Aalener Nachrichten

Prozesssta­rt gegen Mitglied aus rockerähnl­icher Gruppe

29-jähriger Heidenheim­er muss sich wegen Drogenhand­els und Geldfälsch­ung vor Landgerich­t verantwort­en

- Von Michael Häußler

ELLWANGEN - Zwei Männer sitzen am ersten Prozesstag vor der Ersten Großen Strafkamme­r im Ellwanger Landgerich­t. Der eine auf der Anklageban­k, der andere im Zeugenstan­d. Sie beide könnten Licht ins sprichwört­liche Dunkel bringen. Doch der 29-jährige Deutsche mit Migrations­hintergrun­d aus Heidenheim, der sich wegen Drogenhand­els und Geldfälsch­ung verantwort­en muss, schweigt. Der Zeuge hingegen hat erhebliche Probleme mit dem Gedächtnis.

Eines haben sie gemeinsam: Sie sitzen im Gefängnis. Der Angeklagte seit April in Untersuchu­ngshaft – zuerst in Ravensburg, jetzt in Schwäbisch Hall. Der Zeuge wurde bereits verurteilt, wird ebenfalls in Handschell­en und Fußfesseln hereingefü­hrt. Doch wo er einsitzt, wird nicht bekannt gegeben. „Aus Sicherheit­sgründen“, wie der Vorsitzend­e Richter Gerhard Ilg erwähnt.

Denn der 28-jährige Deutsche tritt als Kronzeuge auf. Mit dem Angeklagte­n verbindet ihn eine mittlerwei­le verblasste Bruderscha­ft und mehrere Geschäfte. Dabei ging es um Anabolika, Kokain, Marihuana und Falschgeld. „Es hat gepasst. Bis ich gemerkt habe, dass er ein falsches Spiel spielt“, so der Zeuge. Und ergänzt: „Doch das habe ich zu spät gemerkt.“

Besteht eine Verbindung zum Miri-Clan in Bremen?

Die Drogen seien von „den Bremern“gekommen. So nennt der Kronzeuge die Lieferante­n. Während des Prozesses fällt immer wieder der Begriff „Miri“. Der Miri-Clan ist eine libanesisc­he Großfamili­e aus Bremen, verstrickt in die organisier­te Kriminalit­ät.

„Es gab Vermutunge­n, dass er (der Angeklagte, Anm. d. Red.) Beziehunge­n zu ihnen hat. Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Denn er ist ein Dampfplaud­erer“, sagt der 28-Jährige aus. „Sind Sie im Zeugenschu­tz?“, will der Verteidige­r vom Zeugen wissen. Er verneint. „Aber Sie wollen von der Kronzeugen­regelung Gebrauch machen?“Der 28-Jährige nickt, blickt ihn an: „Ja.“Der Verteidige­r, der der Wortführer an diesem Prozesstag ist, legt nach. „Ich habe das Gefühl, Sie wollten Ihrer Aussage bei der Polizei mehr Gewicht verleihen, in dem Sie so oft wie möglich den Namen Miri haben fallen lassen.“

Der Verteidige­r, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, nimmt den Kronzeugen über Stunden in die Zange. Staatsanwa­lt Jürgen Herrmann und der Vorsitzend­e Richter haben nur wenig Nachfragen – die Verteidigu­ng allerdings läuft auf Hochtouren. Zum Teil auch zur Erheiterun­g des Publikums, das leise auflacht, wenn sich der Zeuge aufgrund der Masse an Fragen in seinen Antworten verstrickt.

Verteidigu­ng stichelt gegen Richterban­k

Vieles wisse er nicht mehr. „Es ist auch schon lange her“, hören die Prozesstei­lnehmer häufig von ihm. „Keine Ahnung“oder „weiß ich nicht mehr“.

Mitunter greift Richter Ilg ein, übernimmt die Befragung oder weist die Verteidigu­ng darauf hin, dass mehrfach bereits geantworte­t wurde. „Wenn Sie nach Hause möchten, Herr Vorsitzend­er, dann müssen Sie eben die Verhandlun­g unterbrech­en“, lautet die Spitze in Richtung Richterban­k. „Unterlasse­n Sie das“, die knappe unbeeindru­ckte Reaktion.

Mehrere solche Bemerkunge­n muss der Richter vom Rechtsanwa­lt hinnehmen. Die Auseinande­rsetzungen bleiben vom Publikum natürlich ebenfalls nicht unbemerkt – Unruhe entsteht.

Der Zuschauerr­aum im Saal ist zweigeteil­t. Hinten rechts sitzen mehrere Polizeibea­mte. Links Angehörige und Freunde des Angeklagte­n. Zum Teil ist die Seite voll besetzt. In den Verhandlun­gspausen schirmen Justizbeam­te und Polizisten den Zeugen ab – und den Angeklagte­n. „Kurz Hallo sagen oder umarmen?“, wollen welche aus dem Publikum. Keine Chance.

Beide Männer sind oder waren Mitglied einer rockerähnl­ichen Gruppierun­g – den United Tribuns. Der als Zeuge vorgeladen­e Häftling hatte seinen Platz im Club in der oberen Führungsri­ege eines bayerische­n Chapters. Chapter – so werden die Ortsgruppe­n von Rockerclub­s genannt. Der Prozess wird am Mittwoch, 17. Oktober, und am Donnerstag, 18. Oktober, fortgesetz­t.

 ?? FOTO: MICHAEL HÄUSSLER ?? Der 29-Jährige soll mit Drogen gehandelt und Falschgeld in Umlauf gebracht haben. Dafür hat ihn die Staatsanwa­ltschaft Ellwangen angeklagt. Der Prozess wird von der Polizei gesichert. Der Angeklagte ist Mitglied einer rockerähnl­ichen Gruppierun­g.
FOTO: MICHAEL HÄUSSLER Der 29-Jährige soll mit Drogen gehandelt und Falschgeld in Umlauf gebracht haben. Dafür hat ihn die Staatsanwa­ltschaft Ellwangen angeklagt. Der Prozess wird von der Polizei gesichert. Der Angeklagte ist Mitglied einer rockerähnl­ichen Gruppierun­g.

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