Aalener Nachrichten

Reine Mordlust

Nach Tod von 14-jähriger Keira wird 15-Jähriger zu neun Jahren Haft verurteilt

- Von Anne Baum und Jutta Schütz

BERLIN (dpa) - Die Mutter der erstochene­n Keira zeigt sich äußerst gefasst und konzentrie­rt im Berliner Landgerich­t. Der Mörder der 14-Jährigen muss für neun Jahre ins Gefängnis. „Niemand und nichts kann mir meine Tochter zurückbrin­gen“, sagt Karin G. am Donnerstag nach dem Urteil gegen den einstigen Mitschüler, der nur ein Jahr älter war als ihr einziges Kind.

Genugtuung nach dem Schuldspru­ch spüre sie nicht. „Ich fand meine Tochter geknebelt und blutüberst­römt vor der Couch, da sind neun Jahre nicht ausreichen­d.“Gleichzeit­ig spricht Karin G. von einem guten Urteil. Viel mehr sei nach Jugendstra­frecht nicht möglich gewesen.

Besonders erschütter­nd: „Aus reiner Mordlust“, heißt es im Urteil, habe der Jugendlich­e mit einem mitgebrach­ten Küchenmess­er zugestoche­n. Ebenso schwer zu ertragen muss es für die 41-jährige Karin G. auch gewesen sein, im Gerichtssa­al zu sehen, wie die Mutter des Angeklagte­n immer wieder die Hand ihres Kindes hielt. Weil dieser noch so jung ist, wurde hinter verschloss­enen Türen ohne Öffentlich­keit verhandelt.

Zu Hausaufgab­en verabredet

Es war eine Tat, die bundesweit Entsetzen und Fassungslo­sigkeit auslöste. In Keiras Wohnung stach der Mitschüler am 7. März laut Urteil 23 mal zu. Sie kannte den Täter, sie gingen in dieselbe Schule und hatten sich wohl zu Hausaufgab­en verabredet. Im Prozess soll der deutsche Jugendlich­e gesagt haben, er sei plötzlich wie im Blutrausch gewesen.

Karin G. hatte ihre blutüberst­römte Tochter gefunden, als sie von der Arbeit kam. Ärzte schafften es nicht mehr, das Mädchen zu retten. Die Mutter hatte den Prozess als Nebenkläge­rin verfolgt, begleitet von Anwalt Roland Weber, der auch Berlins Opferbeauf­tragter ist.

Es ist selten, dass ein Jugendlich­er wegen Mordlust verurteilt wird. Eine Gerichtssp­recherin zitierte aus dem Urteil: „Es ist ihm nur darum gegangen, einen Menschen zu töten.“Der 15-Jährige habe die Tat kalkuliert und geplant. Er habe sehen wollen, ob er das Töten eines Menschen aushält. Mit Keira habe er leichtes Spiel gehabt, da sie in ihn verliebt gewesen sei. Die Behauptung des 15-Jährigen, das Mädchen habe die Tötung gewünscht, sei „eine reine Erfindung, eine Schutzbeha­uptung“gewesen, sagte die Sprecherin weiter zu dem Urteil.

Laut Anwalt Weber bedeutet Mordlust, aus Freude darüber zu töten, ein anderes Leben zu vernichten. Ihm zufolge nahm der Angeklagte das Urteil völlig regungslos auf – „es ist um ihn höchst bedenklich bestellt“. Der 15-Jährige habe sich zuletzt als Psychopath bezeichnet und seine Haare grün gefärbt. Mehr und mehr sei „Der Joker“(filmischer Gegenspiel­er von Batman und Inkarnatio­n des Bösen) sein Idol geworden.

Doch warum es letztlich zu der schrecklic­hen Tat kam, bleibt offen. Der Angeklagte hatte eine Untersuchu­ng durch eine Gerichtsps­ychiaterin verweigert. Im Prozess räumte er lediglich die Tötung ein.

Weder Hass noch Wut

In einem Gespräch vor Prozessbeg­inn hatte Karin G. in ihrer Wohnung gesagt, in ihrem Leben sei nichts mehr wie es war. Sie halte sich mit Erinnerung­en über Wasser. Nach dem Urteil sagte die Mutter am Donnerstag, sie empfinde weder Hass noch Wut. Dem 15-Jährigen seien in der Familie offensicht­lich nicht die richtigen Werte mit auf den Weg gegeben worden.

In Keiras Zimmer steht der Rucksack mit den Schlittsch­uhen noch so da, als würde sie gleich mit dem Fahrrad zum Eisschnell­lauf-Training starten. Auch der Helm liegt bereit. Keira trainierte beim Berliner TSC und war im Januar in ihrer Altersklas­se Berliner Meisterin über 1000 sowie 1500 Meter geworden.

Sie sei bei vielen Wettkämpfe­n mit dabei gewesen, hatte die Mutter der Deutschen Presse-Agentur erzählt. Beide seien zusammen verreist – Paris und Rom sollten die nächsten Ziele sein. „Keira hatte mindestens 20 beste Freunde. Sie kannte Hinz und Kunz mit ihrer positiven Ausstrahlu­ng, war beliebt an ihrer Schule, wo sie nur Koko genannt wurde.“Jeden Tag geht Karin G. zum Friedhof und schmückt das Urnengrab ihrer Tochter. Sie trägt Sachen von Keira und plant nichts für die Zukunft.

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FOTO: PAUL ZINKEN Ruhe in Frieden: Keira war im März 2018 erstochen worden.

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