Aalener Nachrichten

Alle gegen alle

Bayern-Boss Rummenigge attackiert „Amateure“in DFB-Führung – Löw kritisiert Lahm

- Mull hört auf:

FRANKFURT (dpa/SID) - Im weißen Hemd und in schwarzer Anzughose erschien Joachim Löw äußerlich so elegant wie meistens. Innerlich aber wirkte der Bundestrai­ner bei seinem ersten Statement zur Russland-Blamage nach drei Wochen Schweigen angespannt. Nach dem ersten Vorrunden-Aus eines deutschen Nationalte­ams bei einer WM räumte er erstmals konkret große Baustellen in seiner Mannschaft ein: „Zwei ganz wesentlich­e Punkte, an denen wir ansetzen wollen, liegen in der Einstellun­g und in unserer Spielauffa­ssung“, erklärte Löw auf der DFB-Homepage.

„Es muss uns wieder gelingen, wie in den Jahren zuvor, dass man unseren Spielern die Freude, den Spaß, die Leidenscha­ft für Deutschlan­d zu spielen anmerkt – auf und neben dem Platz“, fügte der 58-Jährige an. Zuvor hatte er dem DFB-Präsidium erste Erkenntnis­se seiner WM-Aufarbeitu­ng präsentier­t. Auf seinen Ex-Kapitän Philipp Lahm (34), der ihm zu einem anderen Führungsst­il geraten hatte, war Löw nicht gut zu sprechen. „Ich weiß schon, wie man mit Spielern kommunizie­rt und welchen Führungsst­il die Spieler brauchen“, konterte Löw. Lahms Privat-Analyse sei daher „nicht sehr erfreulich“gewesen.

Lediglich drei Minuten redete der Bundestrai­ner vor der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt. Von 9.30 Uhr bis zum Nachmittag hatte der 58-Jährige dem DFB-Präsidium zuvor erste Ergebnisse der WMAufarbei­tung präsentier­t.

Derweil tobt im deutschen Fußball der Kampf alle gegen alle. Bayern-Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge hatte am Morgen die DFB-Spitze um Präsident Reinhard Grindel scharf kritisiert und geäußert, dass der DFB „eigentlich nur noch durchsetzt von Amateuren“sei. Zudem schlug er ausgerechn­et Lahm als idealen Mann für den DFB vor. „Ich halte Philipp Lahm und seinen Berater Roman Grill als perfekt passend für den DFB, weil Philipp diese Qualität hat, möglicherw­eise für einen Verband zu arbeiten“, sagte der 62-Jährige. Rummenigge könnte sich für den langjährig­en Bayern-Kapitän etwa eine Stelle als Vizepräsid­ent vorstellen, „um dem Präsidium ein Stück mehr Profession­alität zu geben“. Im Moment fehle ihm „so ein bisschen die Fußballkom­petenz“im DFB. Dass Löw sich Lahm ebenfalls in einer solchen Position vorstellen kann, ist nach dessen Kritik eher unwahrsche­inlich.

Sicher ist, dass es personelle Veränderun­gen im und um das Nationalte­am herum geben wird. Löw sei „ein durch und durch anständige­r Mann“, der sich Zeit nehmen wolle, seine Entscheidu­ngen im Gespräch mit den Betroffene­n zu erläutern, sagte Grindel. Diese Zeit werde man ihm geben. Löw sagte: „Ich werde ab jetzt auch die Gespräche suchen und führen, dann werden wir die Entscheidu­ngen in personelle­r Hinsicht treffen.“Am 29. August wird er laut Grindel erläutern, mit wem er künftig auf und neben dem Platz arbeiten will – und mit wem nicht. Anlass sind die Länderspie­le gegen Weltmeiste­r Frankreich am 6. September in der UEFA Nations League und gegen Peru am 9. September.

Grindel versucht sich in Diplomatie

Möglich ist etwa, dass es Thomas Schneider oder Marcus Sorg, also einen der Co-Trainer, treffen wird. Auch im Scouting-Bereich, der unter der Leitung des Schweizers Urs Siegenthal­er steht, könnte es zu Neubesetzu­ngen kommen. Zudem schloss Löw nicht aus, dass er auch Spieler aus dem Kader streichen könnte. Löw habe klargemach­t, dass das Ziehen von Konsequenz­en auch personelle Veränderun­gen bedeute, betonte Grindel.

Geht es nach Rummenigge, muss sich vor allem die DFB-Führung hinterfrag­en. Der Bayern-Chef erinnerte an 2000, als das Nationalte­am bei der EM ebenfalls in der Vorrunde gescheiter­t war. In der Folge habe damals ein „Profi“wie Gerhard Mayer-Vorfelder als DFB-Boss „die Kurve gekriegt“. Grindel sei kein „Profi“, sagte Rummenigge. „Ich bin nicht überzeugt, „dass mit diesen Leuten die richtigen Ansätze gefunden werden. Ich lese immer, es soll analysiert werden, aber vorher werden die ganzen Dinge schon festgezurr­t“, sagte der „erstaunte und irritierte“Rummenigge.

Grindel bemühte sich um Deeskalati­on. Er lobte die gute Zusammenar­beit mit Rummenigge gerade bei sportpolit­ischen Themen und dessen Hilfe bei der Bewerbung um die EM 2024. „Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Und ich bin ganz sicher, dass wir an dieser guten Zusammenar­beit festhalten werden“, sagte der DFB-Präsident.

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt alias „Mull“beendet nach mehr als 20 Jahren seine Tätigkeit als DFB-Teamarzt. Leiter des Ärzteteams beim FC Bayern will der 75-Jährige aber bleiben. Er sprach von „23 fantastisc­hen Jahren“im Kreise des DFB. Größter Erfolg war der WM-Titel 2014.

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FOTO: DPA Kurze Rechtferti­gung: Bundestrai­ner Joachim Löw gibt vor der DFB-Zentrale eine WM-Kurzanalys­e ab.

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