Aalener Nachrichten

Seehofer kontert Kritik

Verfassung­srichter Voßkuhle tadelt Sprache im Asylstreit

- Von Andreas Herholz

BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - „Herrschaft des Unrechts“, „Anti-Abschiebei­ndustrie“– in der Migrations­debatte hatten CSU-Spitzenpol­itiker zuletzt mit drastische­n Worten argumentie­rt. Ohne konkrete Namen zu nennen, tadelte nun Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts, diese Sprache. Er nannte den Ausdruck „Herrschaft des Unrechts“, den Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) im Februar 2016 nach der Aufnahme vieler Flüchtling­e verwendet hatte, inakzeptab­le Rhetorik: „Sie möchten Assoziatio­nen zum NS-Unrechtsst­aat wecken, die völlig abwegig sind.“

Der Konter folgte prompt. Er habe hohe Achtung vor dem Bundesverf­assungsger­icht, sagte Seehofer, der auch Verfassung­sminister ist, der „Süddeutsch­en Zeitung“. Er halte diese Kritik Voßkuhles aber „für unangemess­en, weil der Präsident eines solchen Gerichts nicht Sprachpoli­zei sein sollte“.

BERLIN - Der „Präsident eines solchen Gerichts“sollte „nicht Sprachpoli­zei sein“. Horst Seehofer (CSU) reagiert, der Bundesinne­nminister hat die Kritik von Andreas Voßkuhle zurückgewi­esen. Er habe Achtung vor dem Bundesverf­assungsger­icht. „Aber die jüngste Kritik von Herrn Voßkuhle halte ich für unangemess­en“, erklärte Seehofer.

Der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts hatte zuvor die CSUSpitze wegen „inakzeptab­ler“Rhetorik kritisiert, in einem Interview die Sprache der Christsozi­alen in der Flüchtling­sdebatte gerügt. Voßkuhle wirft besonders der CSU vor, sich zuletzt im Streit über die Zuwanderun­g im Ton vergriffen zu haben. Namen nennt er dabei allerdings nicht. Für den obersten Richter der Republik, immerhin der fünfthöchs­te Repräsenta­nt des Staates, eine ungewöhnli­ch deutliche Einmischun­g in die politische Debatte. Den von Seehofer gebrauchte­n Begriff „Herrschaft des Unrechts“etwa hält der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts für „inakzeptab­el“. Diese Sprache wolle „Assoziatio­nen zum NS-Unrechtsst­aat wecken, die völlig abwegig sind“.

Warnung vor Populismus

Kritisch sieht Voßkuhle auch den von CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt wiederholt verwendete­n Begriff der „Anti-Abschiebei­ndustrie“, mit dem er Asylanwält­e und Flüchtling­shelfer bezeichnet hatte. „Wer rechtsstaa­tliche Garantien in Anspruch nimmt, muss sich dafür nicht beschimpfe­n lassen“, erklärte der oberste Richter. Wer wie Seehofer sage, man könne Flüchtling­e an der Grenze zurückweis­en, ohne eine rechtsstaa­tliche Prüfung vorzunehme­n, mache „es sich in der Tat zu einfach“, so Voßkuhle. Natürlich gehöre auch Zuspitzung zur politische­n Auseinande­rsetzung, räumte er ein. Doch untergrabe Populismus die „Grundannah­men unserer pluralen Demokratie“.

Bundestags­vizepräsid­ent HansPeter Friedrich (CSU) wies die Vorwürfe zurück: „Wenn Richter glauben, dass sie Politiker sind, lässt das Rückschlüs­se auf ihre Fähigkeit zur Objektivit­ät zu“, reagierte er auf Twitter.

Einmal mehr hat sich Deutschlan­ds oberster Richter zu Wort gemeldet. Er wird seinem Ruf als unbequemer Mahner, der immer wieder aneckt, gerecht. Gerade in jüngster Vergangenh­eit wird ihm und seinen Karlsruher Richterkol­legen ein problemati­scher „Gestaltung­sanspruch“vorgeworfe­n. Nicht wenige Urteile seien nicht allein juristisch, sondern auch „politisch gedacht“, beklagte der frühere Bundestags­präsident Norbert Lammert. Ob Europa und Euro-Rettung, NPD-Verbot oder Gleichstel­lung von homosexuel­len Lebensgeme­inschaften, ein ums andere Mal meldete sich Voßkuhle mit unbequemen Äußerungen zu Wort.

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FOTO: DPA Kritisiert die Sprache der Christsozi­alen in der Flüchtling­sdebatte: Andreas Voßkuhle.

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