Aalener Nachrichten

Niemals „oben ohne“auf die Piste

Nicht alle Motorradhe­lme bieten den gleichen Schutz – Sind günstige Helme schlechter als sündhaft teure?

- Von Andreas Kötter

UNNA/STUTTGART (dpa) - Oben ohne wie Peter Fonda einst im Kultstreif­en „Easy Rider“– Traum von Freiheit? Nein, denn ohne Helm zu fahren, ist nicht nur verboten, sondern auch lebensgefä­hrlich. Aber welche Bauart ist am sichersten, und was kostet das? „Der Vollvisier- oder Integralhe­lm ist der Klassiker“, sagt Frank Braemer vom Bekleidung­sund Zubehör-Anbieter Polo. „Ein Universalh­elm für alle Einsatzzwe­cke und jeden Motorradty­p, der die größte Sicherheit bietet, weil auch der Kinnbereic­h komplett geschützt ist.“Dieser Helmtyp sei mittlerwei­le je nach Preis sehr aufwendig ausgestatt­et, etwa mit Sonnenblen­de oder sogar einem Funksystem.

Ralf Schefzig wiederum setzt auf den Klapphelm. „Der bietet durch den Klappmecha­nismus einerseits den Komfort eines Jethelms, etwa, wenn man im Sommer an der Ampel steht und mal durchatmen möchte“, sagt der Motorradtr­ainer beim Auto Club Europa (ACE), „garantiert mir anderersei­ts während der Fahrt aber die Sicherheit eines Vollvisier­helms.“Mit hochgeklap­ptem Kinnteil zu fahren, davon rät Schefzig allerdings ab. Dann erfülle der Helm nicht mehr die ECE-Norm 22/05, die geprüfte Sicherheit im geschlosse­nen Zustand garantiert.

„Es gibt Klapphelme, die zusätzlich als Jethelm geprüft werden“, ergänzt Till Ferges. Der Redakteur des Fachmagazi­ns „Motorrad News“verweist auf die sogenannte P+J-Homologati­on. Trotzdem rät auch er dann zum Fahren mit geschlosse­nem Helm. Man könne den Kiefer zwar noch als natürliche Knautschzo­ne sehen, und Verletzung­en in diesem Bereich müssten nicht zwangsläuf­ig lebensbedr­ohlich sein. „Aber ich kenne Personen, die aufs Kinn gestürzt sind – die aus so einem Unfall resultiere­nden Folgeschäd­en wünscht man niemandem.“

Schefzig glaubt, dass ein offen gefahrener Klapphelm bei einem Sturz gefährlich­er werden könne als ein Jethelm. „Bei einem Sturz kann es passieren, dass man mit dem hochgeklap­pten Kinnteil irgendwo hängenblei­bt und sich schlimmste Nackenverl­etzungen zuzieht.“

Offene Jethelme erleben aktuell durch den ungebroche­nen Retrotrend der Motorradbr­anche eine wahre Renaissanc­e. Zum Flanieren auf den Boulevards mag das angehen, für hohe Geschwindi­gkeiten aber taugt der Jethelm nicht. „Jedes Insekt schlägt dann im Gesicht ein wie ein Stein“, so ACE-Mann Schefzig. Und Ferges weiß aus eigener Erfahrung, „dass es statt Insekten auch mal hochgewirb­elte Steinchen sein können“. Das könne nicht nur schmerzhaf­t, sondern auch sehr gefährlich sein, wenn man plötzlich für einen Moment abgelenkt ist.

Lässig ist das vielleicht, zulässig aber auf gar keinen Fall. Ralf Schefzig, Motorradtr­ainer beim Auto Club Europa (ACE) über Brain Caps

Noch weit weniger Sicherheit bieten sogenannte Brain Caps. Diese Halbschale­n enden bereits oberhalb der Ohren, werden aber wegen des lässigen Looks gerade von ChopperFah­rern gerne getragen. „Lässig vielleicht, zulässig aber auf gar keinen Fall“, warnt Schefzig. „Wer von der Polizei erwischt wird, muss mit einem Verwarngel­d rechnen, zudem kann die Weiterfahr­t untersagt werden.“

Mindestens 100 Euro müsse man für einen guten Jet-, um die 150 Euro für einen Vollvisier­helm anlegen, sagt Schefzig. Ferges hat gerade einen Jethelm getestet, der gar stolze 400 Euro kostet. „Auch eine Frage des verwendete­n Materials“, sagt der Redakteur. Tipp: Auslaufmod­elle von Markenhers­tellern seien oft wesentlich günstiger, aber nicht unbedingt schlechter als die neuesten Modelle.

Welchen Helm die Biker brauchen, hängt auch vom Einsatzzwe­ck ab: „Wenn man einen 50-ccm-Roller mit 40 Stundenkil­ometer Spitze fährt, kann man bereits für 100 Euro einen Helm bekommen, der den Schutzanfo­rderungen entspricht“, sagt Braemer. „Kauft man aber ein Hochleistu­ngsmotorra­d mit 200 PS, reicht ein solcher Helm mit entspreche­nd geringer Ausstattun­g nicht aus.“Er rät, sich im Fachgeschä­ft zu informiere­n und nicht ungesehen aus dem Internet zu kaufen, „nur weil das Helmdekor zur Maschine passt“. Nur vor Ort könne man testen, ob ein Helm wirklich passt.

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FOTOS: DPA Ein offener Jethelm als schicker Kopfschutz: Solche Modelle erleben wegen des Retrotrend­s derzeit eine Renaissanc­e.
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Umfassende­n Schutz verspricht ein geschlosse­ner Integralhe­lm.
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Das Fahren eines Klapphelms mit offenem Visier kann riskant sein.

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