Aalener Nachrichten

Ballacks spätes Revanchefo­ul

Löw hätte seinen Hut nehmen müssen, meint der Ex-Kapitän – Toni Kroos kontert

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BERLIN (SID/dpa) - Michael Ballack und Joachim Löw werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Der frühere DFB-Kapitän trägt dem Bundestrai­ner auch acht Jahre später noch die Ausbootung aus der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft nach. Dennoch kam die Kritik des einstigen „Capitanos“an Löw zwei Tage vor dem wegweisend­en Nations-LeagueSpie­l am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) in den Niederland­en so überrasche­nd wie ungelegen.

Löw hätte nach dem WM-Desaster in Russland seinen Hut nehmen müssen, sagte Ballack der Deutschen Welle. „Ich war wie viele andere Leute auch überrascht, dass er seinen Job behalten hat. Manchmal funktionie­rt es einfach nicht mehr, wenn jemand so lange mit einer Mannschaft zusammen ist wie er.“Löw sei für das Scheitern verantwort­lich und sollte „profession­ell genug sein“, um die Konsequenz­en zu ziehen.

Eine Replik von Löw blieb zunächst aus, der Bundestrai­ner tritt erst heute Nachmittag in Amsterdam wieder vor die Presse. Die Mannschaft aber stellte sich hinter ihren Chef. „Ich finde, dass er die Chance absolut verdient hat“, sagte Wortführer Toni Kroos in einer mehrminüti­gen Verteidigu­ngsrede für den Bundestrai­ner: „Ich bin überzeugt, dass wir jetzt wieder die Kurve mit Jogi Löw kriegen.“Kroos spottete über Ballack: „Vielleicht hätte er es übernehmen wollen?“

Löw bleibe der Richtige, betonte der Mittelfeld­boss, er habe „über viele Jahre bewiesen, dass er bereit ist, sich selbst weiterzuen­twickeln. Das ging stetig nach oben“. Timo Werner, ein Vertreter der jüngeren Generation, bestätigte diesen Eindruck. „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich vernachläs­sigt wurde oder nicht wusste, was ich auf dem Platz zu tun habe“, sagte der Leipziger.

Doch Ballacks Kritik ging tiefer. „Es war ganz offensicht­lich, dass einige Spieler nicht auf der Höhe waren“, sagte er über die WM-Blamage, Löw sei dafür verantwort­lich: „Man konnte es schon vorher sehen, dass eine oder mehrere Positionen nicht optimal besetzt waren. Deshalb sollten die Verantwort­lichen beurteilen, ob Löw immer noch der richtige Mann ist.“

„Wenn vorher schon beschlosse­n ist, am Trainer festzuhalt­en, ist das keine Analyse.“

Michael Ballack

DFB-Präsident Reinhard Grindel aber hätte Löw voreilig das Vertrauen ausgesproc­hen, ergänzte Ballack (42). „Die WM war eine große Enttäuschu­ng, und dafür gab es Gründe. Man sollte sie ernsthaft analysiere­n und nicht sagen ,Wir analysiere­n das', während in Wahrheit bereits beschlosse­n ist, am Trainer festzuhalt­en. Das ist keine echte Analyse.“

Für Löw, das machten spätestens Ballacks Worte klar, werden die Spiele gegen Oranje und drei Tage später bei Weltmeiste­r Frankreich in der Nationenli­ga zur Nagelprobe. „Allein die Namen der Gegner zeigen, dass wir eine gute Leistung brauchen, um erfolgreic­h zu sein“, sagte Kroos. Aber: „Wir sind ja auch keine Gurkentrup­pe und streben sechs Punkte an.“An diesem Selbstvers­tändnis hätte auch die WM nichts geändert.

Bei den drei Trainingse­inheiten in Berlin zeigten sich Löw und seine Spieler ungeachtet der Diskussion­en gut gelaunt – auch die kriselnden Bayern-Stars um Kapitän Manuel Neuer. „Sie machen immer noch so viele Witze wie zuvor“, sagte Werner über die Münchner Kollegen.

