Aalener Nachrichten

Per Anhalter statt mit der Bahn unterwegs

Grünen-Politikeri­n Margit Stumpp und ihr Parteigeno­sse Martin Grath im Redaktions­gespräch

- Von Eva-Marie Mihai

AALEN - Es ist nicht lange her, da musste sich die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Margit Stumpp schnell einen Plan B überlegen. Sie war auf dem Weg nach Berlin und stand am Bahnsteig in Königsbron­n, als es hieß: Zugausfall. Das berichtet die Politikeri­n im Redaktions­gespräch, zu dem sie mit dem Grünen-Landtagsab­geordneten Martin Grath gekommen ist. In den vergangene­n Tagen und Wochen wurden in und um Aalen immer wieder technische Störungen und Ausfälle gemeldet.

In Stumpps Fall war der Zug zwischen Königsbron­n und Oberkochen liegen geblieben. Die Politikeri­n fackelte nicht lange. „Ich dachte mir: Bist du bescheuert, da vorne ist die B19 – irgendeine­r wird dich schon mitnehmen.“Und tatsächlic­h: Es habe problemlos funktionie­rt, ein Mann nahm sie mit. Aber das Erlebte zeige, wie wichtig das Thema ÖPNV auf der Ostalb sei. Von Oberkochen bis Aalen brauche man mit dem Auto manchmal 45 Minuten. Der neue Bahnhalt, Umgehungen und Radstrecke­n seien essentiell.

Für die neue B29 würden Unsummen ausgegeben – „bei der Bahn sehe ich diese Priorisier­ung nicht“, sagt Stumpp. Und die Bahn selbst spare jetzt auf der Strecke, weil 2019 der Betreiber wechselt. Es gebe alte Wägen, die Servicezei­ten am Aalener Bahnhof wurden eingeschrä­nkt. Durchsagen werden automatisi­ert und sorgten auf dem Bahnsteig manchmal für Verwirrung­en, berichtet Stumpp. „Durch den Krach versteht man wenig. Die Infos kommen nicht bei den Reisenden an.“

Land will mehr Mobilität

Wie künftig der Anschluss zwischen den beiden Anbietern funktionie­ren soll, steht noch offen. Die Bahn warte noch auf eine Reaktion der Firma Go-Ahead, sagt Stumpp. „Einer muss den Hut aufhaben“, meint GrünenLand­tagsabgeor­dneter Martin Grath. Für jede Eventualit­ät könne es kein festgeschr­iebenes Protokoll geben.

Insgesamt wolle das Land mehr Mobilität und dabei weniger Verkehr. „Winfried Hermann hat der Regio Donau Iller seine volle Unterstütz­ung zugesagt, um der Brenzbahn etwas Gutes zu tun.“

Eine gute Alternativ­e sei Carsharing, findet Stumpp. „Bei uns hat jeder zwei oder drei Autos in der Garage stehen.“Allerdings funktionie­rt das Konzept nicht: „Ich war zwei Jahre angemeldet, in dieser Zeit wurde unser Auto viermal ausgeliehe­n.“Wahrschein­lich könne sich die Mehrheit nicht vorstellen, das Auto einem Fremden zu überlassen – wenn auch gegen Geld.

Ihre erste Sommerpaus­e als Parlamenta­rierin erlebe sie mit gemischten Gefühlen. „Es ist so: Wir haben seit einem Dreivierte­ljahr eine Regierung. Aber wenn ich abends ins Bett gehe, weiß ich nicht, ob es diese Regierung noch gibt, wenn ich morgens aufstehe.“Es sei eine intensive Zeit gewesen. Immerhin habe es nach 100 Tagen so ausgesehen, als ob die Regierung dem Bund um die Ohren fliegen würde. „Alle denken, jetzt ist alles wieder gut – ich glaub’ das nicht.“

Für die digitale Infrastruk­tur seien vom Bund drei Milliarden Euro Fördergeld­er vorgesehen, von denen allerdings nur drei Millionen tatsächlic­h abgeflosse­n seien. Die Bedingunge­n seien zu komplizier­t, sagt Stumpp. Was bisher an Fördergeld­ern geflossen sei, sei hauptsächl­ich vom Land finanziert.

Bildung ist ihrer Meinung nach keine reine Ländersach­e. „Ich sehe nicht ein, warum der Bund keine Sachinvest­itionen an Schulen machen kann.“Es müsse gezielt Geld für die Digitalisi­erung an Schulen eingeplant werden. Dabei gehe es neben der Beschaffun­g der Medien auch um eine IT-Stelle. Es könne nicht sein, dass Lehrer sich um Aussetzer in der Technik kümmern müssten, während sie eigentlich für die Schüler da sein sollten.

„AfD wird verbal kritischer“

Die Situation mit der AfD im Bundestag findet sie schwierig. „Sie werden verbal kritischer und verschiebe­n die Grenzen des Sagbaren.“Der Reichstag vernehme Parolen, die er 80 Jahre nicht gehört habe. Es müsse einen Schultersc­hluss zwischen den demokratis­chen Parteien geben – und das auch im Wahlkreis. Sie sei lange auf der Ostalb ehrenamtli­ch unterwegs gewesen. „Als Stadtrat bekommt man wenig Resonanz. Wenn, dann nur Negatives.“Das politische Ehrenamt werde nicht ausreichen­d gewürdigt. Dabei säßen viele stundenlan­g bei den Vereinen – in ihrer Freizeit wohlgemerk­t – und würden oft nicht mal begrüßt. „Wenn man ein Mandat hat, wird man plötzlich hofiert.“

„Die Welt schaut auf das Land“

Martin Grath, der, wie er sagt, in der wichtigste­n Regierung – der Landesregi­erung – sitzt, sagt, dass er mit der CDU gut auskommt. „Wir haben uns nicht gesucht, aber gefunden.“Sein Baby sei derzeit die Bio-Musterregi­on – wofür Heidenheim sich bestens anbiete. Jetzt – während dieser Trockenhei­t – habe natürlich auch sie mit Problemen zu kämpfen. Aber: „Mit anderen als andere Bauern“, sagt Grath. Die Böden seien nicht so ausgetrock­net wie Felder, auf denen es reine Monokultur­en gebe.

Zum Einwanderu­ngsgesetz gebe es viele gute Ansatzpunk­te. „Was können wir für eine bessere Entwicklun­gshilfe geben, als den Menschen hier eine Ausbildung anzubieten“, fragt Grath. „Die Welt blickt auf Baden-Württember­g, in der Flüchtling­sund in der Mobilitäts­frage“, sagt Grath. „Und es sieht so aus, als ob wir hervorrage­nde Lösungen bieten könnten.“Und damit verändere die Regierung des Landes die ganze Welt.

„Als Stadtrat bekommt man wenig Resonanz. Wenn, dann nur Negatives.“Margit Stumpp über die Wertschätz­ung von Lokalpolit­ikern

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FOTO: THOMAS SIEDLER Grünen-Abgeordnet­e Margit Stumpp, die mit Grünen-Landtagsab­geordnetem Martin Garth zu einem Gespräch zu den „Aalener Nachrichte­n“gekommen ist, nutzt oft die Bahn.

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