„Die geltende Rechtslage ist gut“
FREIBURG (epd) - Der katholische Ethiker Eberhard Schockenhoff (Foto: privat) hat erhebliche Bedenken gegen die Widerspruchslösung für Organspenden. Diese sei mit einem demokratischen Verständnis von Rechtsstaatlichkeit schwer vereinbar, sagte er dem Evangelischen Pressedienst.
Herr Schockenhoff, ist eine Widerspruchslösung bei der Organspende ethisch vertretbar?
Sie ist ethisch ein Grenzfall. Der Staat als Verteilorganisation greift auf Organe Verstorbener ohne deren Einverständnis zurück, indem er einen unterlassenen Widerspruch als Zustimmung wertet. Deshalb befürworte ich das nicht. Andererseits müssen wir bedenken: Schon jetzt profitiert Deutschland von der Widerspruchslösung in anderen europäischen Ländern wie Spanien oder Österreich, weil Organe aus diesen Ländern auch Empfängern in Deutschland zugewiesen werden.
Wer Organe im Krankheitsfall empfangen möchte – muss der auch zur Spende bereit sein?
Ja. Eine Trittbrettfahrer-Mentalität ist moralisch unannehmbar. Ich habe selbst seit vielen Jahren einen Organspendeausweis, den ich immer bei mir trage. Die Widerspruchslösung arbeitet aber leider auch mit der Unwissenheit der Menschen. Umfragen in Ländern, in denen diese Lösung gilt, zeigen: Die Menschen dort wissen kaum, dass ihnen nach dem Tod Organe entnommen werden können, weil sie nicht widersprochen haben.
Was wäre aus Ihrer Sicht ein angemessenes Mittel, die Zahl der Organspender zu erhöhen?
Die geltende Rechtslage in Deutschland ist gut. Dabei werden Menschen etwa von ihrer Krankenkasse gefragt, ob sie zur Organspende bereit sind. Organe zu entnehmen, ohne dass sich der Spender persönlich dazu geäußert hat, halte ich dagegen innerhalb eines demokratischen Verständnisses von Rechtsstaatlichkeit schwer vorstellbar. Das wirkt gerade so, als sei der Staat Eigentümer der Organe eines Menschen. Denkbar wäre allenfalls, dass man das Nichtreagieren auf die Anfrage der Krankenkasse als fehlenden Widerspruch deutet. Mich stört an der aktuellen Diskussion, dass man das Vertrauen, das unser System der Organspende eingebüßt hat, jetzt allein durch andere gesetzliche Regelungen ersetzen möchte. Dabei müsste man Vertrauen neu aufbauen.