Dass die DFB-Elf sich zuletzt vor allem offensiv schwer tat, wollte der Angreifer nicht überbewert­en. „Es ist ja nicht so, dass wir keine Chancen mehr herausspie­len und nur noch verteidige­n.“Der „erfrischen­de“Offensivfu­ßball der Vorjahre, betonte LöwAssiste­nt Marcus Sorg, werde „leider von vielen als selbstvers­tändlich angesehen“. Es sei aber nicht mehr möglich, „dass wir jedes Spiel mit 5:0, 6:0 gewinnen“. In der Nations League, sagte Sorg, dürfe man sich „nichts erlauben, schon nach einer Niederlage hat man es nicht mehr in der Hand, was passiert. Das ist ein unglaublic­h hoher Anspruch“. Auch und vor allem an Löw. UEFA Nations League, 3. Spieltag Gruppe A3: Polen – Portugal 2:3 (1:2). – Tabelle: 1. Portugal 4:2/6, 2. Polen 3:4/1, 3. Italien 1:2/1. Gruppe B2: Russland – Schweden 0:0. – Tabelle: 1. Russland 2:1/4, 2. Türkei 4:4/3, 3. Schweden 2:3/1. Gruppe C1: Israel – Schottland 2:1 (0:1). – Tabelle: 1. Schottland 3:2/3, 2. Israel 2:2/3, 3. Albanien 1:2/3. Gruppe C4: Montenegro – Serbien 0:2 (0:1), Litauen – Rumänien 1:2 (0:1). – Tabelle: 1. Serbien 5:2/7, 2. Rumänien 4:3/5, 3. Montenegro 2:2/4, 4. Litauen 1:5/0. Gruppe D3: Färöer – Aserbaidsc­han 0:3 (0:1), Kosovo – Malta 3:1 (1:0). – Tabelle: 1. Kosovo 5:1/7, 2. Aserbaidsc­han 4:1/5, 3. Färöer 3:6/3, 4. Malta 3:7/1. Freitag, 12. Oktober: Gruppe A2: Belgien – Schweiz (20.45). Gruppe A4: Kroatien – England (20.45). Gruppe B3: Österreich – Nordirland (20.45). Gruppe C2: Estland – Finnland, Griechenla­nd – Ungarn (20.45). Gruppe D2: Moldau – San Marino, Weißrussla­nd – Luxemburg (20.45). Samstag, 13. Oktober: Gruppe A1: Niederland­e – Deutschlan­d (20.45) – Tabelle: 1. Frankreich 2:1/4, 2. Deutschlan­d 0:0/1, 3. Niederland­e 1:2/0. Gruppe B1: Slowakei – Tschechien (15.00). Gruppe B4: Irland – Dänemark (20.45). Gruppe C3: Norwegen – Slowenien (18.00), Bulgarien – Zypern (20.45). Gruppe D1: Lettland – Kasachstan, Georgien – Andorra (18.00). Gruppe D4: Armenien – Gibraltar (18.00), Mazedonien – Liechtenst­ein (20.45). Länderspie­le: Italien – Ukraine 1:1 (0:0), Ver. Arabische Emirate – Honduras 1:1 (1:1), Türkei – Bosnien-Herzegowin­a 0:0, Argentinie­n – Irak 4:0 (1:0), Wales – Spanien 1:4 (0:3; zwei Treffer durch Alcacer, der Borussia Dortmund eine Zusage bis 2023 gegeben haben soll), Frankreich – Island 2:2 (0:1). Testspiel VfB Stuttgart – SV Sandhausen 3:1 (1:1) Tore: 1:0 Gentner (28.), 1:1 Vollmann (36.), 2:1 González (67.), 3:1 Thommy (85.; Foulelfmet­er). – Mario Gomez kam wegen seiner Platzwunde aus dem Spiel gegen Hannover in diesem nichtöffen­tlichen Test nicht zum Einsatz. Auch Andreas Beck und Daniel Didavi absolviert­en eine individuel­le Einheit. Zudem fehlten sieben VfB-Profis wegen Länderspie­leinsätzen. Außerdem: SC Austria Lustenau – 1. FC Heidenheim 1:3 (1:0).

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ARCHIVFOTO: DPA Keine Männerfreu­ndschaft: Bundestrai­ner Joachim Löw (li.) und sein Ex-Kapitän Michael Ballack.

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