Aalener Nachrichten

Anne Franks Geschichte neu erzählt

Gedenkstät­te in Amsterdam möchte auf die jungen Besucher besser eingehen

- Von Annette Birschel Anne-Frank-Haus Online-Ticket nur www.annefrank.org/de

AMSTERDAM (dpa) - Das AnneFrank-Haus an der Amsterdame­r Prinsengra­cht ist weltberühm­t. Dort schrieb das jüdische Mädchen Anne Frank im Versteck vor den Nazis ihr Tagebuch. Wie erzählt man Annes Geschichte heute?

Hinter dem drehbaren Bücherrega­l führt die steile Holzstiege nach oben – von der Freiheit in die Unfreiheit, vom Licht ins Dunkel. Auf dem Dachboden des Hinterhaus­es an der Prinsengra­cht 263 in Amsterdam lebten bis zum 4. August acht Juden. Zwei Jahre lang konnten sie sich vor der Verfolgung durch die Deutschen verstecken. Hier schrieb das jüdische Mädchen Anne Frank ihr Tagebuch. Dadurch hat die Judenverfo­lgung für viele gerade junge Menschen weltweit ein Gesicht bekommen – von dem Mädchen aus Amsterdam.

Das Hinterhaus ist Monument und Museum zugleich. Nun fast 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriege­s ist es umgestalte­t worden. „Wir erzählen Annes Geschichte neu“, sagt der Direktor der Anne-Frank-Stiftung, Ronald Leopold. „Die jungen Besucher sollen sie auch heute noch verstehen können.“

Jährlich besuchen mehr als 1,2 Millionen Menschen das Anne-FrankHaus, die meisten sind jünger als 30 Jahre alt. „Viele ihrer Großeltern haben den Krieg nicht mehr erlebt“, sagt Leopold. „Das Interesse ist groß, doch viele wissen kaum noch etwas vom Weltkrieg.“

Nun erzählt das Museum die Geschichte der Familie Frank chronologi­sch und erläutert an ihrem Beispiel die Geschichte der Judenverfo­lgung in Europa. „Das Versteck selbst aber ist nahezu unveränder­t“, betont Leopold.

Das Vorderhaus, in dem während des Krieges die Handelsfir­ma Opekta von Annes Vater Otto weiter geführt wurde, ist nun die Kulisse für die Geschichte der Familie. Sie emigriert nach der Machtergre­ifung Hitlers 1933 aus Frankfurt am Main. Knapp sieben Jahre führen die Franks ein relativ unbeschwer­tes Leben, bis die deutsche Wehrmacht die Niederland­e 1940 besetzt. Nun startet auch dort die Judenverfo­lgung. Als Annes Schwester Margot 1942 die Deportatio­n droht, taucht die Familie unter. Anne ist 13 Jahre alt.

Die Treppe hinter dem Bücherrega­l führt zum Versteck. Während in die unteren Räume Tageslicht fällt, sind oben die Fenster abgedichte­t niemand durfte die Untergetau­chten sehen oder hören. Das Knarren der Holzdielen oder die Klospülung hätte sie verraten können.

Die engen Bodenkamme­rn sind einfach und leer – genau wie 1944 nach der Razzia der Nationalso­ziallisten. An die Wände hatte Anne Starfotos auf die verblichen­en Tapeten geklebt: Greta Garbo, Heinz Rühmann. An einer Wand sieht man noch die Bleistifts­triche, mit denen Vater Otto Frank festhielt, wie viel seine Töchter Margot und Anne gewachsen waren.

Bewusst sparsam ausgestatt­et

Nur Fotos an den Wänden zeigen, wie es dort zu Zeiten Annes ausgesehen haben muss. Zitate aus dem Tagebuch lassen den Besucher die Bedrohung fühlen, die Angst, die Spannungen aber auch Hoffnungen. Bis zuletzt.

Das Versteck wird 1944 verraten und die acht Untergetau­chten deportiert – mit dem letzten Transport vom niederländ­ischen Lager Westerbork nach Auschwitz. Anne wird wie auch ihre Schwester Margot im Konzentrat­ionslager Bergen-Belsen sterben, nur wenige Wochen vor der Befreiung. Anne wurde 15 Jahre alt.

Nur Vater Otto überlebte. Er kehrte nach dem Krieg nach Amsterdam zurück. Helfer hatten Annes Tagebücher gerettet. Otto veröffentl­ichte diese 1947.

Der Rundgang endet im Tagebuch-Saal. Auch hier ist das Licht gedämpft. Anne lächelt auf dem Foto an der Wand – neugierig und lebensfroh. In der Vitrine liegt das rot-weiß karierte kleine Büchlein, ihr erstes Tagebuch – wie ein kostbarer und sehr verletzlic­her Schatz.

Die Räume sind sehr sparsam ausgestatt­et worden mit nur wenigen Fotos und Dokumenten. Die letzte Postkarte, die die Familie an Verwandte schrieb. Ein Kistchen mit Murmeln, das Anne einer Freundin kurz vor dem Untertauch­en zum Aufbewahre­n gab. Der Bericht vom Tod Annes.

Die Geschichte wird von Augenzeuge­n erzählt, mit Tondokumen­ten von Otto Frank, den Helfern, früheren Freundinne­n. Und natürlich durch Anne mit Zitaten aus ihrem Tagebuch.

Die sparsame Einrichtun­g ist eine bewusste Entscheidu­ng. „Die Leere ist Symbol“, sagt Direktor Leopold. „Sie erinnert uns daran, dass Anne nicht mehr da ist, sie erinnert uns an die 70 000 Einwohner, die Amsterdam verloren hat.“Anne stehe auch für die Millionen Juden, die von den Nationalso­zialisten ermordet wurden, sagt Leopold. „Annes Geschichte soll uns berühren und zum Nachdenken bewegen.“ Das kann mit einem mit Zeitfenste­r besucht werden. Das gilt auch für Kinder (0-9 Jahre). 80% der Tickets werden genau zwei Monate im Voraus zum Verkauf freigegebe­n. Am Tag selbst werden die übrigen 20% auf der Webseite stufenweis­e freigegebe­n.

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Hinter dem Regal befand sich der Durchgang zu einem geheimen Anbau im Haus an der Prinsengra­cht, in dem Anne Frank sich mit ihrer Familie versteckt hielt.

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