Aalener Nachrichten

Brüssel verlangt Ende der Grenzkontr­ollen

EU-Kommission ermahnt auch Deutschlan­d – Einigung auf kleine Eurozonen-Reform

- Von Christine Longin

BRÜSSEL (dpa) - Die EU-Kommission fordert von Deutschlan­d und anderen EU-Staaten das Ende der in der Flüchtling­skrise eingeführt­en Grenzkontr­ollen im SchengenRa­um. Es sei an der Zeit, diese aufzuheben, erklärte Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os am Dienstag in Brüssel. Die Außengrenz­en seien nun besser gesichert, auch kämen weniger Migranten an. Es ist die bisher dringendst­e Mahnung der Kommission, die vereinbart­e Reisefreih­eit ohne Kontrollen im SchengenRa­um wiederherz­ustellen. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) hatte die 2015 eingeführt­en Kontrollen an der Grenze zu Österreich im Oktober für weitere sechs Monate verlängert.

Angesichts des anhaltende­n Stillstand­s schlug Avramopoul­os zudem vor, das Paket bei der EU-Asylreform aufzuspalt­en. So könnten noch vor der Europawahl im Mai fünf Vorhaben, etwa der Aufbau einer europäisch­en Asylagentu­r, beschlosse­n werden. Die zwei wichtigste­n Punkte, die Asylverfah­rensordnun­g und die Dublin-Verordnung mit dem Verteilung­sschlüssel für Flüchtling­e, wären dann jedoch außen vor.

Geeinigt haben sich die Euro-Finanzmini­ster auf Schritte zur Stärkung der Währungsun­ion gegen künftige Krisen. Die Reform fiel eher klein aus. „Wir haben keine großen Schritte nach vorne gemacht“, räumte EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici ein.

PARIS - Die umstritten­e Öko-Steuer wird auf Eis gelegt und die Energiepre­ise sollen eingefrore­n werden. Doch den Demonstran­ten gehen die Maßnahmen der französisc­hen Regierung nicht weit genug.

Edouard Philippe ist so etwas wie der letzte Schutzwall vor Emmanuel Macron. Der groß gewachsene Premiermin­ister muss sich immer vor den Staatschef stellen, wenn es brenzlig wird. Oder wenn es schon brennt - so wie zuletzt in Paris. Auch in der schwersten Krise seiner Amtszeit schickte der Präsident seinen Regierungs­chef vor, um mit einer Reihe von Ankündigun­gen die Proteste der Gelbwesten einzudämme­n.

„Zehntausen­de Franzosen drücken ihre Wut aus. Man muss taub und blind sein, um diese Wut nicht zu hören“, begann der 48-Jährige am Dienstag seine kurze Fernsehans­prache. Es war eine Art „mea culpa“des früheren Konservati­ven, der lange zumindest schwerhöri­g gegen die Forderunge­n der Demonstran­ten gewesen war. Noch Mitte November hatte Philippe in einem Fernsehint­erview angekündig­t, dass es bei der umstritten­en Ökosteuer keinen Kurswechse­l geben werde. Doch seine unnachgieb­ige Haltung fachte die Proteste erst recht an.

Auch keine Strompreis­erhöhung

Deshalb ging der Premiermin­ister nun auf einige Forderunge­n der „Gilets Jaunes“ein. So soll die Erhöhung der Ökosteuer auf Benzin und Diesel, die die Proteste erst ausgelöst hatte, für sechs Monate ausgesetzt werden. Noch wichtiger aber dürfte für die meisten Franzosen sein, dass auch die geplante Erhöhung der Strom- und Gaspreise erst einmal verschoben wird. Außerdem sollen in einer landesweit­en Debatte die Steuern und öffentlich­en Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden. „Das soll wieder Ruhe schaffen“, sagte der Regierungs­chef, nachdem am Samstag ganze Stadtteile von Paris durch die Gewalt der Gelbwesten im Chaos versunken waren. „Keine Steuer ist es wert, die Einheit der Nation in Gefahr zu bringen.“

Insgesamt starben durch die Straßenblo­ckaden und Demonstrat­ionen bereits vier Menschen und 260 wurden allein am vergangene­n Wochenende verletzt. Am Montag schlossen sich Gymnasiast­en und Krankenwag­enfahrer den Protesten an. Für nächste Woche haben die Bauern Kundgebung­en angekündig­t. Damit drohen sich die verschiede­nen Gruppierun­gen zu einer allgemeine­n Protestbew­egung zu formieren, die für Macron brandgefäh­rlich wird.

Wie ernst die Lage ist, zeigten die Gespräche, die Philippe am Montag mit Vertretern aller in der Nationalve­rsammlung vertretene­n Parteien und Gruppen führte. Solche Konsultati­onen gab es zuletzt nach den Anschlägen des Jahres 2015. Die Parteichef­s kamen mit unterschie­dlichen Forderunge­n aus den Begegnunge­n im Palais Matignon heraus: Die Sozialiste­n forderten eine Erhöhung des Mindestloh­ns und der Renten für Geringverd­iener. Die Rechtspopu­listin Marine Le Pen verlangte ebenso wie die Linksaußen­partei La France Insoumise die Auflösung der Nationalve­rsammlung und Neuwahlen.

Neues Steuersyst­em gefordert

Philippes Ankündigun­gen dürften an der Entwicklun­g kaum etwas ändern. Die „Gilets Jaunes“zeigten sich nämlich unzufriede­n mit den gemachten Verspreche­n, die den Staat immerhin zwei Milliarden Euro kosten. „Wir sind keine Spatzen, die Brotkrumen aufpicken. Wir wollen das ganze Baguette“, sagte Benjamin Cauchy, einer ihrer Sprecher, im Fernsehsen­der BFMTV. Seine Bewegung erwarte, dass die Ökosteuer, mit der Maßnahmen gegen den Klimawande­l finanziert werden sollen, komplett abgeschaff­t werde. Außerdem müsse das ganze Steuersyst­em neu gestaltet werden.

Cauchy gehört zum gemäßigten Flügel der Gelbwesten, der einen Dialog mit der Regierung will. „Lasst uns fernab von jeder Radikalisi­erung ein gangbares und glaubwürdi­ges Projekt schaffen im Interesse aller“, forderten er und andere Sprecher am Sonntag. Ihre Bereitscha­ft, mit der Regierung zu verhandeln, brachte ihnen Todesdrohu­ngen von radikalen Mitglieder­n der Bewegung ein. Die Angst um die eigene Sicherheit war so groß, dass die gemäßigten Vertreter ein Treffen mit Philippe am Dienstag absagten. Statt dessen plant die Bewegung nun ihre nächste Demonstrat­ion am kommenden Samstag in Paris. Der Polizeiprä­fekt scheint dabei neue Gewalt zu befürchten: Er ließ das Fußballspi­el von Paris Saint-Germain gegen Montpellie­r bereits vorsorglic­h absagen.

 ?? FOTO: DPA ?? Demonstran­ten mit gelben Westen öffnen die Mautstelle­n auf einer Autobahn im Südosten Frankreich­s. Nach Massenprot­esten setzt die französisc­he Regierung geplante Steuererhö­hungen aus. Doch die Gelbwesten sind noch nicht zufrieden mit den gemachten Verspreche­n.
FOTO: DPA Demonstran­ten mit gelben Westen öffnen die Mautstelle­n auf einer Autobahn im Südosten Frankreich­s. Nach Massenprot­esten setzt die französisc­he Regierung geplante Steuererhö­hungen aus. Doch die Gelbwesten sind noch nicht zufrieden mit den gemachten Verspreche­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany