Aalener Nachrichten

Das wilde Herz Europas unter Druck

Alpenverei­ne unternehme­n jetzt über die Landesgren­zen hinweg Anstrengun­gen für mehr Schutz der Berge

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Mit der bisher größten gemeinsame­n Kampagne „Unsere Alpen“wollen die Alpenverei­ne aus Deutschlan­d, Österreich und Südtirol auf die Bedrohung des „wilden Herzens Europas“aufmerksam machen. Die Kampagne wurde am Dienstag gleichzeit­ig in München, Innsbruck und Bozen gestartet. Zentrale Botschaft, die sowohl digital wie auch analog in Form einer Zeitung transporti­ert werden soll: Die Alpen sind schön. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen.

Die Alpenverei­ne sehen die Situation in den drei Alpenlände­rn an einem Wendepunkt. Einerseits signalisie­rten Proteste gegen neue Erschließu­ngsmaßnahm­en und Umfragen unter der Bevölkerun­g, dass ein „Weiter so“nicht mehr gewünscht wird, so der Vizepräsid­ent des Deutschen Alpenverei­ns (DAV) Rudi Erlacher am Dienstag in München. Anderersei­ts hätten die bereits spürbar gewordenen Auswirkung­en des Klimawande­ls zu einem Aufrüsten in den Skigebiete­n und verstärkte­n Nutzungen für erneuerbar­e Energien geführt: „Die alpinen Touristike­r stehen im Bann des Klimawande­ls“, so Erlacher. Energiever­sorger sähen die Alpen mit ihren Möglichkei­ten zur Anlage von Speicherse­en und Pumpspeich­erwerken außerdem als eine Art Batterie Europas.

Tatsächlic­h setzt die Winterspor­tbranche in den bayerische­n Alpen immer mehr auf Schneekano­nen, um den Gästen Schneesich­erheit zu bieten. Mit den Schneeerze­ugern kaufe man sich betriebswi­rtschaftli­che Sicherheit, weil die Gäste Schneemang­el im Winterurla­ub nicht mehr einfach so hinnähmen, hatte erst letzte Woche Peter Schöttl, Vorstand des Verbands Deutscher Seilbahnen und Schlepplif­te (VDS), geschilder­t. In der letzten Wintersais­on konnten die bayerische­n Bahnbetrei­ber mit rund sechs Millionen „Skier-days“(Skifahrert­age), was einem Plus von 21,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht, sehr zufrieden sein.

Die Alpenverei­ne sehen ermutigend­e Zeichen für den Schutz des Gebirges. In Bayern hat Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) die Rücknahme einer Änderung des Alpenplans angekündig­t, mit welchem eine Skischauke­l am Riedberger Horn im Allgäu ermöglicht werden sollte. Der Alpenplan habe durch diese Auseinande­rsetzung jetzt eine größere Vorbildfun­ktion als vorher, freut sich der Ressortlei­ter der DAVNatursc­hutzabteil­ung Steffen Reich: „Der Alpenplan geht aus der Debatte deutlich gestärkt hervor.“Das österreich­ische Bundesverw­altungsger­icht hat dieser Tage eine Ausweitung des Skigebiets im Malfontal wegen zu großer Eingriffe in Natur und Landschaft untersagt.

Anderersei­ts gibt es immer wieder Versuche, die bestehende­n touristisc­he Infrastruk­turen auszuweite­n. Mit Argwohn beobachten die Alpenverei­ne Versuche, mit Hilfe einer Neuauflage des Tiroler Seilbahn- und Skigebiets­programms (TSSP) das Verbot von Neuerschli­eßungen aufzuweich­en. Mit dem neuen Entwurf, der die Voraussetz­ungen für Ausweitung und Zusammensc­hluss von Skigebiete­n lockert, könnte ein Skigebiet vom Inntal ins Zillertal möglich werden. Die Tiroler sollten aufpassen, was im Zillertal passiert, warnte DAV-Vize Erlacher. Südtirol ist bei den Touristen inzwischen so beliebt, dass Hotspots wie etwa der Pragser Wildsee oder das Kirchlein im Vilnösser Ranui im vergangene­n Sommer geradezu überrannt werden, sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Auch Südtirols Berge stünden unter Druck. Skierschli­eßungsprog­ramme wie eines zwischen Langtaufer­s und dem Kaunertal oder zwischen Sexten und Silian sorgen für Diskussion in der Autonomen Provinz.

Der DAV sitzt ein wenig zwischen den Stühlen, weil er sich auch als Bergsportv­erein versteht. Den Abbau von bestehende­n Liftanlage­n und Seilbahnen fordert sein Naturschut­zreferent Reich daher auch nicht, aber ein Umlenken der Investitio­nen in „Qualitätsv­erbesserun­g statt Ausbau“.

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FOTO: DPA Aus Sicht der Alpenverei­ne stehen die Alpen an einen Wendepunkt.

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