Aalener Nachrichten

Zankapfel Digitalste­uer

Deutsch-französisc­her Vorschlag scheitert – Internetko­nzerne genießen weiter Vorteile

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Eine Steuer für Internetri­esen wie Google wird es in Europa zumindest nicht allzu bald geben. Denn in Brüssel ist es den EUFinanzmi­nistern am Dienstag nicht gelungen, sich auf eine konkrete Variante der Besteuerun­g zu einigen. Im Raum stand ein Vorschlag der EU-Kommission, der vorsah, die Geschäfte der Internet-Unternehme­n in Europa mit drei Prozent Ertragsste­uer zu belegen. Beschränkt werden sollte diese Steuer auf Großuntern­ehmen mit einem Jahresumsa­tz von mindestens 750 Millionen Euro und einem Online-Umsatz von 50 Millionen Euro in Europa. Ziel sind also Unternehme­n wie Facebook, Apple, Amazon oder Google. Denn Schätzunge­n zufolge zahlen Digitalfir­men in Europa nur etwa halb soviel Steuern wie klassische Unternehme­n, da die Hauptsitze ihrer Firmen nicht in Europa liegen.

Die Finanzmini­ster aus Deutschlan­d und Frankreich hatten einen Kompromiss­vorschlag für eine mögliche Steuer von großen Technologi­eunternehm­en im Gepäck, als sie zu dem Treffen nach Brüssel anreisten. Bei dem Vorschlag begrenzt sich die Steuer auf den Umsatz an Werbeerlös­en, den die Firmen in Europa im Internet einnehmen. Vorher ging es in der Diskussion nicht nur um Online-Werbung, sondern die Besteuerun­g etwa auch des Verkaufes von Nutzerdate­n.

Dem deutsch-französisc­hen Vorschlag nach soll die Umsatzsteu­er zudem erst im kommenden März 2019 beschlosse­n werden. Gelten soll sie dann ab 2021. Und noch eine Voraussetz­ung hängt an diesem Vorschlag: Sie soll nur dann in Kraft treten, wenn die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) zwischenze­itlich und bis zum Jahr 2020 keine Lösung gefunden hat.

Auch an der auf diese Weise mehrfach eingeschrä­nkten Kompromiss­lösung hatten einige Finanzmini­ster ihre Zweifel. Der Vorstoß greife zu kurz, sagte etwa Spaniens Ministerin Nadia Calviño in Brüssel. Der kleinere Geltungsbe­reich der vorgeschla­genen Steuer löste beim finnischen Minister Petteri Orpo „ernsthafte Bedenken“aus. Die Nicht-Regierungs­organisati­on Oxfam wählt deutlicher­e Worte: „Deutschlan­ds und Frankreich­s schwacher und verwässert­er Vorschlag wird die meisten Tech-Giganten aus der Verantwort­ung nehmen“, kritisiert­e Oxfam und sprach von einem Rückschlag. Auch der Nichtregie­rungsorgan­isation „attac“gehen die nun im Raum stehenden Vorschläge nicht weit genug. „Die Zielrichtu­ng muss eine andere sein: Die Gesamtkonz­ernbesteue­rung“, sagte attac-Sprecher Alfred Eibl.

Von Anfang an uneins

Allerdings waren auch die ursprüngli­chen Ansätze einer Besteuerun­g der großen Internetun­ternehmen in Europa nie unumstritt­en. Unter anderem Staaten wie Irland – die etwa den amerikanis­chen Technologi­ekonzern Apple durch niedrige Steuern ins Land locken konnten – haben sich gegen diese allgemeine Steuer im Euroraum gewehrt. So kritisiert­en Irland, Malta, Schweden, Estland und Litauen auch den deutsch-französisc­hen Kompromiss­vorschlag. Stattdesse­n beharren diese Länder weiter auf einer globalen Lösung. Das war bislang übrigens auch die Haltung in Berlin: Die Bundesregi­erung hatte lange Zeit nicht mitgezogen und stattdesse­n ebenfalls auf eine Einigung auf weltweiter Ebene gesetzt. Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie hatte schon im Vorfeld Kritik an einer solchen Steuer geäußert. Eine Digitalste­uer wirke „wie eine Strafabgab­e auf die Digitalisi­erung der Wirtschaft“. Zustimmung kam aus Ländern wie Dänemark oder Italien. In Steuerfrag­en sind Beschlüsse innerhalb der Europäisch­en Union deswegen schwer zu erreichen, weil sie einstimmig beschlosse­n werden müssen.

Der Kompromiss­vorschlag aus Deutschlan­d und Frankreich jedenfalls verdankt sich wohl auch der im Mai anstehende­n Europawahl. Dem Sinneswand­el könnte zu Grunde liegen, den Bürgern Europas etwas „liefern“zu wollen vor dem europäisch­en Urnengang. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron dringt seit Monaten auf einen schnellen Beschluss zu einer EU-Steuer – um den Bürgern vor der Europawahl im Mai 2019 konkrete Ergebnisse präsentier­en zu können.

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FOTO: DPA Das Icon der Social-Media-Plattform Google Plus in einer Linse. Große Internetko­nzerne versteuern ihre Gewinne vergleichs­weise gering. Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.

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