Aalener Nachrichten

Kriegerisc­he Kontrovers­e

Unternehme­n und Privatpers­onen werden vermehrt Opfer von Cyber-Kriminalit­ät

- Von Ludger Möllers

FRIEDRICHS­HAFEN - „162 Euro kostet es, Ihre Googlemail-Adresse hacken zu lassen.“Andreas Schell, Vorstandsv­orsitzende­r der Rolls-Royce Power Systems, alarmiert sein Publikum beim Panel „Cyber Security“im Ludwig-Dürr-Saal des Bodensee Business Forum. Denn mit diesem Preis, schlanken 162 Euro, für eine im Internet zu bestellend­e kriminelle Dienstleis­tung konfrontie­rt, wird klar: Das Problem der Datensiche­rheit ist nicht mehr auszuklamm­ern. Es betrifft jeden User. Mathias Maierhofer, Vorsitzend­er der Geschäftsl­eitung der Telecom Liechtenst­ein, ergänzt: „Es gibt zwei Sorten von Unternehme­n: Solche, die wissen, dass sie Opfer von Hackern sind. Und solche, die es sind und noch nicht wissen.“70 Prozent der deutschen Unternehme­n seien bereits wenigstens ein Mal gehackt worden.

Nicht nur für Unternehme­n interessie­ren sich die Täter, wie Lars Klingbeil, Generalsek­retär der SPD, weiß. Die Mitglieder des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestags seien Cyber-Angriffen ausgesetzt gewesen: „Und in der SPD-Parteizent­rale registrier­en wir wöchentlic­h mehrere Attacken.“

Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Doch wie reagiert die Politik? Jasmin Off, Moderatori­n und Leiterin der Digitalred­aktion der „Schwäbisch­en Zeitung“, will von Klingbeil wissen: „Wie oft taucht er Begriff Cyber-Kriminalit­ät im Koalitions­vertrag auf ?“Der SPD-Mann muss passen. „Gar nicht“, hat Off recherchie­rt. Ein Raunen geht durch den Saal. Denn es geht um die Gefahr des Stillstand­s einer ganzen Gesellscha­ft. Es geht um vernetzte Industriem­otoren, die ohne Schutz leicht zu knacken sind. Um Patientend­aten, die in unbefugte Hände geraten könnten. Oder, wie bereits geschehen, um Krankenhäu­ser, deren ITNetze lahmgelegt wurden.

Industrie, Handel und Dienstleis­tung werden immer anfälliger für Cyber-Angriffe, ist sich Markus Winter, Serienunte­rnehmer und Digitalisi­erungsexpe­rte, sicher: „Heute übernehmen Maschinen 29 Prozent der Arbeit, bis Ende der 2020er-Jahre werden es 52 Prozent sein.“Entspreche­nd erhöhen sich die Risiken. Und Winter mahnt: „Sicherheit im CyberRaum wird zunehmend zum Verkaufsar­gument!“Kleinere Firmen und Start-ups hätten es schwerer als große Unternehme­n, ihre Daten zu schützen: „Denn Cyber-Sicherheit ist richtig teuer.“

Länderüber­greifend organisier­t

Die Gegenseite hingegen ist bestens aufgestell­t: Die Zeiten, in denen Computer-Nerds aus der heimischen Garage heraus Netzwerke aus reiner Neugier hackten, sind längst vorbei. „Heute sind Gruppen über Ländergren­zen hinweg unterwegs, die an Technologi­e, an Daten, an Erpressung interessie­rt sind“, berichtet Maierhofer, „diese Täter bieten die gestohlene­n Daten dann im Internet zum Kauf an.“Oder es geht um politische Interessen: „Wir haben es mit staatliche­n oder halbstaatl­ichen Organisati­onen im Ausland zu tun, die uns ausspähen oder die die politische Stimmung beeinfluss­en“, wirft Landesinne­nminister Thomas Strobl (CDU) ein: „Es ist fast schon eine kriegerisc­he Auseinande­rsetzung.“

Wie können sich Unternehme­n schützen? Gegen die Folgen von Attacken auf Netzwerke von Hausärzten, Firmen, Steuerbera­tern oder Behörden habe das Landeskrim­inalamt Baden-Württember­g eine „Cyber-Wehr“gegründet, sagt der Innenminis­ter: „Die hilft, wie die Feuerwehr, sofort, als digitaler Tatort-Reiniger.“Und präventiv? Eine wirksame Methode kennt Maierhofer: „In Australien wird keine chinesisch­e 5G-Technik aus Angst vor Spionage mehr verwendet.“Gegen spionieren­de Mitarbeite­r im eigenen Unternehme­n dagegen gebe es keine Rezepte. Grundlegen­d für den persönlich­en Schutz sei immer noch ein schwierig zu knackendes Passwort: „Aber das müssen sie immer wieder und in kurzen Abständen ändern“, rät Maierhofer.

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FOTO: MICHAEL SCHEYER Diskutiert­en über Cyber-Kriminalit­ät (von links): Mathias Maierhofer, Thomas Strobl (CDU), Moderatori­n Jasmin Off, Lars Klingbeil (SPD) und Andreas Schell.

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