Milliarden sind die neuen Millionen
Ein Text sollte eigentlich nie mit dem Wörtchen „früher“anfangen. Aber: Früher war nicht nur mehr Lametta, wie Loriot zur Weihnachtszeit bemerkte, früher war die Welt auch noch ein bisschen übersichtlicher – auch und gerade die Finanz- und Steuerwelt. Früher hat es gereicht, in den Nachrichtensendungen noch von Millionen zu sprechen. Die Milliarde war eine unvorstellbare Summe – auch vor dem Hintergrund, dass die Semmel fünf Pfennige gekostet hat und nicht 30 Cent.
Dieses als Inflation bekannte Phänomen bezieht sich aber nicht nur auf Waren und Dienstleistungen. Auch die Wahrnehmung von Reichtum ist inflationären Tendenzen unterworfen. Hat es früher noch gereicht, wenn einer ein halbes Dutzend Kühe sein Eigen nannte, um als wohlhabend zu gelten, ist heute gerade eine hohe Anzahl von Rindviechern in der Landwirtschaft ein Armutsrisiko.
In Eurobeträgen ausgedrückt, war früher, um dieses attraktive Wort noch einmal zu bemühen, der Millionär eine Kategorie fast märchenhaften Reichtums. Aktuell beeindruckt selbst in Euro gerechnet die Million kaum mehr jemanden, schon gar nicht die gehobene Mittelschicht, zu der ein gewisser Friedrich Merz gehört. Wer etwas auf sich hält, der sollte inzwischen schon eine Milliarde auf die Waage bringen, um in den Golfclubs dieses Landes noch zweifelsfrei zu zeigen, wo der finanzielle Hammer hängt. Die einzige Währung, die stabil geblieben ist und jeder Inflation zum Trotz ihren Wert behalten hat, ist der ebenso feste wie fragwürdige Glaube, dass Geld glücklich mache. (nyf )