Bunt statt „Bäbber“und Onlinehandel
Silke Rothenhäusler verschönert die Aalener City auf ihre ganz eigene Art.
AALEN - Menschen, die Laternenoder Schildermasten mit Aufklebern des VfR Aalen oder politischer Organisationen verunstalten, sind der Stadt Aalen seit langem ein Dorn im Auge. Diese „Bäbber“sind mittlerweile allerdings bunten Farbklecksen gewichen. In der gesamten Fußgängerzone wurden rund 100 Masten mit buntem Stoff umhüllt und sorgen seither für ein schöneres Stadtbild. Diese Aktion ist allerdings nicht der Kreativität der Stadt Aalen oder des Innenstadtvereins Aalen City aktiv (ACA) entsprungen. Vielmehr hat Silke Rothenhäusler, Inhaberin des StoffTreffs, in einer Nacht- und Nebelaktion die Masten mit ihrer Handschrift verschönert.
Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, dem sind bereits die mit Stoff ummantelten Masten aufgefallen, die für viele Passanten seit über zwei Wochen der Hingucker schlechthin sind. Auch Citymanager Reinhard Skusa findet diese witzige Idee toll, die die Stadt sauberer, gepflegter und sympathischer erscheinen lasse. Darüber hinaus seien die Masten auf diese Weise vor wilden „Aufkleberfutzis“geschützt, die der Stadt seit Jahren Reinigungskosten in nicht geringer Höhe verursachen würden. Als eine „Guerilla-Aktion mit Pfiff und Grips“bezeichnet Skusa die Initiative, die Rothenhäusler ergriffen hat.
Zeichen gegen den Onlinehandel
Guerilla-Aktionen, mit denen professionelle Künstler und Hobbykünstler in Form von Gestricktem oder Gehäkeltem ihre Städte verschönern und mit ihren überraschenden Farbklecksen die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich ziehen, sind nicht neu. Vor allem in Großstädten wie Berlin, der Bundeshauptstadt, aus der Rothenhäusler stammt, ist dieser Trend bereits Anfang 2000 „in“gewesen. Dieser machte allerdings auch vor Aalen nicht Halt. Bereits vor etlichen Jahren wurde etwa der Baum in der Mittelbachstraße eingehäkelt, erinnert sich die seit 2002 in der Kreisstadt lebende 47-Jährige.
Als Guerilla-Aktion möchte Rothenhäusler ihre Initiative nicht verstanden wissen, die sowohl bei ihren Kunden als auch den umliegenden Einzelhändlern und Gastronomen ausschließlich auf positives Feedback stoßen würde. Hinter dieser stehe kein Protest im eigentlichen Sinne. Allein um das Verschönern der unansehnlichen und verklebten Masten mit ihrer Art von Street Art sei es der gelernten Schneiderin und Schnittdirektrice, die 2011 den Stoff-Treff in der Spitalstraße übernommen hat, allerdings auch nicht gegangen. Vielmehr wollte sie mit der Aktion auch ein Zeichen gegen den Onlinehandel setzen und Passanten deutlich machen, dass es die inhabergeführten Geschäfte wie ihren Stoff-Treff auch noch gibt.
Mit dem Geschäft per Mausklick oder via iPhone hat auch die 47-Jährige zu kämpfen, die jahrelang in Nördlingen bei Strenesse gearbeitet hat, nach der Geburt ihrer Tochter viel auf Märkten unterwegs war und sich schließlich mit dem Stoff-Treff den Traum eines eigenen Ladens erfüllte. Vermehrt würden auch Strick- oder Schneiderbegeisterte Stoffe, Knöpfe und Co. im Internet bestellen. Darüber hinaus habe der Einzelhandel im Handarbeitsbereich auch damit zu kämpfen, dass Tätigkeiten wie Stricken, Klöppeln und Nähen nicht mehr angesagt seien und auch in der Schule kein Wert mehr darauf gelegt werde. „Sah man früher im Café noch jede Menge Frauen, die dort gestrickt haben, wird heute lieber am iPhone oder auf dem iPad im World Wide Web gesurft“, sagt Rothenhäusler. „Schade, dass sich nur noch wenige die Zeit dafür nehmen, um sich kreativ zu betätigen und auf diese Weise in der schnelllebigen Zeit runterzukommen.“
280 Meter Klettband verbraucht
Um zu zeigen, dass inhabergeführte Geschäfte nicht nur mit Beratung und dem Eingehen auf Wünsche der Kunden punkten können, sondern im Gegensatz zum Onlinehandel auch für kreative Ideen stehen, hat sich Rothenhäusler dazu entschlossen, ihre farbenfrohe Guerilla-Aktion zu starten. „Eingetütet habe ich alles vor dem Angelo-Kelly-Konzert am Mittwoch vor den Reichsstädter Tagen“, sagt die 47-Jährige, die am Dienstagabend zuvor gemeinsam mit ihrem Mann in rund drei Stunden 100 Masten mit Stoff umwickelt hat. Zuvor hat sie einen Nachmittag lang alle Masten abgemessen, in 40 Stunden den Stoff dafür zugeschnitten und an diesen Klettband angenäht. „280 Meter von diesem gingen für die Aktion drauf“, sagt Rothenhäusler. Dieses lasse sich ganz leicht wieder entfernen, so dass sie nichts beschädigt habe. Das Ganze habe sie zwar ohne das Wissen der Stadt gemacht, allerdings nicht heimlich. Auf allen Stoffen brachte sie ihr Geschäftslabel an, so dass nachvollziehbar ist, wer der Urheber der Aktion ist.
An einigen Masten sind die Stoffe bereits weg. „Wenn jemand diese entfernt hat, um sie weiterzuverwenden, ist das auch in Ordnung“, sagt Rothenhäusler. Wenn das Wetter in den kommenden Wochen schlechter wird, werde sie ohnehin die dann nassen und schmuddeligen Stoffe von den Masten entfernen. Im Blick hat die 47Jährige allerdings bereits die nächste Aktion, die sie im Frühjahr 2019 angehen will. Welche, will Rothenhäusler nicht verraten. Doch irgendetwas werde sie im Sinne des Künstlers Christo, der 1995 den Reichstag in Berlin verhüllte, ummanteln. Die Bürger und die Stadt Aalen dürfen gespannt sein.