Bürokratie schreckt junge Mediziner ab
Immer mehr Vorschriften machen eine eigene Praxis für junge Ärzte immer weniger attraktiv
ELLWANGEN (an) - Die zunehmende Reglementierung ist aus Sicht der Ellwanger Ärzteschaft mit ein Grund für den Ärztemangel auf dem Land. Immer mehr Bürokratie von seiten der Politik können jungen Medizinern die Motivation nehmen, sich mit selbstständig zu machen.
ELLWANGEN - Die zunehmende Reglementierung ist aus Sicht der Ellwanger Ärzteschaft mit ein Grund für den Ärztemangel auf dem Land. Immer mehr Bestimmungen und Bürokratie von seiten der Politik können jungen Medizinern die Motivation nehmen, sich mit einer eigenen Praxis selbstständig zu machen. Beispiele dafür seien die neue Datenschutzverordnung sowie das geplante Terminservice- und Versorgungsgesetz.
Auf die Datenschutzgrundverordnung sind die Sprecher der Ellwanger Ärzteschaft, der Orthopäde Dr. Walter Hauf und der Gynäkologe Dr. Sebastian Hock, nicht gut zu sprechen. Die Verordnung gilt seit Mai. Und sie hat in beiden Praxen viel Arbeit und Zeit gekostet. „Wir mussten in der Praxis eine Datenschutzbeauftragte ernennen“, sagt Sebastian Hock: „Die muss sich fortbilden, sie muss die ganzen Datenschutzbestimmungen – auch in schriftlicher Form – für die Praxis umsetzen.“Zudem werde ein externer Datenschutzbeauftragter benötigt, „und das alles auf unsere Kosten. Die Zusatzkosten, die hier generiert werden, gehen von unserem Einkommen ab.“
Sein Kollege Walter Hauf ergänzt: Bereits vor der Einführung der Verordnung sei der Patientendatenschutz ein wichtiges Thema für die Ärzte gewesen sei – schon allein wegen der ärztlichen Schweigepflicht. Was sich jetzt geändert habe: „Die Patienten müssen alle wieder neue Formulare unterschreiben.“Das sei für die Patienten ärgerlich. Für das Personal in der Praxis erhöhe sich dadurch der Arbeitsaufwand, der zulasten der Versorgung der Patienten gehe. „In der Summe geht am Tag dafür mindestens eine halbe Stunde, wenn nicht gar eine Stunde drauf.“Hauf findet es bedauerlich, wenn angesichts der ohnehin knappen Patiententermine Bestimmungen erlassen werden, die zusätzlich viel Zeit kosten.
Überweisung zum Facharzt wird komplizierter
Die Datenschutzverordnung verkompliziere darüber hinaus einen eigentlich alltäglichen Vorgang, nämlich die Überweisung vom Hausarzt zum Facharzt, weiß Sebastian Hock: „Vorher war das selbstverständlich: In dem Moment, in dem ich eine Überweisung bekomme, erhält der überweisende Arzt automatisch die Rückmeldung. Das war eine allgemeine Übereinkunft. Wegen der Datenschutzverordnung müssen Sie als Patient – obwohl Sie im Auftrag Ihres Hausarztes zu mir kommen, mit dem Zettel in der Hand – unterschreiben, dass ich ihm auch wirklich ein Briefchen schreiben darf.“Für den Ellwanger Gynäkologen ist das „Bürokratie hoch zehn“.
Zudem gebe es eine gewisse Unsicherheit, wie streng die Vorschriften ausgelegt und kontrolliert werden. Zum Beispiel, ob das Formular jedes Mal von neuem ausgefüllt werden müsse, wenn ein Patient die Praxis betrete. „Das macht es schwierig, das ist auch ein großer Zeitaufwand, der die Medizin nicht besser macht“, erklären Hauf und Hock unisono.
Kritik an Pflicht zu offener Sprechstunde
Auch das geplante Terminserviceund Versorgungsgesetz, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Weg gebracht hat, sehen die Ellwanger Ärzte mit Skepsis. Das Gesetz soll dazu führen, dass Patienten mit gesetzlicher Krankenversicherung schneller einen Arzttermin bekommen. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass bestimmte Fachärzte pro Woche fünf Stunden als sogenannte offene Sprechstunde anbieten müssen. Das bedeutet, dass die Patienten kommen können, ohne dass sie vorher einen Termin vereinbart haben. Das soll unter anderem für Frauenärzte und HNO-Ärzte gelten. „Offene Sprechstunde heißt: Ohne Terminvergabe muss ich mich fünf Stunden hinsetzen und schauen: Kommt jemand? Kommt niemand? Kommen viele? Die müssen dann eventuell stundenlang warten.“Hock ist überzeugt, dass diese Vorgabe die Versorgung verschlechtern wird. Denn es gebe immer mehr Mediziner, die das nicht machen wollen.
Walter Hauf glaubt ebenfalls, dass das Ziel, mehr Arzttermine für die Patienten zu bekommen, mit solchen Gesetzen nicht zu erreichen sei. Mehr noch – immer mehr Reglementierungen würden letztlich dazu führen, dass sich immer weniger Mediziner für eine eigene Praxis entscheiden: „Denn wer sich selbstständig macht, will ja gerade aus dem überreglementierten Angestelltenverhältnis raus und will selbstständige Entscheidungen treffen dürfen“, sagt Hauf. Wenn das politisch konterkariert werde, sei das der falsche Weg.
Das alles sei jungen Medizinern durchaus bewusst. Sie würden sich fragen, warum sie sich die Selbstständigkeit noch antun sollten, wenn sie keine echte Freiheit mehr im Beruf hätten. Sebastian Hock plädiert deshalb dafür, dass sich die Region, die Kliniken und die niedergelassenen Ärzte zusammensetzen sollten und Lösungen für eine verwaltungsärmere Praxis erarbeiten sollten. Eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema befassen soll, sei in Vorberei-