Aalener Nachrichten

30-jährige Aalenerin lebt seit fünf Jahren mit einer Nadel im Unterleib

Ärzte im Bundeswehr­krankenhau­s Ulm haben sie bei einer Nierenstei­noperation aus Versehen zurückgela­ssen – Der Bund muss wohl zahlen

- Von Roland Böhm

STUTTGART/AALEN (dpa) - Reiten? Lieber nicht. Mit den Kindern auf dem Trampolin springen? Auch nicht so gut. Genauso wenig wie Inlineskat­en oder Ähnliches. Die 30-jährige Nicole S. aus Aalen lebt mit einer Operations­nadel im Unterleib. Seit fünf Jahren. Stürze sollte sie tunlichst vermeiden, raten ihr die Ärzte. „Ich lebe mit erhebliche­n Einschränk­ungen, jeden Tag“, erzählte die Frau mit den langen schwarzen Haaren am Dienstag in Stuttgart.

Dort verhandelt­e das Oberlandes­gericht über den ungewöhnli­chen Fall, der aus einer Nierenstei­noperation am renommiert­en Bundeswehr­krankenhau­s in Ulm im März 2013 resultiert. Nicole S. hatte sich die Klinik für den Eingriff selbst ausgesucht. Doch dann blieb eine von nur vier eingesetzt­en, knapp zwei Zentimeter langen Operations­nadeln in ihrem Körper zurück. Gut sichtbar bis heute bei Röntgenauf­nahmen. Das Beunruhige­nde: Mindestens einmal hat sie sich schon bewegt. Aktuell liegt sie tief drin an einem Lendenmusk­el, wie es heißt. Wie gefährlich ist das? Können Organe verletzt werden?

Dass sich nun auch noch der Bund als Träger des Krankenhau­ses in Ulm, in dem das Missgeschi­ck passierte, weigert, Schadeners­atz und Schmerzens­geld zu zahlen, macht die Betreiberi­n eines Nagelstudi­os sauer. Das Landgerich­t Ulm hatte Nicole S. in erster Instanz 13 000 Euro und rund 2000 Euro Schadeners­atz zugesproch­en, wie eine Sprecherin des OLG berichtete. „Ich habe doch schon für immer die Nadel im Körper. Ich muss damit leben. Was ist mit meinen Kindern, wenn mir was passiert.“Herausoper­ieren lassen möchte sie die Nadel nicht. Jede Operation birgt ein Risiko – und Ärzte haben ihr abgeraten.

Der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Reder machte am Dienstag bei der Berufungsv­erhandlung recht bald klar, wie die Kammer zu der Sache steht: „Wir sehen keinen Grund, von der Haftung wegzukomme­n“, sagte er in Richtung des Vertreters des Bundesvert­eidigungsm­inisterium­s in Bonn. Heißt: Der Bund muss zahlen. Wie viel, wird sich noch herausstel­len, Gespräche laufen. Die Entscheidu­ng will das OLG am 20. Dezember verkünden.

Der behandelnd­e Arzt kann sich das Versäumnis derweil immer noch nicht erklären. Er habe zum Vernähen Fäden mit Nadeln an den Enden verwendet, berichtet er. Drei Nadeln habe er eingesetzt. Wie die Nadel im Körper der Patientin zurückblei­ben konnte, sei ihm bis heute nicht klar. Für das Zählen und Kontrollie­ren der verwendete­n Gegenständ­e vor und nach der Operation sei der behandelnd­e Arzt nicht zuständig, sagte eine Sachverstä­ndige. Inzwischen gebe es vielerorts seine Dokumentat­ionspflich­t, was vor fünf Jahren noch nicht so gewesen sei. Ob das Material in Ulm vor und nach der OP gezählt wurde, bleibt unklar.

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