Statistisch alle 348 Jahre eine Kontrolle
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten rügt lasche Arbeitszeit-Überwachung auch auf der Ostalb
AALEN (an) - Tricksereien bei der Arbeitszeit würden fast nie geahndet: Die rund 7500 Betriebe im Ostalbkreis müssten nur äußerst selten mit einer Arbeitszeit-Kontrolle der Behörden rechnen. Das kritisiert die Gewerkschaft Nahrung-GenussGaststätten (NGG). Nach ihren Angaben führte die Gewerbeaufsicht Baden-Württemberg im vergangenen Jahr lediglich 819 Kontrollen zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes durch. Dabei deckten die Beamten 111 Verstöße auf.
Im Vergleich zum Vorjahr ging die Zahl der Prüfungen sogar nochmals um 24 Prozent zurück. Dies ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linken, Susanne Ferschl. Das Schreiben liegt der Gewerkschaft vor.
„Zahlen sind schockierend“
Rein rechnerisch werde ein Betrieb in Baden-Württemberg demnach nur alle 348 Jahre kontrolliert, kritisiert NGG-Geschäftsführerin Karin Brugger: „Die Zahlen sind schockierend. Das Arbeitszeitgesetz ist eines der wichtigsten Schutzgesetze, das die Beschäftigten haben.“Es könne nicht sein, dass die Behörden ihre Kontrollen „ausgerechnet in einer Zeit zurückfahren, in der Nacht-, Schichtund Wochenendarbeit immer stärker zunehmen“, so die NGG Ulm-Aalen-Göppingen.
Ohne eine echte Kontrolle drohe das Arbeitszeitgesetz zu einem bloßen „Papiertiger“zu werden. Das sei gerade auch mit Blick auf die Digitalisierung ein großes Problem. „Viele Beschäftigte im Ostalbkreis müssen immer flexibler arbeiten und teils ständig für den Chef erreichbar sein. Da ist es umso wichtiger, dass sie auch mal Luft holen können“, sagt Brugger. Nicht ohne Grund schreibe das Arbeitszeitgesetz eine Ruhezeit von elf Stunden zwischen Ende und Anfang der Arbeit vor.
Es geht um die Gesundheit
Letztlich gehe es dabei um die Gesundheit der Menschen. Laut Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) steigt das Unfallrisiko nach der achten Arbeitsstunde exponentiell an. Wer regelmäßig nachts oder im Schichtdienst arbeitet, hat danach auch ein erhöhtes Risiko, am Herzen oder an Diabetes zu erkranken. Aktuell arbeitet bereits jeder Neunte länger als 48 Stunden in der Woche, so das Statistische Bundesamt.
Einer Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes, wie sie etwa der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) fordert, erteilt Karin Brugger eine klare Absage. „Flexible Lösungen, die für die Betriebe und die Beschäftigten passen, lassen sich per Tarifvertrag vereinbaren“, so die Gewerkschafterin. In Branchen wie dem Gastgewerbe und der Ernährungsindustrie hätten sich etwa Arbeitszeitkonten bewährt.
„Statt Änderungen am Arbeitszeitgesetz brauchen wir mehr Kontrollen, damit es auch eingehalten wird“, fordert Brugger. Dafür müsse das Personal bei den Arbeitsschutzbehörden massiv aufgestockt werden. Nach Angaben der Bundesregierung waren in ganz Baden-Württemberg zuletzt nur 544 Beamte für die Kontrolle der Arbeitszeiten zuständig – bei 285 000 Betrieben.