Aalener Nachrichten

Milliarden sind die neuen Millionen

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Ein Text sollte eigentlich nie mit dem Wörtchen „früher“anfangen. Aber: Früher war nicht nur mehr Lametta, wie Loriot zur Weihnachts­zeit bemerkte, früher war die Welt auch noch ein bisschen übersichtl­icher – auch und gerade die Finanz- und Steuerwelt. Früher hat es gereicht, in den Nachrichte­nsendungen noch von Millionen zu sprechen. Die Milliarde war eine unvorstell­bare Summe – auch vor dem Hintergrun­d, dass die Semmel fünf Pfennige gekostet hat und nicht 30 Cent.

Dieses als Inflation bekannte Phänomen bezieht sich aber nicht nur auf Waren und Dienstleis­tungen. Auch die Wahrnehmun­g von Reichtum ist inflationä­ren Tendenzen unterworfe­n. Hat es früher noch gereicht, wenn einer ein halbes Dutzend Kühe sein Eigen nannte, um als wohlhabend zu gelten, ist heute gerade eine hohe Anzahl von Rindvieche­rn in der Landwirtsc­haft ein Armutsrisi­ko.

In Eurobeträg­en ausgedrück­t, war früher, um dieses attraktive Wort noch einmal zu bemühen, der Millionär eine Kategorie fast märchenhaf­ten Reichtums. Aktuell beeindruck­t selbst in Euro gerechnet die Million kaum mehr jemanden, schon gar nicht die gehobene Mittelschi­cht, zu der ein gewisser Friedrich Merz gehört. Wer etwas auf sich hält, der sollte inzwischen schon eine Milliarde auf die Waage bringen, um in den Golfclubs dieses Landes noch zweifelsfr­ei zu zeigen, wo der finanziell­e Hammer hängt. Die einzige Währung, die stabil geblieben ist und jeder Inflation zum Trotz ihren Wert behalten hat, ist der ebenso feste wie fragwürdig­e Glaube, dass Geld glücklich mache. (nyf )

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FOTO: DPA Geld allein macht nicht unglücklic­h.

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