Aalener Nachrichten

Unterstütz­ung für Menschen mit Handicap

Ob Antrag auf Grundsiche­rung, Wohntraini­ng oder Kochkurs, die Beratungss­telle hat ein breites Angebot

- Von Beate Gralla

ELLWANGEN - Viel mehr Platz als bisher hat die Beratungss­telle ambulante Dienste in Ellwangen, wenn sie voraussich­tlich im September von der Stadtfisch­ergasse ins ehemalige Kaufhaus Woha umzieht. Das Team kümmert sich um 50 Frauen und Männer mit Handicap.

ELLWANGEN - Viel mehr Platz als bisher hat die Beratungss­telle ambulante Dienste, wenn sie voraussich­tlich im September von der Stadtfisch­ergasse ins ehemalige Kaufhaus Woha umzieht. Beate Ullmann und ihr Team kümmern sich um 50 Frauen und Männer mit Handicap, die fast alle in der Innenstadt wohnen.

Die Beratungss­telle ambulante Dienste, kurz Bad, gehört zur Stiftung Haus Lindenhof und ist eine Anlaufstel­le für Menschen mit Behinderun­g, ihre Angehörige­n und die zuständige­n Stellen und Institutio­nen, erklärt Sozialpäda­gogin Ullmann. Sie hat ihr Büro gerade provisoris­ch ins Erdgeschos­s verlegt. Ihr eigenes im ersten Stock in der Stadtfisch­ergasse ist schon zu einer Küche umgebaut worden, damit diese Etage nach dem Umzug als Wohnung für einen ihrer Klienten genutzt werden kann.

Von einer eigenen Wohnung träumen viele Menschen mit Behinderun­g. Eine zu finden, fällt ihnen genauso schwer, wie allen anderen. Diejenigen, die Ullmann und ihr Team beraten und betreuen, haben das geschaftt. Sie wohnen in der Innenstadt, als Paar, als Familie, in Dreier-WGs oder alleine.

Alleine zu wohnen muss man erst lernen

Um das Leben allein zu meistern, müssen die Finanzen stimmen. Die meisten arbeiten in der Werkstatt für Behinderte, vereinzelt im ersten Arbeitsmar­kt, manche beziehen Rente oder Wohngeld. Der Lohn von der Werkstatt reicht nicht zum Leben, die meisten bekommen, wenn sie nicht mehr bei den Eltern wohnen, aufstocken­de Grundsiche­rung und haben dann rund 800 Euro im Monat. Zieht man die Miete von 400 bis 500 Euro ab, bleiben 340 Euro für den Lebensunte­rhalt. „Damit kommen sie gut klar“, sagt Ullmann.

Das Geld ist nur das eine. Auch selbststän­dig Wohnen müssen die Menschen erst lernen. Deshalb gibt es einen Intensivku­rs und ambulantes Wohntraini­ng, eine Art Wohnen auf Probe. Ein Jahr lang geht es um Alltagsfäh­igkeit und Dinge wie Wäschewasc­hen, Preise oder Kochen. In der eigenen Wohnung helfen dann neun Sozialarbe­iterinnen stundenwei­se je nach Bedarf beim Saubermach­en, gehen mit auf die Bank, trösten bei Liebeskumm­er und Stress oder kochen gemeinsam am Wochenende. Unter der Woche gibt es Mittagesse­n in der Werkstatt für Behinderte. Manche werden noch zusätzlich von mobilen Diensten beim Duschen unterstütz­t.

Manche ziehen erst mit 50 Zuhause aus, wenn die Versorgung für die Eltern oder Geschwiste­r zu beschwerli­ch wird und weil sie ihr eigenes Reich haben möchten. Ullmann erzählt von einem Mann, der das genießt. Er geht einmal in der Woche auf die Bank, zweimal zum Einkaufen, macht bei Veranstalt­ungen mit und ist glücklich und zufrieden. Kochen kann er nicht, dafür freut er sich um so mehr, wenn am Wochenende ein Sozialarbe­iter kommt und mit ihm kocht, was er ausgesucht hat.

Die Beratungss­telle kümmert sich auch um Paare mit Kindern. Das nennt sich dann begleitend­e Elternscha­ft, sagt Ullmann und erzählt von dem Paar mit drei Kindern, die viel zusammen unternehme­n, baden gehen oder Ausflüge machen. Das klappt gut. Schwierig werde es, wenn die Kinder merkten, dass sie klüger sind als ihre Eltern.

Jeden Mittwoch ist offener Treff

Die Beratung hat viele Facetten. Mal geht es um Grundsiche­rung, mal darum, Formulare auszufülle­n, Anträge zu stellen, Hilfen im Alltag zu vermitteln und Freizeitan­gbote zu machen. Oder um einen elektrisch­en Türöffner, den Ullmann bei der Krankenkas­se beantragt hat, weil ein Bewohner sonst die schwere Tür nicht aufbekomme­n hätte. Die Beratungss­telle ist inzwischen bekannt. Einmal hat die Polizei angerufen, weil ein Mädchen mit Down-Syndrom mit Rucksack am Ellwanger Bahnhof stand. Ein Anruf bei ihrem Betreuer ergab, dass sie keine Hilfe braucht und jedes Jahr im Sommer durch Deutschlan­d reist. So hat sie ihr Ränzlein wieder geschnürt und ist weitergezo­gen.

Zur Beratung kommen viele weitere Angebote. Mittwochs ist offener Treff, es gibt Kurse zu den unterschie­lichsten Themen, an denen rund 200 Menschen im Alter von drei bis 65 Jahren regelmäßig teilnehmen. Jetzt gerade ist Ferienprog­ramm mit vielen Ausflügen.

In den neuen Räumen ist für all das viel mehr Platz. Nicht nur das gefällt Ullmann. Sie hofft, dass die Beratungss­telle, die 2005 gegründet wurde, mitten in der Stadt sichtbarer wird. Schließlic­h sollen die 50 Menschen mit Behinderun­g in der Stadt nicht nur wohnen, sondern auch dazugehöre­n. Bei vielen sei das so, freut sich Ullmann daürber, dass die Menschen in Ellwangen so offen und freundlich sind.

Die Sozialpäda­gogin wünscht sich, dass es für ihre Kunden mehr Arbeitsplä­tze auf dem ersten Arbeitsmar­kt gibt. Deshalb ist sie im Arbeitskre­is Ellwangen inklusiv mit dem Ziel, Arbeitsplä­tze, aber auch barrierefr­eien Wohnraum für Menschen mit Behinderun­g zu finden.

Die Räume in der Stadtfisch­ergasse werden nach dem Umzug der Beratungss­telle nicht leer stehen. Unten ziehen die mobilen Dienste der Stiftung Haus Lindenhof ein, aus den Büros im ersten Stock wird eine Wohnung für einen von Ullmanns Kunden.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Der Beratungss­telle für ambulante Dienste zieht voraussich­tlich im September von der Stadtfisch­ergasse ins ehemalige Woha um.

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