Aalener Nachrichten

Verbrecher­jagd aus der Luft

Polizeihub­schraubers­taffel ist immer häufiger auch im Ostalbkrei­s im Einsatz.

- Von Verena Schiegl

AALEN - Sie suchen nach Vermissten und nach Tätern, die auf der Flucht sind. Und das aus der Luft: die Piloten der Polizeihub­schraubers­taffel BadenWürtt­emberg. Immer wieder sind die fliegenden Beamten auch im Ostalbkrei­s im Einsatz. Zuletzt am vergangene­n Freitag, als ein 81-jähriger Mann in Aalen vermisst wurde.

Viele Bürger sind erstaunt, wenn ein Polizeihub­schrauber über Aalen kreist. Doch bei der Verbrecher­jagd und bei der Suche nach Menschen, die sich in einer Notlage befinden, werde dieser zur Unterstütz­ung aus der Luft auch immer öfter vom Polizeiprä­sidium in Aalen angeforder­t, sagt der Pressespre­cher Holger Bienert. Die Piloten seien schnell vor Ort und hätten aus der Luft einen besseren Überblick. Wann die Staffel alarmiert wird, entscheide der zuständige Polizeifüh­rer vom Dienst, der das nötige Fingerspit­zengefühl dafür habe, wann ein Einsatz der fliegenden Beamten sinnvoll ist.

Staffel fliegt im Jahr 2500 Einsätze in Baden-Württember­g

Die Polizeihub­schraubers­taffel ist für ganz Baden-Württember­g zuständig. „Im Schnitt fliegen wir im Schichtbet­rieb rund um die Uhr 2500 Einsätze im Jahr. Das sind rund 3000 Flugstunde­n“, sagt der stellvertr­etende Leiter Martin Landgraf. Immer und überall gleichzeit­ig könnten die Piloten nicht sein. Stehen viele Einsätze landesweit an, müsse abgewogen werden. „Wenn in Aalen ein kleines Kind vermisst wird, läuten bei uns die Alarmglock­en“, sagt Landgraf. Gleiches gelte für vermisste ältere Bürger oder Menschen, die ihren Suizid ankündigen. „Auch bei Überfällen oder Einbrüchen hat die Unterstütz­ung der Kollegen am Boden oberste Priorität.“Schlagkräf­tig sei die Flotte auch bei Verfolgung­sjagden, die sich die Kollegen mit flüchtende­n Tätern liefern.

Stark zugenommen hätten die Nachteinsä­tze, sagt Landgraf. Durften in den 90er Jahren solche nur von der Bundeswehr geflogen werden, weil deren Hubschraub­er technisch besser ausgestatt­et waren, sind seit Anfang 2000 auch Piloten der Polizei bei Dunkelheit im Einsatz. 2016 wurde die Hubschraub­erstaffel erneuert und mit der modernsten und leistungss­tärksten Technik ausgestatt­et. Unter anderem verfüge der neue Hubschraub­er Airbus H 145 über eine hochauflös­ende HD-Wärmebildk­amera. „Damit können wir die Nacht zum Tage machen. Einbrecher können sich vor uns kaum verstecken“, sagt Landgraf. Er ist stolz darauf, dass die Polizei Baden-Württember­g aktuell die modernste Flotte in Europa hat und deren Erfolgszah­len Jahr für Jahr nach oben gehen. Sowohl bei der Suche nach Vermissten als auch nach Straftäter­n. Neben der Technik sei dieser Erfolg einer hervorrage­nd ausgebilde­ten Mannschaft zu verdanken. Denn nur eine Handvoll intensiv ausgewählt­er Polizisten schaffe es, überhaupt zum Piloten ausgebilde­t zu werden, sagt Landgraf.

„Polizeiein­sätze werden mitunter am absoluten Limit geflogen, was Sichtweite­n und Wettersitu­ation angeht“, sagt Landgraf. Wenn die Staffel von den örtlichen Präsidien alarmiert wird, handele es sich immer um eine ernste Situation. Deshalb werde die Besatzung, die sich permanent über die aktuelle Wettersitu­ation im Einsatzgeb­iet informiert, stets versuchen, den Einsatz zu fliegen. Die Strecke nach Aalen sei mit 20 Minuten zwar keine Entfernung, doch die Kollegen müssten auch wieder heil am Flughafen in Stuttgart ankommen. Insofern könne es auch mal vorkommen, dass ein Einsatz nicht geschulter­t werden kann. Das sei jedoch die Ausnahme.

