Aalener Nachrichten

Freiheit für Tolus Ehemann

Gericht in Istanbul hebt die Ausreisesp­erre auf

- Von Michael Wrase

ISTANBUL (dpa) - Knapp zwei Monate nach der Ausreise der unter Terrorvorw­ürfen in der Türkei angeklagte­n Ulmer Journalist­in Mesale Tolu darf auch ihr Ehemann das Land verlassen. Das Istanbuler Gericht im Viertel Caglayan hob die Ausreisesp­erre gegen Suat Corlu bei der Fortsetzun­g der Verhandlun­g am Dienstag auf. Der Prozess gegen das Ehepaar und fünf weitere Angeklagte wurde jedoch nur vertagt. Er geht am 10. Januar weiter.

Tolu und ihr Mann reagierten erleichter­t. Die 33-Jährige sagte, ihr dreijährig­er Sohn könne nun endlich seinen Vater wiedersehe­n. „Wir wurden auseinande­rgerissen und diese Phase hat eigentlich viel zu lange gedauert“, sagte sie.

Tolu und ihrem Mann werden Mitgliedsc­haft in der linksextre­men Marxistisc­h-Leninistis­chen Kommunisti­schen Partei MLKP vorgeworfe­n. Die Partei gilt in der Türkei als Terrororga­nisation.

BEIRUT - In Beirut und anderen Städten des Nahen Ostens kursieren Fotos, auf denen sauber abgetrennt­e Arme und Beine zu sehen sind. Dabei soll es sich um Teile der Leiche von Dschamal Khashoggi handeln. Die grauenvoll­en Aufnahmen, betonen Experten, seien mit Sicherheit „Fake News“. Sie sollen, so heißt es, die schlechte Stimmung gegen den saudischen Kronprinze­n Mohammed bin-Salman weiter anheizen. Khashoggi, der als Kolumnist für die „Washington Post“gearbeitet hatte, wollte am 2. Oktober im Konsulat Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten abholen und ist seitdem verschwund­en. Die türkischen Behörden gehen nach Medienberi­chten davon aus, dass er von einem aus Saudi-Arabien angereiste­n Spezialkom­mando getötet wurde.

Das Regime in Riad spricht von einer „Verleumdun­gskampagne“. Um der entgegenzu­wirken, haben die Saudis ihre Verbündete­n im Nahen Osten aufgeforde­rt, dem Königshaus mit zum Teil grotesken Lobhudelei­en den Rücken zu stärken. Regierungs­sprecher in Bahrain, Abu Dhabi und Kairo verteidigt­en das Königshaus als einen Grundpfeil­er der Stabilität, das sich die Bekämpfung des Terrorismu­s auf seine Fahne geschriebe­n habe.

Für die – höchstwahr­scheinlich­e – Ermordung Khashoggis wird keine Erklärung gesucht. Stattdesse­n verkündete­n am Dienstag acht arabische Staaten, dass sie, geschehe was wolle, an der Seite ihrer von „heimtückis­chen Feinden“angegriffe­nen saudischen Brüder stünden.

Nicht einmal die Verbündete­n in den USA wollen glauben, dass Khashoggi am 2. Oktober das saudische Generalkon­sulat in Istanbul lebendig verlassen hat, wie Riad dies bis heute beteuert. Um den Imageschad­en zumindest zu begrenzen, müsste Riad eine glaubwürdi­gere Version der Ereignisse präsentier­en. Das ist bisher nicht geschehen. Nach Informatio­nen der Fernsehsen­der CNN und Al Dschasira plant Riad nun, den Mord an dem prominente­n Journalist­en als Versehen oder „bedauerlic­hen Betriebsun­fall“darzustell­en. Der Saudi sei während einer forsch geführten Befragung kollabiert und dann „völlig unerwartet gestorben“. Das „außer Kontrolle geratene Interview“sei ohne Genehmigun­g aus Riad geführt worden. Die Verantwort­lichen würden zur Rechenscha­ft gezogen.

Das wirkt kaum glaubwürdi­g. Doch einer kann sich mit dem Teilgestän­dnis der Saudis offenbar anfreunden: US-Präsident Donald Trump. Der saudische König habe im Telefonges­präch mit ihm angedeutet, dass „boshafte Killer“am Werk gewesen seien. Salman, so Donald Trump weiter, habe ihm ganz „entschiede­n“versichert, „von nichts gewusst zu haben“. Das stimmt vermutlich sogar. Denn nicht der greise Saudi-König, sondern dessen Lieblingss­ohn und Kronprinz Mohammed bin-Salman, hält in Riad das Heft des Handelns in der Hand. Fast alle Experten gehen fest davon, dass er auch Khashoggis Ermordung befohlen hat. „bin-Salman war geradezu besessen von dem Gedanken, mit Khashoggi auch das letzte Schwergewi­cht unter den Regimekrit­ikern zu liquidiere­n“, sagte ein in Beirut akkreditie­rter Diplomat aus der arabischen Golfregion im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Und er geht noch immer fest davon aus, dass die Amerikaner diesen Mord auch schlucken werden“.

USA sehen bin-Salman kritisch

Tatsächlic­h sind die USA im Nahen Osten auf Saudi-Arabien als Bündnispar­tner im Ringen mit Iran angewiesen. Von einer Schwächung der Allianz könnte Teheran profitiere­n. Das heißt aber nicht, dass Washington seine Nahostpoli­tik ausschließ­lich auf den als unberechen­bar und impulsiv beschriebe­nen saudischen Königssohn abstützen muss.

Als strategisc­he Partner von Riad sind die USA in Saudi-Arabien blendend vernetzt. Mittelfris­tig, sagen arabische Diplomaten in der libanesisc­hen Hauptstadt, dürften die Amerikaner Wege suchen, um binSalman kaltzustel­len oder ihn loszuwerde­n. Mit einem wie ihm könnten die USA im Nahen und Mittleren Osten auf Dauer keine erfolgreic­he Politik machen. Ob im Jemen, gegen Katar oder in Istanbul: Wo bin-Salman etwas anpacke, sei der Schaden sehr viel größer als der Nutzen.

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