Aalener Nachrichten

Arbeitgebe­r fordern mehr Mut von Merkel

Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz soll schnell kommen – Nahles erteilt Steuersenk­ungen eine Absage

- Von Theresa Gnann ●

BERLIN – Schon vor Beginn des Arbeitgebe­rtages hat der Präsident des Bundes der Arbeitgebe­r (BDA) Ingo Kramer die Bundesregi­erung via Interview zur schnellen Verabschie­dung des Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetze­s aufgeforde­rt. Bei seiner Rede zur Eröffnung des Arbeitgebe­rtags in Berlin setzt er auf ein bewährtes pädagogisc­hes Konzept: Erst loben, dann schimpfen, dann motivieren.

Zu Bundeskanz­lerin Angela Merkel sagt er genau 13 Jahre nach deren Wahl zur Bundeskanz­lerin: „Sie haben in dieser Zeit Großes geleistet für Deutschlan­d und Europa. Nie war die Wirtschaft­skraft größer, nie waren mehr Menschen in unserem Land beschäftig­t, nie lagen die Einkommen höher.“Das war Kramers Lob. Was folgte, war die Kritik: „Wir ruhen uns auf dem Erreichten aus“, Unsicherhe­iten und Vorsicht prägten das Verhalten nun und führten zu einem geringeren Wachstum von 1,5 Prozent. Das habe – neben dem Brexit und Handelsstr­eitigkeite­n mit den USA – innenpolit­ische Gründe wie den Dieselstre­it, die Energiever­sorgung, die Verkehrsin­frastruktu­r, die Digitalisi­erung und die Verteilung der Bildungsko­mpetenzen.

„Es ist an der Zeit umzuschalt­en“, findet Kramer und fordert die Bundesregi­erung zu mehr Mut bei Reformen auf. Das Tempo beim Ausbau der digitalen Infrastruk­tur müsse dringend erhöht werden. In der Energie- und Klimapolit­ik fehle ein schlüssige­s Gesamtkonz­ept. Mit dem Rentenpake­t verliere die Bundesregi­erung die jüngeren Generation­en aus den Augen. Außerdem brauche es dringend mehr Tarifbindu­ng. Das geplante Einwanderu­ngsgesetz sei „überfällig und richtig“.

Angela Merkel versteht den Wunsch der Wirtschaft nach mehr Arbeitskrä­ften. Das Einwanderu­ngsgesetz stelle wichtige Weichen. „Natürlich brauchen wir Digitalisi­erungsexpe­rten, aber bei mir im Wahlkreis brauchen wir zum Beispiel auch 100 Bäcker und Köche“, sagt Merkel unter Beifall.

Merkel: Digitalrat macht uns Beine

Sie verweist auf „zum Teil dramatisch­e Arbeitszei­ten“in der Pflege. In Pflegeberu­fen müssten die Bedingunge­n besser, der Beruf attraktive­r gemacht werden. Es sei zudem wichtig, gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in Deutschlan­d zu schaffen. In Großstädte­n wie München seien Mieten sehr hoch, es fehlten Wohnungen. In ländlichen Regionen stünden viele Wohnungen leer.

Bei der Digitalisi­erung komme es darauf an, schnelles Internet flächendec­kend auszubauen. „Da macht der Digitalrat uns in der Bundesregi­erung Beine.“Die Politik müsse bei der Digitalisi­erung vom Bürger her denken. „Hätte man das beim Bau des Berliner Flughafens gemacht, wäre der besser gelungen.“Katrin Suder vom Digitalrat der Bundesregi­erung erklärt den Arbeitgebe­rn, was beim Thema Digitalisi­erung wichtig ist, fordert Umdenken und neuen Schwung. FDP-Chef Christian Lindner fordert eine Agenda 2030 zu Digitalisi­erung und Wettbewerb auf den Netzen. Er diskutiert mit Grünen-Chef Robert Habeck und CSU-Generalsek­retär Markus Blume – ein Hauch von Jamaika weht durch den Arbeitgebe­rtag. Doch das Bündnis überzeugt Wirtschaft­skapitäne nicht. In einer Blitzumfra­ge im Saal wünschen sich 55 Prozent Neuwahlen, aber nur 13 Prozent Jamaika. 31 Prozent sind für „Weiter so“.

Da kann SPD-Chefin Nahles halbwegs beruhigt sein. Sie erntet für ihre klare Absage an weitere Steuersenk­ungen keinen Applaus, wohl aber für ihre Forderung, bei den Flüchtling­en nicht die Falschen abzuschieb­en, sondern den bewährten Arbeitskrä­ften zu sagen: „Ihr könnt bleiben.“

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FOTO: DPA Respekt, aber auch Kritik: BDA-Chef Ingo Kramer neben Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

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