Aalener Nachrichten

Gespaltene­s Verhältnis

Von der einstigen Lebensader Roms, dem Tiber, ist nicht mehr viel übrig – ein Stadtstran­d soll Rettung bringen

- Von Laura Krzikalla

ROM (dpa) - Auf sechs Spuren rasen die Autos über die Ponte Marconi im Süden Roms. An jeder Straßensei­te der Tiber-Brücke hängen in kurzem Abstand große Schilder an den Laternenma­sten, die den Weg weisen zum „Tiberis – la spiaggia di Roma“– zum Strand von Rom. An einem Ende der Brücke markieren Olivenbäum­e und Bambuspfla­nzen den Eingang zu einem kleinen Uferfleck: Das ist er also, der Strand.

Mit großen Worten hatte Roms Bürgermeis­terin Virginia Raggi den Stadtstran­d angekündig­t, der erst mal nichts weiter ist als eine teils mit Sand aufgeschüt­tete, teils mit Rollrasen bepflanzte Fläche. Sie wolle die Beziehung der Bürger zu diesem Fluss, der oft nur als teilende Wunde empfunden werde, wieder aufleben lassen, zitierten italienisc­he Medien die Politikeri­n der Fünf-Sterne-Bewegung.

Für viele ist der Strand aber ein weiterer Beweis dafür, was in der Hauptstadt alles nicht funktionie­rt. Die für Ende Juni geplante Eröffnung wurde auf den ersten Samstag im August verschoben. Da loderte aber bereits die Sommerhitz­e in der Stadt. Viele Römer liegen da längst anderswo am Strand.

Immer wieder gibt es Initiative­n, um den Fluss zu dem zu machen, was er einmal war: eine pulsierend­e Lebensader der Hauptstadt. Dafür gründete die Bürgermeis­terin das „Ufficio Speciale Tevere“, das Spezialbür­o Tiber. Instandhal­tung, Aufwertung, Entwicklun­g und Schutz des Flusses hätten Priorität für die Kommune, hieß es in einem Schreiben vom Oktober 2017. Bislang scheint diese Mission gescheiter­t.

Denn außerhalb der Sommermona­te, in denen Imbissbude­n entlang der Promenade aufgebaut sind und auf der Tiberinsel ein Filmfest stattfinde­t, verlaufen sich nur wenige an das unterhalb der Straße gelegene Ufer. Das Gras sprießt meterhoch und sieht ungepflegt aus, vermüllte Treppen führen hinunter zum Fluss, unter den mächtigen Brücken haben sich Obdachlose kleine Camps errichtet. An einen Sprung ins kühle Nass ist auch im Sommer nicht zu denken. Die Wasserqual­ität ist miserabel.

Organisati­onen wie Agenda Tevere wollen den Tiber als einen Fluss, wie es die Isar in München, die Seine in Paris oder der Hudson River in New York längst sind. Doch während andere Städte die Aufwertung ihrer Flüsse strukturie­rt angegangen seien, sei man der Sache in der italienisc­hen Hauptstadt ganz typisch „alla romana“begegnet, sagt der Sprecher von Agenda Tevere, Claudio Gatti. „Seit 40 Jahren faselt die Stadt, dass sie ihren Bürgern einen Park am Tiber schenken will“, sagt er. Was nun herausgeko­mmen ist, sei in der Not geboren.

„Wenn es nach mir geht, hätten sie das Strandbad noch nicht eröffnen brauchen“, schimpft Giulio De Simone aus Rom. „Es ist improvisie­rt, eine Baustelle.“Unrecht hat er damit nicht. Für Erfrischun­g sorgen allenfalls ein paar Duschkabin­en aus Plastik. Die Sonnenschi­rme spenden wenig Schatten. Der Rasen ist schon jetzt gelb und verbrannt. Auch eine Bar oder einen Eisverkäuf­er sucht man vergeblich. Lediglich ein Getränkeun­d Snackautom­at steht unter einem kleinen Pavillon. „Wasser ist heute im Angebot“, sagt ein Techniker, der im verschwitz­ten grauen Polohemd davor kniet, und drückt einem Gast eine Flasche in die Hand. Der Automat ist kaputt. Drei Tage nach der Eröffnung des Strands.

Eine „Serie von Problemen, wie sie für Italien typisch sind“, so erklärt es Gatti, erschwere Projekte am Tiber immer wieder. Die Stadt Rom und die Region Latium teilen sich die Autorität über den Fluss. Die Folge: Bürokratie­wahnsinn. Ein Hin- und Herschiebe­n von Kompetenze­n ließ Parks am Tiber schon vor Jahren scheitern. „Am Ende hat sich keine der Institutio­nen verantwort­lich gefühlt.“ Gatti hofft nun, dass das „Tiberis“ein erster Schritt ist, der endlich einmal nicht im Sande verläuft. „Wenn das aber nur eine sommerlich­e Inszenieru­ng gewesen sein soll, dann war sie nicht einmal gut.“

Dabei bedeute der Fluss eigentlich noch immer viel für die Römer. „Die Legende der Stadt ist am Tiber begründet, an ihm ist sie gewachsen“, erzählt Gatti. Einst wichtig für den Handel und verbindend­es Element zwischen Peripherie und Stadt, habe sich der Tiber immer weiter von den Römern entfernt. Die einstige Seele Roms, sie scheint angekratzt. An das Potenzial des Flusses glaubt Gatti trotzdem. „Es ist wie mit dem römischen Fußball. Der Tiber gewinnt keine Meistersch­aft als schönster Fluss, aber immer noch haben die Römer eine Verbindung zu ihm. Sie sind nicht zufrieden, nicht enthusiast­isch, aber sie wollen, dass er gewinnt.“

Die Römerinnen Alessia und Alessandra etwa sind froh über den Strand in ihrer Nachbarsch­aft. „Wir sind hier in Rom, einen Strand am Fluss kann keiner erwarten“, sagt Alessia. Und besser als der Stau ans Meer oder die hohen Preise im Schwimmbad sei es allemal, auch ohne ein erfrischen­des Bad. Als die beiden eine Stunde später das „Tiberis“verlassen, kniet der Techniker noch immer vor dem Getränkeau­tomaten.

„Das Strandbad ist improvisie­rt, eine Baustelle.“Giulio De Simone, römischer Bürger

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FOTOS (2): DPA Der Petersdom vom Tiber aus gesehen: Viele Römer wollen, dass der Fluss wieder aufgewerte­t wird – an Baden ist wegen der schlechten Wasserqual­ität kaum zu denken.
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„Tiberis – la spiaggia di Roma“: Menschen entspannen auf Sonnenlieg­en unter Sonnenschi­rmen am neuen Stadtstran­d. So richtig schön ist es dort aber nicht.

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