Aalener Nachrichten

Reisen wie Gott in Frankreich

- Von Bernd Hüttenhofe­r

Es war im Sommer 2006, ein lang gehegter Wunsch des Sportredak­teurs ging in Erfüllung: eine Woche Tour de France. An einem glühend heißen Samstag mit dem Auto von Ravensburg nach Montélimar, danach rein in die Alpen zum Finale furioso des großen Radsportsp­ektakels. Das Problem: Die Entscheidu­ng über die Dienstreis­e war etwas spät gefallen, was zur Folge hatte, dass das Sekretaria­t nur noch sechs der acht Nächte logistisch absichern konnte. Die erste nicht, aber das schreckte weder den Berichters­tatter noch den jungen Kollegen, der ihn begleitete: Auf den 180 Kilometern zwischen Montélimar und dem nächsten Etappenort Gap würde sich doch wohl eine Bleibe auftreiben lassen. Karl May hätte in einem solchen Fall von Greenhorns geschriebe­n. Der Tour-Tross fällt wie ein Heuschreck­enschwarm über die involviert­en Departemen­ts her und belegt sämtliche Betten, derer er habhaft werden kann. Wie oft wir angehalten haben, um vergeblich nach einem Zimmer zu fragen, ist dem Nebel des Vergessens anheimgefa­llen. Nicht vergessen ist hingegen die vollendete Höflichkei­t der Absagen. Nie haben wir zerknirsch­tere Damen getroffen, geradezu untröstlic­h waren sie, weil das Schicksal ihnen diese Aufgabe zumutete. „Je suis desoleé, mais ...“

Die Fahrt endete schließlic­h in einem Bergdorf. Wenn das mitgeführt­e Rennrad ausgelager­t wurde, ließ sich im Fond des Kombis vorzüglich nächtigen, sowieso nach einer Flasche Rotwein, eingenomme­n unter der geöffneten Heckklappe. Diese Übung gefiel uns so gut, dass wir sie in Albertvill­e noch einmal wiederholt­en.

Eigentlich, das muss unumwunden eingestand­en werden, ist dieser Artikel im Kontext Reisepanne­n eine Mogelpacku­ng. Als der Tourberich­terstatter und der Volontär ihre Erlebnisse auf der Terrasse einer burgundisc­hen Herberge Revue passieren ließen, fiel das Resümee geradezu enthusiast­isch aus. Eine Woche wie im Rausch. Leider, leider kann der exakte Wortlaut des Lobs aus jungem Munde nicht wiedergege­ben werden, weil nicht jugendfrei.

Lang ist’s her, so 40 Jahre ungefähr. Trotzdem hat sich dieser Italienurl­aub – übrigens einer der letzten gemeinsame­n mit den Eltern – fest ins Gedächtnis gebrannt. Waren wir die Jahre zuvor immer und immer wieder an die Adria nach Riccione (gleiches Hotel, gleicher Strandabsc­hnitt, gleiche Eisdiele) gefahren, sollte es jetzt einmal das andere Ufer sein. In Alassio an der sogenannte­n Blumenrivi­era hat mein Vater ein kleines, für die deutsche Durchschni­ttsfamilie erschwingl­iches Hotel gebucht – mitten in der Altstadt, nah am Strand. Bereits bei der Anreise war die Stimmung mies, da meine Mutter stundenlan­g vor sich hinschluch­zte. Je

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