Zeugen widersprechen früheren Aussagen
Vierter Tag im BAG-Prozess: Der ehemalige Vorstand und der ehemalige Aufsichtsratschef haben ausgesagt
ELLWANGEN / STUTTGART - Am vierten Prozesstag um die Bilanzfälschungen bei der früheren BAG Ellwangen haben zwei Zeugen ihren früheren Aussagen zum Teil massiv widersprochen. Der ehemalige Vorstand, der dieses Amt seit 1998 bekleidet hatte, und der frühere Aufsichtsratsvorsitzende, der 1997 in diese Position gewählt wurde, haben vor dem Stuttgarter Landgericht ausgesagt. Gegen beide Zeugen ist seinerzeit ermittelt worden, beide Verfahren sind aber im Frühjahr 2013 eingestellt worden.
Beide Zeugen wollen erst nach der Generalversammlung am 12. Juni 2012 von Unstimmigkeiten beziehungsweise Manipulationen bei der BAG Ellwangen erfahren haben. Laut dem ehemaligen Vorstand sei einer der Verbandsprüfer nach der Sitzung auf ihn und andere Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats zugekommen. Er habe erzählt, dass 200 Tonnen Raps fehlen würden. Dem habe er nachgehen und die Fehlmenge aufdecken wollen. Wenig später sei von immer größeren Differenzen und weiteren Getreidesorten, zum Beispiel bei Weizen, die Rede gewesen. Der frühere Aufsichtsratsvorsitzende bestätigte diese Aussage im Grundsatz. Nur über die genaue Menge des Getreides habe er nicht mehr Bescheid gewusst.
Zeugen wollen nichts von Unstimmigkeiten gewusst haben
Daher sei eine Sonderprüfung veranlasst worden. Allerdings sei diese auf lose Ware wie Getreide oder Düngemittel beschränkt gewesen. Auf die Nachfrage des Gerichts, warum nur lose Ware überprüft wurde, sagten beide Zeugen, dass das vom Verband so vorgegeben worden sei. Damit widersprach besonders der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende einer Notiz, die von der Polizei gemacht wurde. Demnach waren beide Zeugen bei der Polizei gewesen, um beschlagnahmte Unterlagen abzuholen. Dort hatten beide berichtet, dass bei der Inventur für das Jahr 2012 ein deutlich höherer Schaden festgestellt worden war.
Beide Zeugen hatten gegenüber der Polizei ihren Unmut darüber geäußert, dass bei der Sonderprüfung nur die lose Ware kontrolliert wurde, sie hatten eine gesamte Überprüfung der Bestände gewollt. Nach den Notizen der Polizei habe aber der ehemalige Geschäftsführer und heutige Hauptangeklagte „darauf gepocht“, nur lose Ware zu prüfen. So zumindest hatte der frühere Aufsichtsratsvorsitzende damals ausgesagt. Dieser antwortete auf Nachfrage schließlich, dass über eine gesamte Überprüfung diskutiert worden sei. Allerdings habe der Geschäftsführer gesagt: „Es würde genügen, die lose Ware zur prüfen.“Denn bei Sackware würde es schnell auffallen, wenn etwas fehle.
Anschließend wollte das Gericht von beiden Zeugen wissen, ob es abgesehen von den Manipulationen, die in den Jahren 2010 und 2011 vorgenommen wurden, weitere Hinweise auf Unstimmigkeiten gab. Beide berichteten von einem Gespräch mit einem Mitarbeiter, der in einem Raiffeisenmarkt angestellt war. Der ehemalige Vorstand sagte aus, der Mann habe sich „über die Geschäftsführung beklagt, wie diese mit den Mitarbeitern umgegangen“sei. Es habe sich so angehört, als ob jemand nachtreten wollte, der das Geschäft verlassen hatte.
Markt-Mitarbeiter sprach von „Kartenhaus der Manipulationen“
Der Vorsitzende Richter Wolfgang Schwarz las dem Zeugen die Aussage des besagten Mitarbeiters vor. Demnach hätte der Mann gekündigt, weil seine Sorge zu groß gewesen sei, dass das „Kartenhaus der Manipulationen“irgendwann in sich zusammenfalle. Darauf sagte der Ex-Vorstand, dass das Wort „Manipulation“ in dem Gespräch nie gefallen sei.
Eine ähnliche Aussage traf auch der Ex-Aufsichtsratschef. Allerdings widersprach er sich massiv selbst. In seiner polizeilichen Vernehmung hatte er angegeben, dass der Mitarbeiter explizit von „Manipulationen“gesprochen habe. In der Verhandlung sagte er dagegen, der Mitarbeiter habe sich nur beschwert, dass zu viel Ware im Haus sei, die er nicht abverkaufen könnte. Einig waren sich die Zeugen darin, dass man nach dem Gespräch den Geschäftsführer kontaktiert habe. Der habe jedoch knapp versichert, dass alles in Ordnung sei.
Der ehemalige Geschäftsführer sei aber „immer kurz angebunden, wenn man ihn kritisieren wollte“, sagte der ehemalige Vorstand. Auf Nachfrage des Oberstaatsanwalts Heiko Wagenpfeil antwortete er, dass der ehemalige Geschäftsführer ein sehr selbstsicheres Auftreten hatte und sich nur ungern in seine Arbeit reinreden ließ. Er sei wahrscheinlich auch gegenüber seinen Mitarbeitern so gewesen. Das sei allerdings nur eine Vermutung. Er selbst sei niemals Zeuge eines derartigen Vorfalls geworden.
Der ehemalige Vorstand und ehemalige Aufischtsratsvorsitzende wurden am Mittwoch noch nicht als Zeugen entlassen. Erst soll noch die Aussage des ehemaligen Mitarbeiters im Raiffeisenmarkt abgewartet werden. Gegebenenfalls müssen beide Männer danach nochmal vor Gericht erscheinen und aussagen.