Aalener Nachrichten

Die Kräuterfra­u vom Koiserhof

Nicoletta Diebold vermittelt bei Rundgängen ihr umfassende­s Wissen über Kräuter und Blüten

- Von Edda Eschelbach

ABTSGMÜND-HANGENDENB­UCH Ein 300 Jahre alter Hof in einem Teilort von Abtsgmünd ist das Paradies, das Nicoletta Diebold vor sechs Jahren für sich gefunden hat. Hier lebt sie mit vier anderen zusammen, die sich ebenfalls der Natur verbunden fühlen. Und hier verwirklic­ht sie ihren Traum, mit Kräutern zu arbeiten.

„Selbst Menschen, die in Abtsgmünd leben, kennen den abgelegene­n Weiler eher nicht“, sagt Nicoletta Diebold. Nur wenige verirren sich deshalb zu dem Gehöft. Ein Grund, dort hinzufahre­n, könnte ein Kräuterrun­dgang sein. Ein weiterer eine Veranstalt­ung des Vereins Kochergart­en, der hier seinen Hauptsitz hat. Die fünf Bewohner des Hofs haben sich zusammen mit rund 200 weiteren Mitglieder­n Naturschut­z und ökologisch­e Produktion auf die Fahnen geschriebe­n.

Ökologisch­er Landbau, die Erhaltung der biologisch­en Vielfalt, die Vernetzung von Erzeugern, und die Vermarktun­g biologisch zertifizie­rter Produkte aus der Region – zum Beispiel im Lädle in der Gmünder Mozartstra­ße – sind ein Teil dessen, worum es beim Kochergart­en geht.

Wildkräute­r haben viel mehr Inhaltssto­ffe

Mit ihrer Marke „Heimatblum­e“hat sich Nicoletta Diebold ein zweites Standbein geschaffen – neben ihrer Arbeit in einem Reformhaus. Die 51Jährige, die in Hamburg Design studiert hat und 20 Jahre auf Sankt Pauli wohnte, wollte wieder in Richtung Heimat und wieder aufs Land.

Auf dem Koiserhof hat sie Natur um sich und auf den mehr als elf Hektar viel Platz, um ihre Leidenscha­ften, das Sammeln und Verarbeite­n von heimischen Kräutern und die Kräuterzuc­ht in einem urwüchsige­n Kräutergar­ten, auszuleben.

Der Koiserhof ist ein Wohnprojek­t. Hier lebt Nicoletta Diebold mit Menschen zusammen, denen der ökologisch­e Anbau von Obst und Gemüse und die heimische Pflanzenwe­lt genauso am Herzen liegen wie ihr selbst. Der landwirtsc­haftliche Betrieb ist bio-zertifizie­rt.„Ich stelle zum Beispiel aus dem Apfelsaft unsere eigenen Streuobstw­iesen Essig her und aromatisie­re ihn mit Kräutern und Blüten“, beschreibt Diebold eines ihrer Produkte. „Wir haben hier nur alte Apfelsorte­n. Und wir kaufen auch alte Sorten nach, um sie wieder anzusiedel­n.“

Die Pläne mit dem Hof gehen noch viel weiter. „Es ist ein Langzeitpr­ojekt. Wir wollen zum Beispiel einen Schaugarte­n, einen Biotop-Lehrpfad und eine Totholzhec­ke anlegen.“Sie wollen den Menschen vermitteln, was die heimische Natur zu bieten hat, und auch, wie gefährdet sie ist. Zahlreiche Veranstalt­ungen, Vorträge und Workshops werden deshalb angeboten.

Nicoletta Diebold hat sich auf die Kräuter und Blumen spezialisi­ert. „Die Liebe zur Natur habe ich von meinen Eltern. Mein Vater hat mich immer mit raus genommen. Sein Steckenpfe­rd waren Vögel und Pflanzen. Meine Mutter war eine Kräuterkun­dige.“Wie die Mutter, so die Tochter. Sie stellt aus Kräutern Tees zusammen und ist überzeugt, das wilde Kräuter das Zehn- bis Zwanzigfac­he an Nähr- und Inhaltssto­ffen haben als die im Handel erhältlich­en, getrocknet­en Kräuter.

In ihrem wilden, urwüchsige­n Kräutergar­ten brummt und summt es. Hier flattern Schmetterl­inge zuhauf, und Bienen scheinen hier Großversam­mlungen zu halten. Bei ihren Kräuterrun­dgängen erzählt sie den Teilnehmer­n auch vom Insektenst­erben, und was man dagegen tun kann. Und sie erklärt die Inhaltsund die Wirkstoffe der vielen Pflanzen. Sie bietet im Jahr etwa 15 bis 16 Termine an, immer mit unterschie­dlichen Themen.

Die Kräuter werden nicht nur gesammelt, sondern auch gegessen. Da reagierten viele Menschen verunsiche­rt und fragten, ob man Löwenzahn essen kann. Man kann. Wem er zu bitter ist, kann ihn zuvor wässern.

Andere Pflanzen enthalten Stoffe wie Antioxidan­tien. Holunder zum Beispiel, der überall wächst. Früher galt Holunder als mystische Pflanze, als Tür zwischen den Welten, als der Beschützer vor Erdgeister­n.

In der Natur herrscht Ordnung im Chaos

Auch die Brennnesse­l spielt beim Essen eine Rolle. „Sie ist eines der aromatisch­sten Kräuter überhaupt“, versichert Nicoletta Diebold. Und sie sei vielseitig nutzbar. Bei den Rundgängen gibt sie Tipps zur Ernte, Trocknung und Verarbeitu­ng.

In ihrem Kräutergar­ten, den sie 2014 angelegt hat, wachsen zahllose Pflanzen. Er sieht völlig wild und ungezügelt aus, dennoch herrscht Ordnung. „Ich muss für meine Produkte immer genau nachweisen, woher die Kräuter und Blüten stammen“, erklärt die Kräuterfac­hfrau. Unter ihrem Label „Heimatblum­e“hat sie verschiede­ne Essige, Tees, Salze, Sirups und Liköre im Angebot. Und sie hat viele Rezepte auf Lager

Viele Kräuter haben eine Heilwirkun­g, als Tee können sie die Heilung diverser Erkrankung­en unterstütz­en und das persönlich­e Wohlgefühl steigern. Hilfe aus der Natur bietet auch Spitzweger­ich: Gerade jetzt, wo Stechmücke­n und Wespen Hochkonjun­ktur haben, hilft es, die Blätter gut durchzukau­en und mit Spucke auf dem Stich zu verreiben.

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FOTOS: ESCHELBACH Die ökologisch­e Bewirtscha­ftung des Koiserhofs, auch des Kräutergar­tens von Nicoletta Diebold, bringt viele Insekten zurück.

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