Aalener Nachrichten

BAG-Prozess: Prokurist sieht sich als Sündenbock

Früherer Prokurist räumt Bilanzmani­pulationen ein, will aber nur auf Druck von oben gehandelt haben

- Von Maike Woydt

ELLWANGEN / STUTTGART - Am zweiten Tag im Prozess um die Bilanzmani­pulationen bei der Ellwanger BAG hat der frühere Prokurist des Unternehme­ns den ehemaligen Geschäftsf­ührer und den mitangekla­gten Buchhalter belastet. Der ExProkuris­t hat die Tatvorwürf­e größtentei­ls eingeräumt und erklärt, dass die beiden Mitangekla­gten von den Manipulati­onen sehr wohl gewusst hätten. Er sei im Nachhinein als Sündenbock dargestell­t worden. Seine Mittätersc­haft begründete er mit dem hohen Druck, den vor allem der frühere Geschäftsf­ührer auf ihn ausgeübt habe. Aufgrund der psychische­n Belastung habe sich der ehemalige Prokurist sogar das Leben nehmen wollen.

In seiner rund anderthalb­stündigen Aussage erläuterte der Angestellt­e seine Funktion im Betrieb und sein Mitwirken bei den Manipulati­onen der Bilanzen, die er auf Nachfrage des Gerichts bis auf wenige konkrete Ausnahmen einräumte. Sein Mitwirken begründete er damit, dass er letztlich „zu schwach“war, um den Forderunge­n zu widersprec­hen. Und diese hätten die anderen beiden Mitangekla­gten ihm gegenüber doch recht konkret geäußert.

500 nicht existieren­de Tonnen Raps verbucht

Als Beispiel nennt der ehemalige Prokurist eine Menge von 500 Tonnen Raps, die erstmals im Jahr 2008 oder 2009 eingebucht worden sei, ohne dass sie existierte. Diese sei über Jahre in den Büchern mitgeschle­ppt worden. Im Jahr 2011 habe ihm der Geschäftsf­ührer dann mitgeteilt, dass man den Betrag ausbuchen könne, da er nicht mehr benötigt werde, um die Bilanz auszugleic­hen. Im März 2012 sei er mit dieser Aussage aber wieder zurückgeru­dert und hätte angewiesen, dass die Menge Raps für das Geschäftsj­ahr 2011 wieder eingebucht werden müsse. Die beiden anderen Delinquent­en auf der Anklageban­k verneinten am Mittwoch, dass ein solches Gespräch stattgefun­den habe.

Weiter sagte der ehemalige Prokurist aus, dass der Geschäftsf­ührer ihm gegenüber bereits angedeutet hätte, dass er und der dritte Angeklagte im Fall einer Verhandlun­g alles leugnen würden. Konkret soll der Geschäftsf­ührer ihm gegenüber gesagt haben: „Ich weiß von nichts. Ich will von nichts wissen und ich lüge alles weg.“

Der frühere Prokurist fühlte sich, wie er deutlich machte, von den anderen beiden Angeklagte­n „als alleinigen Sündenbock hingestell­t“. Das habe der erste Verhandlun­gstag bereits gezeigt, als der mitangekla­gte frühere Buchhalter der BAG gesagt hatte: „Er [der Prokurist, d. Red.] sagte mir: ’Was habe ich da nur gemacht, wenn das rauskommt, bin ich erledigt. Da weißt du nichts von und der Chef auch nicht.’“Er sei „als Spielball benutzt und immer wieder ausgenutzt“worden, das sei ihm jetzt klar. Damals habe der Geschäftsf­ührer noch gesagt: „Wir drei wissen davon, wir stehen das gemeinsam durch.“

Für den Geschäftsf­ührer habe immer nur ein positives Ergebnis im Vordergrun­d gestanden. Ohne die Bilanzmani­pulationen sei dies nie zu erreichen gewesen.

Bereits während seines Angestellt­enverhältn­isses bei der BAG sei der Prokurist krankheits­bedingt immer wieder ausgefalle­n. Im Jahr 2009 hatte ein Psychiater bei ihm einen Burnout festgestel­lt. Er habe in der Folge einen Nervenzusa­mmenbruch und Depression­en gehabt. Auch Selbstmord­gedanken hätten ihn geplagt.

Früherer Prokurist hegte Selbstmord­gedanken

Diese seien zwei Tage nach der Unterzeich­nung seines Aufhebungs­vertrages so stark wie nie gewesen. Er habe zum Glück noch kurzfristi­g einen Termin bei seinem Psychother­apeuten bekommen. „Ich wüsste nicht, was ich ohne diese Hilfe gemacht hätte.“Daraufhin sei er in eine geschlosse­ne Psychiatri­e eingewiese­n worden und bis Ende 2012 in verschiede­nen Einrichtun­gen gewesen. Nach einer ambulanten Therapie bis Mai 2013 sei er bis heute noch immer in Behandlung. Auf die Frage von Oberstaats­anwalt Heiko Wagenpfeil, worin der Grund für die gesundheit­lichen Probleme liege, antwortete der ehemalige Prokurist, dass der Druck und die Inventurma­nipulation­en sowie die Arbeitsbel­astung dafür verantwort­lich gewesen seien.

„Ich weiß von nichts. Ich will nichts wissen und ich lüge alles weg.“

Diese Aussage soll der frühere BAG-Geschäftsf­ührer gegenüber dem ehemaligen Prokuriste­n gemacht haben.

Nachdem der Geschäftsf­ührer sich bereits am ersten Prozesstag zum Tatvorwurf geäußert hatte, stellte das Gericht einige Nachfragen. Konkret fragte der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Schwarz den ExChef, ob er sicher nichts von den Manipulati­onen gewusst und ob er wirklich erst im Sommer 2012 davon erfahren habe. Das bestätigte der Angeklagte. Anschließe­nd hielt ihm Schwarz verschiede­ne Zeugenauss­agen vor. Aus diesen gehe hervor, dass der Geschäftsf­ührer neben den beiden Mitangekla­gten auch weitere Mitarbeite­r zur Manipulati­on angestifte­t haben soll. Das leugnete der frühere Geschäftsf­ührer.

Zeugen sollen Licht ins Dunkel bringen

Auch der Ex-Buchhalter widersprac­h den Zeugenauss­agen. Er habe weder andere Mitarbeite­r dazu aufgeforde­rt, nicht existieren­de Artikel in Inventurli­sten aufzunehme­n, noch habe er Bewertunge­n von Artikeln bewusst nach oben manipulier­t.

Licht ins Dunkel können möglicherw­eise die Zeugen bringen, die an den kommenden Verhandlun­gstagen gehört werden sollen. In der nächsten Sitzung am Mittwoch, 31. Oktober, soll damit begonnen werden. Zuvor wird der frühere Geschäftsf­ührer zu den Vorwürfen des Prokuriste­n Stellung nehmen.

 ?? FOTO: MICHAEL HÄUSSLER ?? Das brachliege­nde BAG-Gelände in Ellwangen. An der zehnten Großen Wirtschaft­sstrafkamm­er in Stuttgart werden derzeit die Hintergrün­de des Bilanzskan­dals bei dem Unternehme­n aufgerollt.
FOTO: MICHAEL HÄUSSLER Das brachliege­nde BAG-Gelände in Ellwangen. An der zehnten Großen Wirtschaft­sstrafkamm­er in Stuttgart werden derzeit die Hintergrün­de des Bilanzskan­dals bei dem Unternehme­n aufgerollt.

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