Nahles massiv unter Druck
Sondersitzung des SPD-Vorstands nach Maaßen-Streit
BERLIN/FRIEDRICHSHAFEN (dpa/ ume) - Wegen des Falls Maaßen gerät SPD-Chefin Andrea Nahles verstärkt unter Druck. Am Montag wird es Sondersitzungen von Vorstand und Fraktion geben. Dort werde beraten, wie der von Nahles, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer vereinbarte Aufstieg von Verfassungsschutzchef HansGeorg Maaßen zum Staatssekretär noch gestoppt werden kann. Nahles sieht in ihrer Partei aber bisher nur „einzelne Stimmen“, die ein Ende der Koalition fordern. Sie räumte aber ein, dass es „neue Debatten“gebe.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprang ihr zur Seite. Beim Bodensee Business Forum in Friedrichshafen sagte er: „Die Frage, die Andrea Nahles beantworten musste, war ja, ob man die Koalition platzen lässt wegen einer Personalentscheidung.“Er räumte jedoch ein: „Diese Koalition steht vor einer sehr entscheidenden Phase.“Es komme nun auch auf das Verhalten von Horst Seehofer an.
BERLIN - Alarmstimmung in der SPD – Parteichefin Andrea Nahles gerät mächtig unter Druck. Am kommenden Montag treffen sich die Genossen gleich zu zwei Krisenrunden. Am Morgen berät der Parteivorstand darüber, ob die Sozialdemokraten die Maaßen-Entscheidung der Großen Koalition wieder kassieren und die SPD-Minister im Bundeskabinett ein Veto gegen die Beförderung einlegen sollen. Am Nachmittag kommt die Bundestagsfraktion zu einer Sondersitzung zusammen. Wackelt die Partei- und Fraktionschefin? Kippt die Koalition? In der SPD-Spitze winkt man ab. Doch die Nervosität wächst, und die Empörung über die Maaßen-Entscheidung ist groß.
Andrea Nahles gab sich am Donnerstag demonstrativ gelassen und unbeeindruckt. „Einzelne Stimmen“seien das, die sich da laut zu Wort gemeldet und einen Ausstieg der SPD aus der Großen Koalition gefordert hätten. Die üblichen Verdächtigen quasi.
Unterschiedliche Haltungen
Ein Bruch des Regierungsbündnisses mit der Union wegen der Causa Maaßen stehe nicht zur Debatte, bekräftigte die SPD-Chefin in München. Prompt kommt Widerspruch von Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen: „Es gibt unterschiedliche Einschätzungen und unterschiedliche Haltungen dazu“, stellte die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl beim gemeinsamen Auftritt mit Nahles klar. Am Montag werde darüber im SPD-Vorstand in Berlin beraten, sagt sie, und es klingt wie eine Drohung. Der Fall Maaßen belastet nicht nur die GroKo, er wird zur ernsthaften Zerreißprobe für die SPD.
Auch am Donnerstag hagelte es wieder Kritik daran, dass die Parteichefin beim Krisengipfel im Kanzleramt am vergangenen Dienstag einer Versetzung und Beförderung des umstrittenen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, zugestimmt hatte. Auch dass für den Wechsel Maaßens ins Bundesinnenministerium ausgerechnet SPD-Bau-Staatssekretär Gunther Adler seinen Posten räumen muss, sorgt unter den Genossen für Empörung. Nahles hatte noch am Wochenende signalisiert, dass der Verfassungsschutz-Präsident entlassen werde. „Maaßen muss gehen, und ich sage euch, er wird gehen“, hatte sie erklärt.
Juso-Chef Kevin Kühnert drängt angesichts der Proteste aus der Partei auf eine gemeinsame Entscheidung über die Zukunft der großen Koalition und die Causa Maaßen. „Die Vereinbarungen der Koalitionsspitzen ungehindert umzusetzen, würde bedeuten, einen millionenfachen Vertrauensverlust in die Demokratie zu riskieren“, warnt der Nahles-Rivale. „Das kann nicht im Interesse der SPD sein.“Die SPD müsse der öffentlichen Empörung eine Stimme geben und der Union signalisieren, dass sie eine Berufung von Maaßen als Staatssekretär im Bundeskabinett nicht mittragen werde.
Gerade noch schien der Koalitionskonflikt entschärft, da stellen SPD-Politiker die Zukunft des schwarz-roten Bündnisses wieder infrage. Auch Parteichefin Nahles gerät unter Beschuss. Die SPD-Vorsitzende verteidigte ihre Entscheidung, wegen der Personalie Maaßen keinen Bruch der Koalition in Kauf nehmen zu wollen. „In der Abwägung ist es der Herr Maaßen nicht wert, dass wir nicht mehr handlungsfähig sind und Neuwahlen ausrufen müssen“, sagte Nahles. Sie stehe zu dem „schmerzhaften Kompromiss“, auch wenn die Beförderung Maaßens „schwer erträglich“sei.
Die SPD-Chefin sieht die Verantwortung bei CSU-Chef Horst Seehofer, der den Machtpoker am Dienstag am Ende für sich entschieden hatte. Der CSU-Chef gab scheinbar nach, löst Maaßen als Geheimdienstchef ab. Allerdings nur, um ihn ins Bundesinnenministerium zu holen, wo er zum Staatssekretär für die Innere Sicherheit befördert werden soll. In der SPD fühlt man sich düpiert.
SPD-Vizechefin Kohnen und andere Genossen fordern jetzt ein Veto der SPD-Minister im Bundeskabinett gegen die Ernennung Maaßens zum Staatssekretär. Eine solche Entscheidung würde das Aus für die Große Koalition bedeuten.