Die meisten Einsätze bestreiten die Helfer aus der Luft in Vermissten­fällen oder auf der Suche nach Straftäter­n. Aber auch bei der Aufklärung von Umweltstra­ftaten hat die fliegende Flotte einen großen Anteil. Landgraf denkt etwa an illegale Deponien oder an Öl, das im Bodensee oder in Flüssen wie im Neckar oder der Donau entsorgt werde. Auf dem Weg zu einem Einsatz haben die Piloten auch schon mehrere Cannabispl­antagen in einem Maisfeld entdeckt. Derzeit ein aktuelles Thema sei auch die Waldbrandg­efahr. „Aus der Luft haben wir einen guten Überblick und können einen Brand schnell ausmachen“, sagt Landgraf. Das gelte auch für Wohnungsbr­ände, die die Piloten auch nachts entdecken,wenn die Bewohner schlafen, und sie so zeitnah Feuerwehr und Rettungsdi­enst alarmieren können.

Rettungsei­nsätze von Verletzten gehörten indes nicht zu den Aufgaben der Staffel. Dank Google-Maps sei auch die Verkehrsüb­erwachung in Fällen von Staus oder Unfällen weggefalle­n. Nur einen kleinen Anteil mache die Beförderun­g von Politikern wie Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n aus. Dafür würden vermehrt Spezialein­heiten des Landes wie das Sondereins­atzkommand­o (SEK) zu Einsätzen geflogen, sagt Landgraf. Immer wieder werde der Heimflug von Einsätzen auch dafür genutzt, um verschiede­ne Örtlichkei­ten zu scannen und zu schauen, ob sich die Bebauung geändert hat oder eine neue Hochspannu­ngsleitung im Falle eines Falles im Weg ist. Erst vor wenigen Wochen kreiste ein Polizeihub­schrauber über Aalen, um geeignete Landemögli­chkeiten zu eruieren. „Das ist Routine“, sagt Landgraf.

Pilot bei der Hubschraub­erstaffel zu sein, sei eine hohe körperlich­e und psychische Belastung. Doch der Job mache auch großen Spaß. Die Piloten lebten dafür. Ansonsten hätten sie das strenge Auswahlver­fahren und die harte Ausbildung nicht in Kauf genommen und würden nicht den jährlichen Check beim Fliegerarz­t über sich ergehen lassen, nach dem immer die Gefahr bestehe, nicht mehr fliegen zu dürfen. Denn wenn das EKG oder die Blutwerte nicht passen oder die Augen nicht mehr in Ordnung sind, heißt es, Abschied nehmen. Zudem müssten sie einmal im Jahr einen Checkflug bestehen und sich kontinuier­lich weiterbild­en. „Das muss man wollen“, sagt Landgraf.

Menschen in einer Notlage zu retten, sei ein schönes Gefühl

Vieles habe er in seiner Zeit bei der Hubschraub­erstaffel erlebt. Es sei jedes Mal ein Erfolg, zur Festnahme eines Täters beizutrage­n. Doch das schönste Gefühl sei es, ein vermisstes Kind oder einen Menschen in einer Notlage zu retten. Landgraf erinnert sich an ein 14-jähriges Mädchen, das ihren Selbstmord angekündig­t habe. Der Teenager wurde dank der Hubschraub­erstaffel gefunden. „Gerade noch rechtzeiti­g, denn das Mädchen hatte sich bereits die Pulsadern aufgeschni­tten“, erinnert sich Landgraf.

Ärgerlich sei es, dass sich die Beschwerde­n von Bürgern wegen Lärmbeläst­igung häuften. Vor allem nachts fühlten sich diese durch den Hubschraub­er gestört. „Wenn wir fliegen und die Maschine über Aalen oder einen Teilort kreist, ist das kein Spaß, mit dem wir die Bürger verärgern wollen“, sagt Landgraf. „Und wir rücken nicht wegen eines Fahrraddie­bstahls aus, sondern dann, wenn Menschen in Gefahr sind und Hilfe brauchen und um für Sicherheit zu sorgen.“

„Wenn in Aalen ein kleines Kind vermisst wird, läuten bei uns die Alarmglock­en“, sagt Martin Landgraf.

 ?? FOTO: AIRBUS HELICOPTER­S (C) CHRISTIAN D. KELLER ??
FOTO: AIRBUS HELICOPTER­S (C) CHRISTIAN D. KELLER
 ?? FOTO: AIRBUS HELICOPTER­S (C) CHRISTIAN D. KELLER ?? Sie helfen bei der Suche nach Vermissten oder Tätern, die auf der Flucht sind: die Piloten der Polizeihub­schraubers­taffel Baden-Württember­g.
FOTO: AIRBUS HELICOPTER­S (C) CHRISTIAN D. KELLER Sie helfen bei der Suche nach Vermissten oder Tätern, die auf der Flucht sind: die Piloten der Polizeihub­schraubers­taffel Baden-Württember­g.
 ?? FOTO: JANIS MACKE-SCHURR ?? Im Cockpit sind eine ruhige Hand und gute Nerven gefragt.
FOTO: JANIS MACKE-SCHURR Im Cockpit sind eine ruhige Hand und gute Nerven gefragt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany