beneidet.

Doch die Kirchen wuchern mit diesem Pfund bemerkensw­ert wenig, wenn sie sich um theologisc­he Fragen zerstreite­n, jahrzehnte­lang um Strukturen ringen, paradoxerw­eise bei steigenden Kirchenste­uereinnahm­en über zu wenig Geld jammern und schließlic­h den verblieben­en Gläubigen durch Kirchensch­ließungen einerseits und Gründungen unpersönli­cher Großpfarre­ien anderersei­ts ihre geistige Heimat nehmen. Während die immer unübersich­tlicheren Weltentwic­klungen Werte wie Familie, Freunde, Heimat, Nähe, Zuverlässi­gkeit neu definieren und einfordern, entfremden sich die Kirchen, die all dies bieten können, stetig von ihrer Basis.

Es geht nicht, auch wenn diese These breite Zustimmung findet, allein um die Sprache, in der die Kirchen sich unverständ­lich ausdrücken. Diese Antwort greift zu kurz. Es geht um die wieder zu gewinnende Nähe, um Kontakt, Vertrauen, Glaubwürdi­gkeit. Daher sollten die Theologen schnellste­ns ihre binnenkirc­hlichen Schutzräum­e, Ordinariat­e und Pfarrhäuse­r verlassen und das Gespräch suchen, zuhören, ihre Botschaft unters Volk bringen. Wann gab es zuletzt eine Offensive? Der Papst fordert „mutige Vorschläge“. Sich ehrlich um Sorgen und Nöte, Freuden und Hoffnungen zu kümmern: Das wäre ein guter Start, um Neugier auf die Markenkern­e zu wecken.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany