Alles digital
Der Autobauer VW stellt sein Vertriebskonzept um – Händler sollen künftig verstärkt Datendienste anbieten
BERLIN - Paket bestellt? Schon liegt es im Kofferraum des eigenen Autos. Daneben finden sich schon der Online-Einkauf des Abendessens. So stellt sich Volkswagen einen Teil der automobilen Zukunft vor und baut sein Vertriebsmodell für das digitale Zeitalter um. Die rund 5400 Vertragshändler in Europa werden in zwei Jahren nicht mehr nur Autos verkaufen und reparieren, sondern den Besitzern von Golf, Passat und Jetta auch digitale Services anbieten. Ins Autohaus müssen die Kunden dann auch nicht mehr, wenn sie einen neuen Wagen kaufen wollen. Auf einer Internet-Plattform kann sich jeder sein Fahrzeug konfigurieren und die passende Finanzierung dazu suchen. Der Händler übergibt das Fahrzeug dann nur noch.
Das neue Konzept soll der Marke VW und seinen Vertragshändlern neue Einnahmequellen sichern. Denn die Elektromobilität, die eine zentrale Rolle bei den Wolfsburgern spielen soll, wird an den Margen bei Neufahrzeugen zehren. „Die Wertschöpfungstiefe baut bei diesem Geschäftsmodell tendenziell ab“, sagt Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann. Außerdem beobachtet das Unternehmen ein sich rasant verändertes Marktumfeld, in dem die Digitalisierung, neue Wettbewerber und veränderte Kundenwünsche das bisher starre Vertriebssystem ins Wanken bringen. Nun hat VW gemeinsam mit den Marken-Händlern ein neues Modell ausgetüftelt. Die selbständigen Händler haben neue Verträge unterschrieben, die von 2020 an gelten. Der Präsident des europäischen Vertragshändler-Verbands, Matti Pörhö, ist zufrieden. „Wir werden mindestens zehn Prozent der Kosten einsparen“, erläutert der Finne.
Daten sind auch für die wichtigste Konzernmarke die Ressource der Zukunft. Die neuen Modelle werden mit dem Internet vernetzt sein. So sollen Softwareupdates über das Funknetz vom Hersteller direkt auf das Fahrzeug gespielt werden. Aber VW erfährt auch jede Menge über die Gewohnheiten und Vorlieben seiner Kunden. So könne VW den Kunden maßgeschneiderte Angebote und Dienste unterbreiten, erläutert Stackmann. Verkauft werden sollen beispielsweise zusätzliche softwarebasierte Funktionen im Auto oder Parkund Lieferservices. Die Lieferdienste hätten schon Interesse an der Lieferung in den Kofferraum gezeigt. Auch mit Stromverträgen für die E-Mobilisten will das Unternehmen künftig Geld verdienen. „Der Kunde entscheidet immer selbst, welche Daten er uns gibt“, versichert Stackmann.
Am Vertragshandel will VW nicht rühren. Im Gegenteil. Die Händler sollen auch an Geschäften beteiligt werden, die ihre Kunden online direkt mit Volkswagen abschließen. Und Stackmann glaubt auch nicht, dass Autokäufer künftig Neuwagen mehrheitlich online kaufen. Deshalb bleibe die regionale Vertretung ein zentraler Baustein der Vertriebskette. Finanziell lohnt sich das Konzept für die Händler, weil damit teils kräftige Einsparungen verbunden sein dürften. Sie müssen zum Beispiel weniger Modelle im Autohaus vorhalten, was viel Kapital bindet. Auch muss nicht mehr jede Werkstatt sämtliches Spezialwerkzeug anschaffen. Es kann zwischen den Betrieben auch ausgeliehen werden.
Kein Kommentar im Südwesten
Was die Neuerungen für die Vertragshändler von Volkswagen in Baden-Württemberg und Bayern bedeuten, ist noch unklar. Christoph Bernhardt, der Geschäftsführer des Audizentrums und als Vorstandsmitglied des Volkswagen- und AudiPartnerverbands zuständig für den Südwesten, wollte die Änderungen und die Folgen für die Betriebe auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht kommentieren. Auch Christofer Kilgus, Geschäftsführer des VW-Autohauses Kilgus mit Sitz im oberschwäbischen Ravensburg, ist noch nicht genauer über die neue Strukturen informiert. „Die Richtlinien stehen nicht fest“, sagte Kilgus. „Es gibt noch keine genauen Infos.“