Personalintensive Fertigung ohne Zukunft
Vortrag über die Zukunftsstrategien von Bosch Automotive Steering
SCHWÄBISCH GMÜND (gbr) - Der Geschäftsführer für den Einkauf und die Finanzen bei Bosch Automotive Steering hat keinen Zweifel daran gelassen: Eine personalintensive Fertigung ist am Standort Deutschland nicht konkurrenzfähig. Stefan Grosch ist im Unternehmen nämlich auch der Arbeitsdirektor und hat in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass Digitalisierung und Globalisierung nicht automatisch zu Lasten der Belegschaft gehen, sondern auch Chancen bieten.
Die klassische Hierarchie werde sich mehr und mehr zugunsten einer lösungsorientierten Teamarbeit auflösen. Dabei machte Grosch keinen Hehl daraus, dass angesichts der komplexen technischen Entwicklungen die Führungsspitze nicht immer alles bis ins letzte Teil selbst verstehe, sondern sich die für Entscheidungen nötigen Informationen von Fachleuten im Unternehmen, aber auch von externen Experten holt. „Manchmal ist es sehr hilfreich, gerade die jüngsten Mitarbeiter zu fragen. Denn die haben ja sehr oft die besten Kenntnisse über moderne Technologien!“
Grosch war von der Gmünder CDU zu dem Vortrag eingeladen worden, um ein Bild zu zeichnen, wie sich das größte Gmünder Unternehmen in einer digitalisierten Welt positionieren wird und welche Auswirkungen dies auf die Zahl und die Qualität der Arbeitsplätze haben wird.
Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Thomas Eble betonte bei der Begrüßung, dass Gmünd und die ZF, respektive Gmünd und Bosch, quasi eine Einheit darstellen. „Hervorragende Automobilhersteller brauchen hervorragende Zulieferer“, sagte Eble und fügte hinzu: „Und eine Kommune ist darauf angewiesen, dass es den Unternehmen vor Ort gut geht.“Dies gelte sowohl im Hinblick auf die Arbeitsplätze als auch in Sachen Gewerbesteuer.
Mehr Tempo bei kommunalen Entscheidungen
Oberbürgermeister Richard Arnold unterstrich ebenfalls die sehr guten Beziehungen der Stadt zum Unternehmen. Zumal gerade eine nicht so große Stadt wie Gmünd im Gegensatz zu Stuttgart viel flexibler sei, um auf Entwicklungen der Unternehmen einzugehen. „Wir sind ja schon ganz gut, aber wir brauchen eine noch höhere Geschwindigkeit bei kommunalen Entscheidungen!“
Grosch räumte ein, dass die Zukunft das Unternehmen vor große Herausforderungen stelle – und zwar die Mitarbeiter ebenso wie die Führung. Schließlich gelte es bei Bosch, dem hohen Anspruch „Wir sind die Lenker!“gerecht zu werden. Dieser Slogan sei einerseits so zu verstehen, dass das Unternehmen durch die Entwicklung von Produkten den Markt selbst lenkt. Andererseits aber auch ganz wörtlich in Sachen intelligenter Lenksysteme. „Wenn in der Mobilität der Zukunft die Lenkbewegungen des Fahrers wegfallen, brauchen diese Fahrzeuge ganz andere Lenksysteme“, sagte er in Bezug auf einen immer größeren Automatisierungsgrad beim Fahren. Auf Nachfrage aus dem Publikum prognostizierte er, dass autonomes Fahren wohl schon in der Mitte des nächsten Jahrzehnts reif für die Straße und für jedermann sein werde.
Dem Standort Gmünd komme die Rolle eines „Leit-Werks“zu. Soll heißen, dass von Gmünd aus die entscheidenden Impulse für die weltweite Produktion von Lenkungen ausgehen sollen. Dies gehe mit einem schnellen Reagieren auf globale Anforderungen einher. Das klassische Abarbeiten eines langfristigen Plans gehöre der Vergangenheit an. Dies bedeute nicht zuletzt, dass von Mitarbeitern nicht nur technisches Wissen, sondern auch Verantwortungsgefühl, Kreativität sowie das Arbeiten in interdisziplinären und international besetzten Teams verlangt werde. „Sich nur auf Fertigung zu beschränken, hat für Hersteller keine Zukunft!“, zeigte sich Grosch überzeugt.
In der Diskussion kam allerdings der Einwand, dass die Digitalisierung auch negative Auswirkungen haben könne. „Es ist klar festzustellen, dass Fähigkeiten wie das Gefühl für Geschwindigkeiten oder das räumliche Vorstellungsvermögen abnehmen, wenn dies dank digitaler Systeme nicht mehr gefordert wird“, warnte ein anwesender Arzt. Und die Frage, wer bei Unfällen mit autonom fahrenden Autos haftet, müsse juristisch geklärt werden.