Aalener Nachrichten

Dialog mit der Türkei ist wichtig

Tolu und Özdemir wünschen sich aber klare Haltung der Bundesregi­erung

- Von Ulrich Mendelin

FRIEDRICHS­HAFEN - Eines haben die beiden Gäste gemeinsam, die an diesem Nachmittag auf dem Podium beim Bodensee Business Forum sitzen: Sowohl Mesale Tolu als auch Cem Özdemir ist dringend geraten worden, in Berlin nicht mehr mit dem Taxi zu fahren. Denn beide sind Kritiker des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan. Und der hat unter Berliner Taxifahrer­n offenbar nicht wenige Anhänger.

„Ich habe dann die Berliner Taxizentra­len an einen Tisch geholt und gefragt, was läuft hier falsch?“, erzählt der Grünen-Politiker Özdemir. Inzwischen würden Taxifahrer, die ihre erdogankri­tischen Fahrgäste beschimpfe­n, aber sanktionie­rt. Dass der Arm des türkischen Präsidente­n bis nach Deutschlan­d reicht, davon können beide Gäste in der von Claudia Kling, Politikche­fin der „Schwäbisch­en Zeitung“, moderierte­n Runde berichten.

„Nicht genug, dass Erdogan die Türkei in ein offenes Gefängnis verwandelt“, kritisiert Özdemir. „Die Angst wird auch noch auf die türkische Community in Deutschlan­d übertragen.“Und die Neu-Ulmer Journalist­in Mesale Tolu ergänzt mit Blick auf Erdogans Regierungs­partei: „Die AKP ist richtig gut vernetzt in Deutschlan­d. Die haben hier ein Potenzial entdeckt und genährt, von Ditib bis zu den Osmanen.“Letztere sind eine rockerähnl­iche Gruppe, die in kriminelle Machenscha­ften verstrickt ist – und vor einigen Monaten verboten wurde. Führende Köpfe der Gruppe stehen derzeit vor Gericht.

Kommende Woche besucht Präsident Erdogan Deutschlan­d – und wird mit militärisc­hen Ehren empfangen. Sowohl Tolu als auch Özdemir halten nicht den Besuch an sich für falsch – wünschen sich eine klare Haltung der Bundesregi­erung. Özdemir betont, dass noch immer Deutsche in der Türkei festgehalt­en werden. Auch der Mann von Mesale Tolu, ein türkischer Staatsbürg­er, sitzt weiter im Gefängnis. Das müssten Erdogans Gesprächsp­artner in Deutschlan­d bei jedem Treffen ansprechen, fordert Özdemir. Er erinnert daran, dass Druck durchaus schon Wirkung gezeigt hat: Als die Türkei deutsche Firmen auf eine Liste von Terrorhelf­ern setzte, deckelte die Bundesregi­erung die Hermesbürg­schaften zur Absicherun­g von Exportgesc­häften. Schnell ruderte die Türkei zurück.

„Erdogan beurteilt sein Gegenüber danach, ob derjenige Grundüberz­eugungen hat“, erzählt Özdemir, der den heutigen türkischen Staatschef schon traf, als der noch Oberbürger­meister in Istanbul war. „Und wenn er das Gefühl hat, sein Gegenüber ist nicht standfest, geht er noch einen Schritt weiter. Und noch einen.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING

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