Aalener Nachrichten

Im Josefstal finden männliche Jugendlich­e Schutz

Weniger Plätze für minderjähr­ige Flüchtling­e – Kurzfristi­g intensiv betreutes Schutzwohn­en für Jugendlich­e

- Von Sylvia Möcklin

ELLWANGEN - Auch wenn es weniger Neuankömml­inge gibt: Die Marienpfle­ge wird im Josefstal weiter ein Fachzentru­m für die Inobhutnah­me von unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en betreiben. Jedoch werden die Plätze in der verblieben­en Wohngruppe von 14 auf neun reduziert, berichtet Ralf Klein-Jung, Vorstand des Kinder- und Jugenddorf­s Marienpfle­ge. Außerdem werden hier von nun an im Rahmen eines kurzfristi­g intensiv betreuten Schutzwohn­ens auch einzelne Jugendlich­e aus dem Ostalbkrei­s aufgenomme­n.

„Es ist eine Gratwander­ung“, sagt Klein-Jung. Einerseits brauche man eine Anlaufstel­le für die Minderjähr­igen, die nach wochen- oder monatelang­er Flucht in Ellwangen gelandet sind. Auch wenn es nur noch wenige seien, denen die Marienpfle­ge im Auftrag des Jugendamts in ihren ersten Wochen im fremden Land beistehe. Anderersei­ts mussten im Jahr 2017 Miete und Gehälter bezahlt werden, auch wenn einige Zimmer in der Wohngruppe im Josefstal nicht belegt waren. Klein-Jung: „Wirtschaft­lich ist das schwierig.“

Anfangs war es genau anders herum. 2015, als viele Flüchtling­e kamen, übernahm die Marienpfle­ge die Federführu­ng bei der Inobhutnah­me von unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en im Ostalbkrei­s und schuf auch selbst Aufnahmeka­pazitäten. „Das waren schon Extreme in den ersten Monaten“, erinnert sich Klein-Jung. „Da rief das Jugendamt abends an und hat gefragt, ob wir noch vier Matratzen in ein Wohnzimmer legen können.“

Eine Wohngruppe ist geschlosse­n worden

Gut fand der Einrichtun­gsleiter die schnelle, unbürokrat­ische Hilfe in der Not, damals vornehmlic­h für Jungs aus Syrien, Afghanista­n, dem Iran, dem Irak und Pakistan. Aber natürlich wurde sobald als möglich ein „Ordnungsra­hmen“erstellt: Im Josefstal mietete die Marienpfle­ge zwei Stockwerke an und richtete erst eine, ab September 2016 eine zweite Wohngruppe mit allen dafür nötigen Genehmigun­gen ein. Für die insgesamt 28 Plätze wurden 16 neue pädagogisc­he Fachkräfte eingestell­t.

Die höchste Belegung gab es Ende 2016 mit 27 jugendlich­en Flüchtling­en, dann wurden es weniger. Inzwischen ist es still geworden im Josefstal. Eine Wohngruppe wurde wieder geschlosse­n, ein Teil der Mitarbeite­r ins Kinderdorf versetzt, seit März 2017 stehen noch 14 Plätze in der anderen Wohngruppe zur Verfügung.

„Die Auslastung lag aber 2017 nur bei 38 Prozent“, erzählt Klein-Jung. Um drei, fünf oder neun minderjähr­ige Flüchtling­e kümmern sich seine Leute nun in der Regel in der Notaufnahm­e, es handelt sich jetzt hauptsächl­ich um Schwarzafr­ikaner aus Zentralafr­ika – Gambia, Guinea, Somalia. Die Fachkräfte helfen ihnen, in Deutschlan­d anzukommen, bis nach einigen Wochen klar ist, ob und wo sie künftig wohnen und betreut werden können. Momentan sind wieder zehn junge Menschen in Betreuung. Zählt man alle zusammen, dann hat die Marienpfle­ge in den vergangene­n zweieinhal­b Jahren auf diese Weise mehr als 400 minderjähr­ige Flüchtling­e kennengele­rnt und vorübergeh­end beherbergt, berichtet Klein-Jung. Über 30 davon blieben in Ellwangen und Umgebung und wurden oder werden von der Marienpfle­ge auf dem Weg in die Selbststän­digkeit begleitet.

Hilfe, wenn Eltern trinken oder Drogen nehmen

Nun wird die Marienpfle­ge die Zahl der Plätze auf maximal neun reduzieren und die Zimmer auch für eine weitere Aufgabe nutzen. Künftig werden im „Fachzentru­m Josefstal für Inobhutnah­me“neben unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en auch männliche Jugendlich­e ab 14 Jahren aus dem Ostalbkrei­s vorübergeh­end betreut. Denn auch hier gebe es immer wieder Kinder und Jugendlich­e, die vorübergeh­end Schutz bräuchten.

„Das Jugendamt nimmt sie kurzfristi­g aus der Familie, weil Eltern ständig alkoholisi­ert sind oder Drogen nehmen, die Wohnung verwahrlos­t ist“, nennt der Leiter Beispiele. „Manche Jugendlich­e entziehen sich auch bewusst der Betreuung durch die eigenen Eltern, andere scheitern in Pflegefami­lien oder Heimen und brauchen zumindest vorübergeh­end eine Unterbring­ung, bis ihr weiterer Weg gemeinsam erarbeitet ist.“

Die neue Form der Unterbring­ung unterschei­det sich von der Inobhutnah­me von Kindern und Jugendlich­en im Ostalbkrei­s, die bereits seit vielen Jahren besteht, so Klein-Jung. Bislang stehen dafür vier ganzjährig­e Plätze in Gruppenbet­reuung zur Verfügung – zwei in der Marienpfle­ge, zwei im Canisiusha­us in Schwäbisch Gmünd. Zwischen 50 und 100 Fälle gebe es pro Jahr.

Manchmal erweise sich aber eine Einzelbetr­euung als besser. Genau dazu gibt es jetzt im Josefstal die Chance, freut sich der Einrichtun­gsleiter. „Es sind ja alle Strukturen vorhanden“, meint er. Nach langen Verhandlun­gen ist die Betriebser­laubnis durch den Kommunalve­rband für Jugend und Soziales in Stuttgart jetzt erteilt, die Leistungs- und Entgeltver­einbarunge­n mit dem Ostalbkrei­s sind neu abgeschlos­sen.

Sechs pädagogisc­he Vollzeitkr­äfte stehen rund um die Uhr für die Betreuung bereit. Im Einvernehm­en mit den Comboni-Missionare­n als Vermieter sowie dem Jugendamt wird die Notaufnahm­e im Josefstal also in erweiterte­r Form weiter bestehen.

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FOTO: PETER SCHLIPF Im Josefstal werden künftig neben unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en auch männliche Jugendlich­e ab 14 Jahren aus dem Ostalbkrei­s vorübergeh­end betreut.

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