BAG-Prozess: Prokurist sieht sich als Sündenbock
Früherer Prokurist räumt Bilanzmanipulationen ein, will aber nur auf Druck von oben gehandelt haben
ELLWANGEN / STUTTGART - Am zweiten Tag im Prozess um die Bilanzmanipulationen bei der Ellwanger BAG hat der frühere Prokurist des Unternehmens den ehemaligen Geschäftsführer und den mitangeklagten Buchhalter belastet. Der ExProkurist hat die Tatvorwürfe größtenteils eingeräumt und erklärt, dass die beiden Mitangeklagten von den Manipulationen sehr wohl gewusst hätten. Er sei im Nachhinein als Sündenbock dargestellt worden. Seine Mittäterschaft begründete er mit dem hohen Druck, den vor allem der frühere Geschäftsführer auf ihn ausgeübt habe. Aufgrund der psychischen Belastung habe sich der ehemalige Prokurist sogar das Leben nehmen wollen.
In seiner rund anderthalbstündigen Aussage erläuterte der Angestellte seine Funktion im Betrieb und sein Mitwirken bei den Manipulationen der Bilanzen, die er auf Nachfrage des Gerichts bis auf wenige konkrete Ausnahmen einräumte. Sein Mitwirken begründete er damit, dass er letztlich „zu schwach“war, um den Forderungen zu widersprechen. Und diese hätten die anderen beiden Mitangeklagten ihm gegenüber doch recht konkret geäußert.
500 nicht existierende Tonnen Raps verbucht
Als Beispiel nennt der ehemalige Prokurist eine Menge von 500 Tonnen Raps, die erstmals im Jahr 2008 oder 2009 eingebucht worden sei, ohne dass sie existierte. Diese sei über Jahre in den Büchern mitgeschleppt worden. Im Jahr 2011 habe ihm der Geschäftsführer dann mitgeteilt, dass man den Betrag ausbuchen könne, da er nicht mehr benötigt werde, um die Bilanz auszugleichen. Im März 2012 sei er mit dieser Aussage aber wieder zurückgerudert und hätte angewiesen, dass die Menge Raps für das Geschäftsjahr 2011 wieder eingebucht werden müsse. Die beiden anderen Delinquenten auf der Anklagebank verneinten am Mittwoch, dass ein solches Gespräch stattgefunden habe.
Weiter sagte der ehemalige Prokurist aus, dass der Geschäftsführer ihm gegenüber bereits angedeutet hätte, dass er und der dritte Angeklagte im Fall einer Verhandlung alles leugnen würden. Konkret soll der Geschäftsführer ihm gegenüber gesagt haben: „Ich weiß von nichts. Ich will von nichts wissen und ich lüge alles weg.“
Der frühere Prokurist fühlte sich, wie er deutlich machte, von den anderen beiden Angeklagten „als alleinigen Sündenbock hingestellt“. Das habe der erste Verhandlungstag bereits gezeigt, als der mitangeklagte frühere Buchhalter der BAG gesagt hatte: „Er [der Prokurist, d. Red.] sagte mir: ’Was habe ich da nur gemacht, wenn das rauskommt, bin ich erledigt. Da weißt du nichts von und der Chef auch nicht.’“Er sei „als Spielball benutzt und immer wieder ausgenutzt“worden, das sei ihm jetzt klar. Damals habe der Geschäftsführer noch gesagt: „Wir drei wissen davon, wir stehen das gemeinsam durch.“
Für den Geschäftsführer habe immer nur ein positives Ergebnis im Vordergrund gestanden. Ohne die Bilanzmanipulationen sei dies nie zu erreichen gewesen.
Bereits während seines Angestelltenverhältnisses bei der BAG sei der Prokurist krankheitsbedingt immer wieder ausgefallen. Im Jahr 2009 hatte ein Psychiater bei ihm einen Burnout festgestellt. Er habe in der Folge einen Nervenzusammenbruch und Depressionen gehabt. Auch Selbstmordgedanken hätten ihn geplagt.
Früherer Prokurist hegte Selbstmordgedanken
Diese seien zwei Tage nach der Unterzeichnung seines Aufhebungsvertrages so stark wie nie gewesen. Er habe zum Glück noch kurzfristig einen Termin bei seinem Psychotherapeuten bekommen. „Ich wüsste nicht, was ich ohne diese Hilfe gemacht hätte.“Daraufhin sei er in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden und bis Ende 2012 in verschiedenen Einrichtungen gewesen. Nach einer ambulanten Therapie bis Mai 2013 sei er bis heute noch immer in Behandlung. Auf die Frage von Oberstaatsanwalt Heiko Wagenpfeil, worin der Grund für die gesundheitlichen Probleme liege, antwortete der ehemalige Prokurist, dass der Druck und die Inventurmanipulationen sowie die Arbeitsbelastung dafür verantwortlich gewesen seien.
„Ich weiß von nichts. Ich will nichts wissen und ich lüge alles weg.“
Diese Aussage soll der frühere BAG-Geschäftsführer gegenüber dem ehemaligen Prokuristen gemacht haben.
Nachdem der Geschäftsführer sich bereits am ersten Prozesstag zum Tatvorwurf geäußert hatte, stellte das Gericht einige Nachfragen. Konkret fragte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schwarz den ExChef, ob er sicher nichts von den Manipulationen gewusst und ob er wirklich erst im Sommer 2012 davon erfahren habe. Das bestätigte der Angeklagte. Anschließend hielt ihm Schwarz verschiedene Zeugenaussagen vor. Aus diesen gehe hervor, dass der Geschäftsführer neben den beiden Mitangeklagten auch weitere Mitarbeiter zur Manipulation angestiftet haben soll. Das leugnete der frühere Geschäftsführer.
Zeugen sollen Licht ins Dunkel bringen
Auch der Ex-Buchhalter widersprach den Zeugenaussagen. Er habe weder andere Mitarbeiter dazu aufgefordert, nicht existierende Artikel in Inventurlisten aufzunehmen, noch habe er Bewertungen von Artikeln bewusst nach oben manipuliert.
Licht ins Dunkel können möglicherweise die Zeugen bringen, die an den kommenden Verhandlungstagen gehört werden sollen. In der nächsten Sitzung am Mittwoch, 31. Oktober, soll damit begonnen werden. Zuvor wird der frühere Geschäftsführer zu den Vorwürfen des Prokuristen Stellung nehmen.