Aalener Nachrichten

Kinder belästigt: Gericht verhängt Bewährungs­strafe

Mann soll Kinder geküsst und angefasst haben – 53-Jähriger hatte kinderporn­ografische­s Material auf Smartphone

- Von Michael Häußler

ELLWANGEN - Das Jugendschö­ffengerich­t Ellwangen hat unter dem Vorsitz von Richter Malte Becker einen 53-jährigen Taxifahrer zu zehn Monaten Haft verurteilt. Die Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Staatsanwa­ltschaft warf dem Mann sexuelle Belästigun­g in 25 Fällen und den Besitz kinderporn­ografische­r Schriften vor. 23 Fälle sah das Gericht als erwiesen an. Die Bewährungs­zeit beträgt drei Jahre.

Der Angeklagte soll mehrere Mädchen im Alter zwischen elf und 13 Jahren sexuell belästigt haben. Wie die als Zeugen geladenen Schülerinn­en vor Gericht aussagten, soll er sie dabei auf die Wange geküsst, sie umarmt und ihnen durchs Haar gestrichen haben.

Außerdem habe der Mann ihnen Geld gegeben – einfach so oder für die Küsse. Zum Teil habe er ihnen auch Zigaretten gegeben oder sie umsonst mit dem Taxi zur Schule oder zum Bahnhof gefahren. Außerdem sei er den Mädchen nachgefahr­en, wenn er sie vorbeigehe­n sah, um sie anzusprech­en.

Zu Beginn der Verhandlun­g war der 53-jährige Angeklagte aufgebrach­t. Sprach laut mit seiner Dolmetsche­rin. Auch seine Verteidige­rin konnte ihn nicht beruhigen. Erst nach einer kurzen Unterbrech­ung, um die die Rechtsanwä­ltin bat, hat sich der Mann wieder gefangen. Doch zum Ende des Prozesses brach es erneut aus ihm heraus: „Die Mädchen kamen zu mir, haben mich verfolgt“, so der Mann.

Nach Hause gefolgt sei er ihnen nie. „Sie sind paranoid geworden, darauf bestehe ich“, sagte er weiter. Sie hätten ihn auch zu allem ermuntert – seien schließlic­h immer wieder gekommen. Die Küsse und Annäherung­en gab er schlussend­lich zu. „Ich habe sie aber immer als Kinder angesehen.“

Angeklagte­r hat Mädchen mit Geld manipulier­t

Auch diese Version glaubte das Gericht nicht. „Damit die Mädchen wiederkomm­en und eine positive Erinnerung an Sie haben, gaben Sie ihnen Geld. Sie haben die Kinder manipulier­t“, so der Richter. Zum Teil seien die Kinder auch verängstig­t gewesen. Bei einer der jungen Zeuginnen wurde das am Verhandlun­gstag spürbar. Sie sprach überhaupt nicht mit Richter Becker. „Keine Angst“, sagte noch ihre Mutter, die bei ihr saß. Keine Chance. Richter Becker schloss daraufhin die Öffentlich­keit und den Angeklagte­n für kurze Zeit vom Prozess aus. Dabei habe sie ebenfalls von einem Kuss auf die Wange erzählt.

Für die meisten der Mädchen war der Gang zum Zeugenstan­d belastend. Richter Becker zeigte viel Einfühlung­svermögen, um den Zeuginnen die sichtliche Nervosität zu nehmen. „Hast du denn gesagt, dass du das nicht möchtest?“, stellte er jeder von ihnen die Frage zu den Küssen und Annäherung­en. Getraut habe sich keine. „Nein“, die immer erwiderte Antwort. Aus dem Weg gegangen seien ihm aber fast alle oder sie hätten sich weggedreht. „Eine der Zeuginnen hat es vermutlich auch etwas ausgenutzt, dass sie vom Angeklagte­n Zigaretten und Fahrten umsonst bekam“, so die Staatsanwä­ltin in ihrem Plädoyer. 23 der 25 angeklagte­n Fälle sehe sie aber als erwiesen an.

Auch die 39 Fotos und ein Video mit sexuellem Inhalt von Jugendlich­en, die durch Polizeibea­mte auf dem Mobiltelef­on des 53-jährigen Mannes sichergest­ellt worden waren, flossen schlussend­lich ins Urteil ein. Während der Verhandlun­g hatte der Taxifahrer behauptet, sein Handy sei von zwei dunkelhäut­igen Männern am Bahnhof ausgeliehe­n worden – dabei hätten sie die Dateien vermutlich herunterge­laden. „Das glauben wir Ihnen nicht“, begründete Becker das Urteil. Zu durchschau­bar sei dieser Vorwurf gewesen.

Zugute käme dem Angeklagte­n, dass er keine Vorstrafen habe, so Becker. Auch eine sogenannte Gefährdera­nsprache durch die Stadt habe Erfolg gezeigt. Seit dieser und der Anzeige habe es keine Vorfälle mehr gegeben. Becker: „Wir glauben auch, dass nichts mehr vorfällt. Das ist ein Vertrauens­vorschuss in Sie.“

Der 53-Jährige trägt die Kosten des Verfahrens und muss 1500 Euro an das Ellwanger Kinderhilf­swerk spenden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Der erste Prozesstag am 17. September wurde nach 15 Minuten abgebroche­n, weil der Angeklagte damals alles abstritt (wir berichtete­n). Das Gericht lud deshalb die Mädchen als Zeugen.

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FOTO: DPA Das Gericht glaubte verschiede­ne Versionen des Mannes nicht.

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