Türen auf für Pazifisten
Waffenbauer Heckler & Koch lädt zur Hauptversammlung
ROTTWEIL (dpa) - Für den obersten Waffenhändler war es eine Feuertaufe. Erstmals trat der neue Chef von Heckler & Koch, Jens Bodo Koch, am Freitag vor die Hauptversammlung – und musste sich herbe Schelte von Aktionären anhören. Das lag weniger an den roten Zahlen der Firma und seiner Leistung – der 46-Jährige hat erst seit Mai das Sagen –, sondern an der Zusammensetzung der Veranstaltung: Während sich die Großaktionäre in Schweigen hüllten, meldeten sich Friedensaktivisten zu Wort – von etwa 40 Teilnehmern stellten sie die Hälfte. Als Kleinaktionäre sind sie in die nicht öffentliche Hauptversammlung gekommen.
Wie kommt es überhaupt zu dem Aktionärstreffen? Vor einigen Jahren brauchte das klamme Unternehmen mal wieder Geld. Also steuerte man das Börsenparkett an – neue Aktionäre sollten die Kassen füllen. Die Pläne waren weit gediehen, man erfüllte gar eine Mindestregel der Pariser Börse und gab 2015 einen winzigen Anteil von 0,03 Prozent der Stimmrechte aus. Mehr wurde nicht verkauft. Warum, ist offen. Die Geschäftszahlen waren damals mau – eine große Menge an Aktien wäre man vermutlich nicht losgeworden zu einem hohen Preis. Doch der Minianteil war im freien Handel – Pazifisten griffen zu und kauften Aktien als Eintrittskarten für die Hauptversammlung.
Unter ihnen ist Jürgen Grässlin, einer der schärfsten Kritiker von Heckler & Koch. Er verortet das Unternehmen in einem kriminellen „Netzwerk des Todes“, so der Titel eines von ihm mitverfassten Buches. Grässlin empört sich über illegale Exporte des schwäbischen Unternehmens etwa in mexikanische Unruheprovinzen im vergangenen Jahrzehnt. Seit Mai läuft vor dem Stuttgarter Landgericht ein Strafprozess gegen Ex-Mitarbeiter von H&K, die Firma ist mitangeklagt. Zum laufenden Verfahren will sich die Waffenschmiede nicht äußern.
Branchenkritiker Grässlin brachte auf der HV chancenlose Gegenanträge ein, etwa auf Nichtentlastung der Führungsriege. Als Grund nannte er nicht nur Waffenausfuhren ins Ausland, sondern auch eine „desaströse“Finanzpolitik. Tatsächlich stufte die Rating-Agentur Moody's Heckler & Koch zuletzt auf Ramschniveau ein. Im ersten Halbjahr verbuchte der Waffenbauer einen Verlust von 2,3 Millionen Euro, nach einem Gewinn von 1,1 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Die Umsätze stiegen zwar um 14 Prozent auf 109,5 Millionen Euro, zugleich schnellten aber die Kosten hoch. Der neue Chef will nun Arbeitsabläufe verbessern und Kosten drücken. H&K sei „sehr gut für die Zukunft aufgestellt“, betonte er.
Jens Bodo Koch dürfte im Kopf gehabt haben, was seinem Vorgänger nach der Aktionärstagung 2017 passierte: Norbert Scheuch hatte sich vor einem Jahr bemerkenswert offen gezeigt für Kritik von Pazifisten. Zwei Wochen später wurde er rausgeschmissen. Zudem hatte Scheuch eine Strategie durchgesetzt, die Lieferungen nur an nicht korrupte gefestigte Demokratien vorsah. Wichtige Märkte wie die Türkei fielen dadurch weg. Friedensaktivist Grässlin hat aber Zweifel, dass diese Strategie konsequent umgesetzt wird.
Bruch der Grüne-Länder-Regel
Tatsächlich genehmigte der Bundessicherheitsrat H&K unlängst Ausfuhren von 350 Maschinenpistolen-Rohren nach Indien und 55 Rohren nach Hongkong. Nach Lesart der Firma sind das Altaufträge, für die die Strategie nicht gilt. Grässlin verneint das – das könne nur Neugeschäft sein und damit ein Bruch der Grüne-LänderStrategie. Vorstandschef Koch betonte, die Strategie werde fortgesetzt. Dabei bemühte er laut einer Pressemitteilung einen typischen Branchensatz: „In den richtigen Händen stellen unsere Produkte einen wichtigen Baustein der Sicherheitsarchitektur vieler Demokratien dar.“